„Katastrophal und menschenunwürdig“ sei die Lage der Berufskraftfahrer, wenn sie für ihre vorgeschriebenen regelmäßigen Wochenruhezeiten in ihren Lkw auf Parkplätzen pausieren - durchaus 200 Fahrzeuge bei eigentlich nur 90 Stellplätzen; viele Fahrer ohne Zugang zu sanitären Anlagen. So schilderte es Thomas Fiala vom Polizeipräsidium Köln am Montag, 6. März 2017, in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr und digitale Agenda unter Leitung von Martin Burkert (SPD) zur geplanten Änderung im Güterverkehrsrecht. Und so manche Fahrer gerade aus dem osteuropäischen Raum seien sechs Monate und mehr unterwegs, ohne ihre Heimat zu kommen. Gerade zu Weihnachten erlebe Fiala das „blanke Elend“.
Im Einzelnen ging es bei der Anhörung um den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes, des Fahrpersonalgesetzes, des Gesetzes zur Regelung der Arbeitszeit von selbständigen Kraftfahrern, des Straßenverkehrsgesetzes und des Gesetzes über die Errichtung eines Kraftfahrt-Bundesamtes„ (18/10882).
Fernfahrer: Die Lage ist menschenunwürdig
Die Anhörung konzentrierte sich auf die Lage des Fahrpersonals, die “tatsächlich menschenunwürdig sei„, wie es auch der Fernfahrer Udo Skoppeck formulierte, der sich mit der “Allianz im deutschen Transportwesen„ um seine Kollegen aus der gesamten EU kümmert. Die meisten übten ihren Job “in keinster Weise freiwillig„ aus. Er wies speziell auch auf die Sprinter-Fahrzeuge hin, deren Fahrer oft quer über die Fahrersitze schliefen - und dies “bei bis zu minus 15 Grad„.
Fiala machte deutlich, dass es zu den katastrophalen Zuständen insbesondere an den Grenzen zu Nachbarländern wie Frankreich, Belgien oder die Niederlande komme, weil dort gegen die Übernachtungen im Fahrzeug restriktiver vorgegangen werde. Die Erfahrungen in diesen Ländern zeigten, dass entsprechende Regulierungen “kontrollierbar„ wären, wenn es sie denn in Deutschland gäbe: “Unser Schwert schneidet nicht, um das zu verhindern.„
Gewerkschaften befürworten Vorschlag des Bundesrats
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) und Dienstleistungsgewerkschaft Verdi machten sich stark für einen Vorschlag des Bundesrats, so ihre Vertreter Dominik John und Ralph Werner. In dem Vorschlag seien die Ansprüche an den Unternehmer bezüglich der Wochenruhezeiten ebenso klar definiert wie die an das Fahrpersonal - nämlich die Rückkehr zum Wohnort des Fahrers oder zum Ort des Unternehmenssitzes oder Übernachtung in einer festen Unterkunft mit geeigneten Sanitäreinrichtungen und ausreichenden Versorgungsmöglichkeiten.
Beide bemängelten den Vorstoß der Fraktionen von CDU/CSU und SPD im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, demzufolge im Gesetz eine “geeignete Schlafmöglichkeit„ für die Wochenruhezeit vorgegeben werden soll. Das sei, so Werner, “sehr problematisch„, weil “niemand genau definieren„ könne, was denn unter “geeignet„ zu verstehen sei. Dies sei eine “Steilvorlage für Rechtsstreite„.
Zurückhaltender äußerte sich Skoppeck. Zwar sei der Vorschlag des Bundesrates zu begrüßen. Doch er fürchte, dass solche Regelungen von der EU “wieder kassiert„ würden. Die Wahrscheinlichkeit sei jedenfalls “sehr groß„. Da sei es besser, dass jetzt auf nationaler Ebene “überhaupt etwas passiert„. Und das gehe ohne gesetzliche Grundlage nicht, betonte Fiala. Eine “Ausschärfung„ der gegenwärtigen Lage sei “wünschenswert„.
BGL: Fahrpersonal muss entscheiden können
Prof. Dr. Dirk Engelhardt vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) stufte ein “grundsätzliches Verbot des Verbringens der regelmäßigen Wochenruhezeit im Fahrzeug„, wie vom Bundesrat vorgeschlagen, zwar als einen “Ansatz„ zur Bekämpfung des “Nomadentums auf Park- und Rastplätzen im Bundesgebiet„ ein. Dies könne zur “Verbesserung der Arbeitsbedingungen„ insbesondere des osteuropäischen Fahrpersonals beitragen.
Allerdings setzte sich der BGL dafür ein, dass es den Fahrpersonal freigestellt bleiben müsse, wo und wie es seine Freizeit verbringt. Es gehe “nicht ausschließlich darum, wo der Fahrer schläft„. Möglicherweise fühle sich ein Fahrer “im eigenen, komfortabel ausgestatteten Fahrerhaus sehr viel wohler„ als bei einem “erzwungenen Aufenthalt in einem Motel„.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung
Neben redaktionellen Änderungen sowie Klarstellungen sind in dem Entwurf die Anpassung der Gültigkeitsdauer der nationalen güterkraftverkehrsrechtlichen Erlaubnis für Transportunternehmer an das europäische Recht, die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage für die Speicherung von Verstößen des Unternehmers und des Verkehrsleiters, die Anpassung der Kabotagebestimmung im Güterkraftverkehrsgesetz und die Verlängerung der Aufbewahrungsmöglichkeit von Lenkzeitunterlagen zwecks Vereinfachung der Nachweispflichten entsprechend dem Mindestlohngesetz vorgesehen.
Was die güterkraftverkehrsrechtliche Erlaubnis angeht, so weist die Bundesregierung darauf hin, dass diese in Deutschland erstmalig mit der Gültigkeitsdauer von bis zu zehn Jahren erteilt werde. Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer werde sie zeitlich unbefristet erteilt, wenn der Unternehmer die Berufszugangsvorschriften nach wie vor erfüllt. Eine EU-Gemeinschaftslizenz habe hingegen immer nur die Gültigkeitsdauer von zehn Jahren. Um eine Angleichung zu erreichen, die aus Gründen der Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer erforderlich sei, solle nun künftig die Erlaubnis auch nur noch für zehn Jahre erteilt werden. Inhaber unbefristeter Erlaubnisse könnten diese aber weiterhin unbefristet nutzen, schreibt die Regierung.
Das Gesetz soll außerdem die Voraussetzungen festlegen, unter denen die zuständige Behörde zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer die Überprüfung des Fahrtenschreibers durch eine amtlich anerkannte Stelle anordnen darf, “wenn hinreichende Erkenntnisse dafür vorliegen, dass der Fahrtenschreiber nicht vorschriftsmäßig funktioniert„. Konkrete Anhaltspunkte für eine technische Fehlfunktion könnten sich der Vorlage zufolge insbesondere aus den Auswerteergebnissen der Analysesoftware ergeben, die von den zuständigen Behörden im Rahmen von Verkehrskontrollen zum Auslesen der vom Fahrtenschreiber gespeicherten Daten eingesetzt wird.
Bundesrat: Fahrer sollen nicht im Lkw pausieren
Der Bundesrat empfiehlt in seiner Stellungnahme die Aufnahme eines “Verbots des Verbringens der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug„ in den Gesetzentwurf. Der Transportunternehmer könne dadurch verpflichtet werden, dafür Sorge zu tragen, dass das Fahrpersonal seine regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten so verbringt, dass sie dem Gesundheitsschutz des Fahrers und der Verkehrssicherheit dienen, schreibt die Länderkammer zur Begründung.
Die Bundesregierung räumt in ihrer Gegenäußerung ein, dass im Hinblick auf den Ort, an dem die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit verbracht wird, Regelungsbedarf besteht. Sie werde im Laufe des parlamentarischen Verfahrens das Anliegen des Bundesrates weiter prüfen, heißt es in der Vorlage. (fla/hau/06.03.2017)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Prof. Dr. Dirk Engelhardt, Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung e.V. (BGL)
- Thomas Fiala, Polizeipräsidium Köln
- Udo Skoppeck, Actie in de Transport Germany
- Ralph Werner, Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
- Dominik John, Deutscher Gewerkschaftsbund