05.07.2024 | Dokumente

Tagesaktuelles Plenarprotokoll 20/182

 

**** NACH § 117 GOBT AUTORISIERTE FASSUNG ****

*** bis 11.10 Uhr *** 

 

Deutscher Bundestag

 

182. Sitzung

Berlin, Freitag, den 5.Juli 2024

Beginn: 9.00 Uhr

 

Präsidentin Bärbel Bas: 

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche Ihnen allen einen wunderschönen guten Morgen. Die Sitzung ist eröffnet.

Ich teile Ihnen mit, dass sich der Ältestenrat in seiner gestrigen Sitzung darauf verständigt hat, während der Haushaltsberatungen vom 10. bis 13. September 2024 wie üblich keine Befragung der Bundesregierung, keine Fragestunde und keine Aktuellen Stunden durchzuführen. Als Präsenztage nach § 14 Absatz. 1 des Abgeordnetengesetzes werden die Tage von Montag, 9. September 2024, bis Freitag, 13. September 2024, festgelegt. - Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:

 

24.

 

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Erneuerbaren-Richtlinie in den Bereichen Windenergie auf See und Stromnetze und zur Änderung des Bundesbedarfsplangesetzes

Drucksachen 20/11226, 20/11558, 20/11685 Nr. 9

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Klimaschutz und Energie (25. Ausschuss)

Drucksache 20/12145 

 

Für die Aussprache ist eine Dauer von 39 Minuten vereinbart.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zuerst für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Dr. Ingrid Nestle.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP - Jens Spahn (CDU/CSU): Gibt es keinen Bundesminister mehr? - Dorothee Bär (CDU/CSU): Minister gibt es nicht mehr!)

Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die meisten von uns sind wahrscheinlich in Gedanken noch mit der Einigung der letzten Nacht beschäftigt, den großen Entscheidungen, die gefallen sind, und dem Weg nach vorne, der aufgezeigt worden ist. Trotzdem müssen wir uns jetzt und hier auch wieder um die anderen Dinge kümmern, die unser Land braucht. Es gehört zum guten Regieren,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

dass man sich auch in diesen Momenten, in denen politisch gerade ganz viel passiert, um die Dinge kümmert,

(Dorothee Bär (CDU/CSU): Parallelwelt! Deswegen haben die Cannabis legalisiert!)

die gar nicht so klein sind; denn es geht um den Infrastrukturausbau. Er ist für unser Land wichtig. Deshalb kehren wir zu diesem Thema zurück und werden wichtige Beschlüsse fassen. Es geht um den Infrastrukturausbau. Es geht um den Ausbau der Stromleitungen.

Erst gestern Abend haben Sie von der Unionsfraktion einen Antrag vorgelegt, der sinngemäß sagt: Wenn man die Erneuerbaren schnell ausbaut, braucht man auch viele Stromleitungen. - Da haben Sie völlig recht. Was Sie noch nicht so richtig bemerkt haben, ist - glaube ich -, dass wir den Ausbau der Stromleitungen tatsächlich massiv beschleunigt haben. 2, 4 und 15 sind die Zahlen, die das beschreiben. Wir haben die fertiggestellten Kilometer in diesem Jahr verdoppelt gegenüber 2021; mal zwei. Die Kilometer, die in Bau gegangen sind, werden sich vervierfacht haben und die genehmigten Kilometer mal 15. Faktor 15 in drei Jahren!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dort, wo wir uns kümmern, liefern wir, so auch beim Thema Infrastrukturausbau. Genau das ist der Grund, warum wir heute früh hier zusammenkommen und tatsächlich nur über die Stromleitungsbeschlüsse aus diesem Gesetzentwurf sprechen. Der Rest ist noch nicht fertig. Das ist schade. Ich hätte jetzt gern alles gemacht.

Dieser Teil ist dringlich. Er ist dringlich, weil der Ausbau der Stromleitungen so schnell geworden ist. Wir haben im letzten Netzentwicklungsplan festgestellt, dass noch ein paar Leitungen notwendig sind, wenn man tatsächlich bis 100 Prozent erneuerbare Energien guckt und nicht nur bis zu einem Teilausbau, und dass zwei dieser Leitungen - um die geht es heute - mit anderen Leitungen gebündelt werden können, die erst im letzten Bundesbedarfsplangesetz beschlossen worden sind. Obwohl sie erst vor Kurzem beschlossen worden sind, ist die Planung schon so weit, dass wir, wenn wir bündeln und den Menschen vor Ort in den Planfeststellungsverfahren gleich das volle Projekt vorlegen wollen, jetzt Beschlüsse fassen müssen. Es sind schon Hallen für die anderen Projekte aus dem letzten Bundesbedarfsplangesetz gebucht, mit denen wir bündeln wollen, weil die Genehmigungsverfahren so schnell geworden sind. Ich glaube, viele in diesem Land haben das noch gar nicht gemerkt. Und deswegen: Wenn wir vor Ort gleich das volle Paket auf den Tisch legen wollen, wenn wir nicht bei den Menschen Verwirrung stiften wollen, wenn wir nicht den Eindruck erwecken wollen, als würden wir in Salamitaktik nur das eine und dann das nächste sagen, dann ist es so wichtig, dass wir heute diesen Beschluss fassen, und darum bitte ich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

In der Vergangenheit konnte man manchmal den Eindruck der Salamitaktik gewinnen, als würden wir immer kommen und sagen: „Jetzt brauchen wir eine Stromleitung“, und fünf Jahre später sagt man, man braucht noch eine. Das war natürlich niemals Taktik, sondern das war die Netzplanung, die immer zehn, 15 Jahre in die Zukunft geguckt hat, weil man sich gesagt hat: Weiter in die Zukunft zu blicken, ist schon sehr spekulativ. - Wir haben auch das beendet.

Wir haben zum ersten Mal einen Netzentwicklungsplan gemacht, der bis 2045 - also wirklich bis 100 Prozent Erneuerbare - schaut. Ja, natürlich werden sich Dinge anders entwickeln, als wir heute denken. Natürlich wird man hier und dort anpassen müssen. Aber nach bestem Wissen und Gewissen können wir jetzt sagen: Das ist es, was wir brauchen. Das legen wir auf den Tisch, sodass wir es öffentlich diskutieren, dass wir es mit allen gemeinsam besprechen können und die Infrastruktur ausbauen können, die unser Land braucht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Zum Inhalt. Ich glaube, der Rhein-Main-Link, eine Nord-Süd-Verbindung - es wird viel darüber gesprochen, dass wir da mehr Leitungen brauchen -, überzeugt relativ einfach. Im Ausschuss hatten wir eine kurze Diskussion zum NordOstLink. Der geht von Schleswig-Holstein nach Osten. Bei Verkehrsverbindungen sagen wir ganz oft: Wir haben so viel Nord-Süd, wir brauchen auch Ost-West. Ich glaube, dass das im Grundsatz auch stimmt. Vor allem aber war die Frage: Warum macht ihr denn Gleichstrom, wenn es doch gar nicht ein so langes Stück ist? Gleichstrom macht man eher auf lange Distanzen. Es gibt eine ganz klare Antwort: Weil der Strom schon als Gleichstrom ankommt. Es ist im Wesentlichen Offshorestrom - Offshorestrom wird immer in Gleichstrom angelandet -, den wir deswegen selbstverständlich technisch effizient auch als Gleichstrom weitertransportieren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Die Kosten für diese Ausbauleitungen sind natürlich relevant. Wir hatten auch gestern eine Diskussion: Sind Freileitungen günstiger als Erdkabel? Werte Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion, Sie haben dann gesagt: Wir wollen es allen recht machen. Ja, wir sagen erst einmal „Freileitung“, und wir sagen auch gleich dazu: Überall, wo es schwierig wird, versprechen wir doch wieder das Erdkabel. - So funktioniert Regieren nicht. So funktioniert Politik nicht. Man kann nicht alles auf einmal sagen und es allen recht machen.

(Dorothee Bär (CDU/CSU): Ihr macht es aber niemandem recht! Unfassbar!)

Tatsächlich ist dieses Hoch und Runter, dieses Beides-Wollen, die teuerste Variante von allen. Das ist nicht ehrlich, und es ist die teuerste Variante von allen. Das ist nicht redlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die Leitungen werden ungefähr so viel kosten, wie wir ausgegeben haben, um die Schäden der Flutkatastrophe im Ahrtal zumindest teilweise zu beseitigen. Ich will nicht, dass wir immer mehr Geld ausgeben, um die Zerstörungen aufzuräumen, die die Klimakrise verursacht. Ich möchte, dass wir Geld in Infrastruktur investieren, von der wir Jahrzehnte Gutes haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

2, 4, 15 - der Netzausbau geht voran. Wir haben tatsächlich die Klimaemissionen im Stromsektor in diesem Halbjahr gegenüber 2016 halbiert, inklusive Atomausstieg. Das ist ein Riesenerfolg. Es bleibt viel zu tun. Aber heute ist es ein weiterer wichtiger Schritt, die Geschwindigkeit und vor allem die Klarheit und Verlässlichkeit für die Bürger zu verbessern.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächster hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Andreas Jung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Andreas Jung (CDU/CSU): 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Nestle, selbstverständlich interessieren wir uns für die Einigung im Haushaltsstreit der Ampel, weil sich jetzt konkrete Fragen stellen, die genau diesen Bereich betreffen.

Herr Kellner, seit Monaten warten wir auf die Kraftwerksstrategie. Es wurden immer wieder neue Einigungen verkündet. Im Energieausschuss am Mittwoch hieß es, man habe alles geeint, es fehle nur noch die Einigung über den Haushalt. Und deshalb bitten wir Sie, hier heute Transparenz zu schaffen. Wann kommt die Kraftwerksstrategie?

(Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute!)

- Heute kommt die Kraftwerksstrategie - Dann sagen Sie uns: Wann werden Sie die erste Runde der 5 Gigawatt ausschreiben? Wann werden Sie die zweite Runde der 5 Gigawatt ausschreiben? Warum schreiben Sie nur 10 Gigawatt aus, obwohl Ihre Regierung und die Bundesnetzagentur gesagt haben, die Lücke ist doppelt so groß? Wie soll eine Lücke von 20 Gigawatt mit 10 Gigawatt geschlossen werden? Bleibt es bei dem, was die Regierung einmal angekündigt hat, dass bei der Dekarbonisierung neben der Option Wasserstoff auch die Option CCS ermöglicht wird? Das haben Sie in Ihre Strategie geschrieben. Aber es wird bisher von den Fraktionen der Grünen und der SPD blockiert. Da brauchen wir jetzt Klarheit. Bitte schaffen Sie hier und heute Transparenz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir brauchen Klarheit zu der Frage, wo die 9 Milliarden Euro Mehrkosten beim EEG herkommen. Die Bundesregierung, Staatssekretär Toncar, weiß das seit dem 22. Januar. Sie haben geschrieben: Zum Zeitpunkt des Haushaltsbeschlusses im Februar sei es nicht bekannt gewesen. - Das hat sich als unzutreffend, als falsch erwiesen. 

(Zuruf des Abg. Karsten Hilse (AfD))

Herr Habeck hat hier bei der Regierungsbefragung gesagt, dass Sie es seit Januar wissen. Sie haben falsch geplant, CO2-Einnahmen anderweitig ausgegeben. Dadurch haben Sie dieses Haushaltsloch selbst verschuldet. Jetzt wollen wir wissen: Wie wird das finanziert? Bleibt es dabei, dass es aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert wird, dass also beim Klimaschutz gekürzt wird? Bleibt es dabei, oder gilt das, was Sie jetzt wieder in Ihrer Rede gesagt haben: „Priorität von Klimaschutz“? Kommt das endlich mal von Ihren Reden auch in den Bundeshaushalt? Dort erwarten wir Klarheit und Wahrheit und Priorität für Klimaschutz. Schaffen Sie Klarheit. Schaffen Sie Transparenz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was die Stromtrassen angeht: Ja, wir brauchen diesen Ausbau, und wir brauchen beschleunigten Ausbau. Die Große Koalition hatte beschlossen, dass die Erdverkabelung die Regel ist und die Freilandleitung die Ausnahme. Es gibt jetzt aber eine neue Debatte. Diese wurde angestoßen von Winfried Kretschmann, Ihrem Parteifreund, und Michael Kretschmer, unserem Parteifreund, über die Grenzen von Ländern und Parteien hinweg, mit viel Zuspruch im Bundestag und mit viel Zuspruch in der Gesellschaft. Denn es hat sich erwiesen, dass das, was man sich damals davon versprochen hatte, nämlich dass es die Akzeptanzfrage löst, nicht eingetreten ist, weil hier breite Furchen durch das Land gezogen werden und sich Akzeptanzfragen hinsichtlich Landschaft, Natur und Landwirtschaft stellen.

Deshalb meinen wir, man muss noch mal neu darüber nachdenken. Man muss es neu bewerten, gerade auch, weil die Bundesnetzagentur sagt: Wenn man dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis umdreht - und das ist unsere Initiative -, dann kann man mindestens 20 Milliarden Euro einsparen. - Das ist kein Pappenstiel. Da geht es um richtig viel Geld. Wir sind in einer Situation, in der die Kosten für die Energiewende drohen aus dem Ruder zu laufen. Dann bricht die Akzeptanz weg, und ohne Akzeptanz werden wir nicht klimaneutral. 

Deshalb müssen wir diese Debatte über die Kosteneffizienz der Energiewende bei den Netzen neu führen. Wir brauchen Initiativen für Speicher; einen entsprechenden Antrag auch zu dem, was netzdienlich ist, haben wir gestern in den Bundestag eingebracht. Diese Debatte muss geführt werden. Sie machen das Gegenteil.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben unseren Antrag gestern in die Ausschüsse verwiesen. Der Bundesrat hat sich noch gar nicht befasst, und mit dem Gesetz, das Sie heute auf den Weg bringen, schaffen Sie Fakten und drücken neun Trassen unverändert, ohne neue Debatte ins Verfahren. Das ist nicht Offenheit, Transparenz oder neue Debatte, sondern das ist „Augen zu und durch“. Das ist der falsche Weg.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Herr Jung, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung der Kollegin Nestle?

Andreas Jung (CDU/CSU): 

Ja.

Präsidentin Bärbel Bas: 

Kollegin, Sie haben das Wort.

Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 

Herzlichen Dank, Herr Kollege. - Ich schätze die Debatte mit Ihnen sehr. Sie haben ja richtig dargestellt, dass es im Bundesrat eine Initiative gab.

Andreas Jung (CDU/CSU): 

Gibt.

Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 

Gibt, ja. Dazu komme ich vielleicht gleich. 

Andreas Jung (CDU/CSU): 

Winfried Kretschmann hält daran fest! Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg hält daran fest und wirbt dafür!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielleicht kann die Kollegin ihre Frage stellen oder Bemerkung machen!)

Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 

Genau darauf wäre ich jetzt gleich gekommen. Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg hält daran fest.

Sie sprechen die Frage an: Erdkabel oder Freileitung bei den großen Stromtrassen. Beim Erdkabel gibt es die Hoffnung auf mehr Akzeptanz, bei der Freileitung eine Senkung der Kosten. Sie stellen es hier so dar, als würde die CDU/CSU sich für die Kostensenkung engagieren.

Ich habe gerade gesagt: Ja, es stimmt, dass es auf Länderebene eine Initiative gab. Es gab aber auch eine Diskussion bei der Ministerpräsidentenkonferenz, wo der Kanzler deutlich gemacht hat: nur mit Zustimmung aller Länder. Ja, wir können das machen, aber nur, wenn alle Länder dabei sind. 

Sie haben es gerade selbst gesagt: Der grüne Ministerpräsident wäre dabei gewesen. Von den Ministerpräsidenten der CDU und CSU hat sich kein einziger klar dafür ausgesprochen. Auch deshalb ist dieser Entschluss jetzt anders gefasst und ist dieses Thema abgeräumt.

Meine Frage ist: Finden Sie es wirklich redlich und ehrlich, jetzt hier das Thema weiter so nach vorne zu tragen, wenn sich im geschlossenen Raum Ihre eigenen Ministerpräsidenten eben nicht dazu bekennen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Andreas Jung (CDU/CSU): 

Frau Nestle, dem will ich klar entgegenhalten: Unsere Ministerpräsidenten bekennen sich dazu. Ich habe jüngst noch mal mit Michael Kretschmer gesprochen, der nach wie vor ganz klar für diese Initiative wirbt, 

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haben Sie mal mit der CSU gesprochen?)

die er gemeinsam mit Winfried Kretschmann auf den Weg gebracht hat. Unser Verständnis von demokratischen Prozessen ist nicht, dass der Bundeskanzler in einer Ministerpräsidentenkonferenz par ordre du mufti etwas verordnet und dann eine Debatte beendet ist. Für die Debatten gibt es die Verfahren im Deutschen Bundestag und im Bundesrat. Dafür sind sie angelegt. Das ist unsere Demokratie, und da laufen die Verfahren. 

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja! Dann richten Sie sich mal danach!)

Diese werden weiterhin unterstützt. Sie schaffen mit dem, was Sie heute machen, Fakten und würgen die Debatte ab. 

(Jens Spahn (CDU/CSU): Niedersachsen!)

Das ist unredlich und der falsche Weg.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will einen weiteren Punkt ansprechen. Es ist notwendig, dass wir die Stromtrassen voranbringen und dass wir insgesamt Infrastrukturen voranbringen, das Wasserstoffkernnetz und CO2-Infrastrukturen. Das müssen wir integriert denken. Auch deshalb müssen wir neu überlegen: Wie kriegen wir das alles zusammen?

Ich habe bereits im November darauf gedrungen, dass der Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung eines Wasserstoffkernnetzes nachgebessert wird. Robert Habeck sagt: Das sind die Autobahnen der Zukunft. - Ja, es sind die Lebensadern der Zukunft. Dort, wo Wasserstoff ist, wird Industrie, Wertschöpfung, Wirtschaft, Perspektive sein. Aber wir haben in erheblichem Umfang weiße Flecken. Wir haben diese weißen Flecken im Südwesten von Sachsen, ein Cluster der Automobilindustrie - dort gibt es einen hohen Bedarf an Wasserstoff - droht, abgehängt zu werden. 

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft (AfD))

Wir haben diese weißen Flecken in weiten Teilen von Bayern. Wir haben die weißen Flecken in weiten Teilen von Baden-Württemberg, im Schwarzwald und in den Regionen am Bodensee, Hochrhein und Oberrhein. Da müssen Sie nachbessern. Das sagen wir seit November. Es ist bisher nichts passiert.

Auch da bin ich dankbar, dass Winfried Kretschmann mit uns und gegen diesen Vorschlag kämpft. Es muss nachgebessert werden. Auch Michael Kretschmer fordert das. Die Ministerpräsidenten haben Sie gerade genannt. Wir haben seit November nichts gehört. Da muss es jetzt Fortschritte geben. Es geht um die industrielle Substanz unseres Landes. 

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Darum geht es schon seit 20 Jahren!)

Es geht um das, was uns stark macht: die föderale Vielfalt, nicht Zentralismus. Diese Vielfalt muss erreicht werden. Dieses Kernnetz hängt weite Regionen ab. Es wird zu Spaltungen und Polarisierung führen.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, durch Sie!)

Wir müssen das ganze Land, alle wichtigen Industrieregionen erfassen. Deshalb brauchen wir jetzt diese Nachbesserungen; die müssen jetzt auf den Tisch. Dazu fordern wir Sie auf.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächste hat das Wort für die SPD-Fraktion Dr. Nina Scheer.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Dr. Nina Scheer (SPD): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Jung, Sie haben nun eine ganze Reihe von Themen aufgeworfen, die - das wissen auch Sie - mit dem TOP, den wir hier behandeln, vielleicht von der groben Thematik etwas zu tun hat, aber nicht mit der Gesetzesvorlage, die wir heute beschließen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Andreas Jung (CDU/CSU): Von Windenergie steht im Gesetz gar nichts drin!)

Weil Sie diesen großen Bogen spannen wollen, muss ich jetzt meinerseits - Sie haben es ja bei der Zwischenfrage von Ingrid Nestle gerade schon aus Richtung unserer Koalition gehört - noch ein bisschen was richtigstellen. Das muss ich jetzt leider zu Beginn meiner Rede einschieben.

Sie haben uns vorgeworfen, wir - Sie hatten SPD und Grüne direkt angesprochen - würden mit der Carbon-Management-Strategie hier etwas blockieren. Das ist einfach falsch. Sie wissen genau, dass es einen Kabinettsbeschluss zum Kohlenstoffspeichergesetz gibt. 

(Andreas Jung (CDU/CSU): Heute sollte die erste Lesung sein!)

- Das war die Planung; so hatten wir es vor. Dieses Vorhaben mussten wir ändern; denn uns war daran gelegen, dass erst einmal die Stellungnahme des Bundesrats in dieser Frage abgewartet wird. Diese liegt erst mit dem heutigen Tag vor. Daher kann man jetzt weiter verfahren.

Das ist nicht ein Blockieren durch Fraktionen. Es ist einfach falsch, der Öffentlichkeit zu suggerieren, dass dies ein Blockieren sei. Das weise ich entschieden zurück.

(Beifall bei der SPD - Andreas Jung (CDU/CSU): Am besten durch eine erste Lesung!)

- Die erste Lesung setzt voraus, dass wir alle Materialien haben, die zum Gesetzgebungsprozess gehören, und der Bundesrat sollte doch nicht übergangen werden. Oder meinen Sie, dass wir den Bundesrat in dieser Frage übergehen sollten? Das fände ich sehr fahrlässig.

Ich finde, es ist in Ordnung und völlig geboten, dass wir auch solche Argumentationen aufgreifen. Insofern ist der Vorwurf, den Sie an uns gerichtet haben, einfach falsch, und ich weise ihn zurück. Wir blockieren hier nichts, sondern wir werden uns im parlamentarischen Verfahren inhaltlich damit auseinandersetzen. Wir wollten eben auch die Materialien haben, auf die noch zu warten war; das habe ich erwähnt.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Als Nächstes hatten Sie uns dann vorgehalten, dass wir mit der Erdverkabelung etwas falsch machen, und gefragt, warum wir denn nicht bitte umsteigen. Gerade ist schon ausgeführt worden, wie die Gemengelage ist. In der Tat ist es nicht top-down oder par ordre du mufti, wie Sie es da gerade in den Raum gestellt hatten, wenn der Kanzler einen Lösungsweg im Bund-Länder-Gespräch vorschlägt, wie man mit differenzierten Betrachtungen umzugehen hat.

Die Entscheidung, dass man der Erdverkabelung den Vorrang einräumt, ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern war ein Prozess, einhergehend mit der Erkenntnis, dass man damit auch Sorgen aus der Bevölkerung wirksam aufnehmen kann. Dieser Erdkabelvorrang war sachlich begründet und hatte tatsächlich akzeptanzfördernde Wirkung. Insofern ist das nicht vom Himmel gefallen. Wir haben seither diesen Vorrang. 

Es gibt vieles, was sich in einer Gesellschaft im Zuge der Netzplanung darauf ausrichtet, wenn ein solcher Vorrang implementiert wird. Daran hängen die Investitionen von allen, die daran beteiligt sind. Wir beschleunigen gerade alles; und wenn man dann, auch in Bezug auf schon in Gang gesetzte Prozesse, auf einmal in den Raum stellt, dass man das Ganze jetzt doch noch mal ändert, dann hat das auch einen Verzögerungsprozess zur Folge. Das hat auch Kostensteigerungen zur Folge. Es hat außerdem zur Folge, dass mit den Verzögerungen verstärkt die Netzengpässe aufrechterhalten werden. Und Netzengpässe aufrechtzuerhalten, das bedeutet wiederum, dass weiterhin eine enorme Menge Strom aus erneuerbaren Energien abgeregelt werden muss. Das ist das Gegenteil von Energiewende. Man muss auch schon mal B sagen und nicht immer nur A; von wegen: „Wir wollen das alles nicht“. Man muss sich auch mal mit den Konsequenzen auseinandersetzen, wenn solche Forderungen in den Raum gestellt werden. Insofern finde ich es im höchsten Maße verantwortungsbewusst, dass man sagt: Eine solche Änderung kann nur dann vorgenommen werden, wenn wirklich Einvernehmen besteht zwischen allen Beteiligten. Und dieses Einvernehmen ist nicht da. Insofern ist es nicht redlich - ich verwende jetzt auch diesen Begriff; Sie hatten uns ja vorgeworfen, dass das nicht redlich sei -, diese Gemengelage einfach zu übergehen. 

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann haben Sie uns noch vorgeworfen, dass wir hier keine Antwort hätten, was die Finanzierung des Erneuerbaren-Ausbaus betrifft. Zunächst einmal haben wir heute - darauf komme ich gleich auch noch zu sprechen - eine Verabschiedung von Leitungsausbauvorhaben im Bundesbedarfsplan, die wir vorziehen wollen. Sehen Sie es mir daher nach, wenn wir heute hier nicht einen Haushaltsentwurf debattieren. Aber wenn Sie unterstellen, dass die Finanzierung des Erneuerbaren-Ausbaus nicht geregelt sei, ist das erneut eine Falschbehauptung. Wir haben ein Energiefinanzierungsgesetz, in dem klipp und klar geregelt steht, dass die vormals über die EEG-Umlage finanzierten Kosten für den Ausbau erneuerbarer Energien jetzt eben nicht mehr über diese Umlage eingezogen werden - also von den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu zahlen sind -, sondern dass sie haushalterisch erbracht werden. 

(Dr. Rainer Kraft (AfD): Diese Kosten explodieren gerade!)

Das ist eine gesetzliche Regelung: Wenn eine solche Verpflichtung des Staates besteht, diese Differenzzahlungen zu leisten, dann sind diese auch zu zahlen. Insofern haben wir sehr wohl eine Regelung. Sie sollten der Bevölkerung nicht suggerieren, dass wir keine Regelung hätten; die Finanzierung des Erneuerbaren-Ausbaus ist gesichert. 

(Beifall bei der SPD)

Ich kann in den letzten Sekunden, die nun auch schon fast vorbei sind, nur ganz kurz sagen: Wir ziehen diese Vorhaben vor, die zwei HGÜ-Leitungen und sieben Offshoreanbindungsleitungen umfassen, und integrieren sie in die Vorhaben 81 und 82, und zwar in den NordOstLink und den Rhein-Main-Link. Es ist von der Materie her sehr simpel, was wir tun. Es ist aber notwendig, dass wir diese Beschleunigungswirkung hinbekommen, dass wir diese Projekte jetzt vorziehen und auch noch Erleichterungen hineinbringen. Wir übertragen Festlegungen auf die Bundesnetzagentur, damit auch hier eine Beschleunigungswirkung erfolgen kann. Das bringt mehr Beschleunigung in die Energiewende, und das ist auch im Sinne der Klimaschutzzielvorgaben und im Sinne von möglichst schnell zu erreichender günstiger Energie, nämlich durch Erneuerbare. 

Vielen Dank. 

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Der nächste Redner ist für die AfD-Fraktion Dr. Rainer Kraft. 

(Beifall bei der AfD)

Dr. Rainer Kraft (AfD): 

Sehr geehrte Präsidentin! Werte Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf der Regierung dient dem Ziel, koste es, was es wolle, die planwirtschaftlichen Vorgaben der EU zur erneuerbaren Stromerzeugung zu erreichen. Und diesem Ziel ordnen Sie - wahrscheinlich vom Ökowahn beseelt - alles unter. 

(Zuruf von der SPD: Oah!)

Sie streben nicht weniger als eine umfassende Industrialisierung des deutschen Meeresgebietes an und werfen in Ihrem blinden Wahn alle Befindlichkeiten über Bord. 

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bla, bla, bla!)

Wenn Sie sich mit gleichem Elan für die Bürger dieses Landes interessieren würden wie für das Plansoll der EU - bei Letzterem wird Ihr feuchter Traum wahr -, müsste ich heute nicht hier stehen, Frau Künast.

(Beifall bei der AfD - Zuruf der Abg. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie schleifen deutsches Planungs-, Umwelt- und Naturschutzrecht, als würden Sie das Chemiekombinat Bitterfeld oder einen Sweatshop in Bangladesch leiten - alles im Namen des Ökosozialismus zur Errichtung der neuen, der grünen Weltordnung.

(Zuruf der Abg. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie gefährden die internationale Schifffahrt, indem Sie die Abstände der Monsterwindparks durch Schifffahrtsrouten fahrlässig kurzhalten. 4 200 Meter entspricht nicht den Anforderungen an die moderne Schifffahrt. Ihre Ignoranz von Sicherheitsaspekten gefährdet also Menschenleben und erhöht die Gefahr von Havarien mit dann folgenden desaströsen Umweltkatastrophen. Vor gerade mal drei Jahren haben Sie den Kindern Luftballons verboten und Plastikstrohhalme durch mit Perfluoroctansäure verseuchte Papierhalme ersetzt. Jetzt wollen Sie dafür sorgen, dass wir jedes Jahr Hunderte Tonnen Mikroplastikabrieb pro Windkraftpark ins Meer freisetzen - jedes Jahr Hunderte Tonnen Mikroplastik. Ihre Doppelmoral wird dabei nur von Ihrer wirtschaftlichen Inkompetenz übertroffen; denn ein Abnehmer oder Leitungen für Ihren Strom und Ihren Wasserstoff an Land - das existiert alles noch gar nicht.

Bleiben wir gleich beim Wasserstoff, dessen Erzeugung Sie offshore planen. In Zeiten, in denen die deutsche Industrie die Energiekosten als Abwanderungs- sowie Insolvenzgrund Nummer eins anführt, da möchten Sie den Wasserstoff aus Offshorestrom als neuen Energieträger etablieren. Okay, schauen wir uns mal an, was das kostet. Für eine Kilowattstunde Wasserstoff benötigt man rund 3 Kilowattstunden Strom für die Elektrolyse. Eine Kilowattstunde aus Ihrem Monsterpark kostet in der Erzeugung rund 10 Cent die Kilowattstunde.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Können Sie etwas leiser reden? Wir hören eh nicht zu!)

Da wären wir also schon bei 30 Cent Energiekosten pro Kilowattstunde Wasserstoff - reine Energiekosten. Die Gestehungs- und Abschreibungskosten der Elektrolyseanlage mitten in der korrosiven Meeresumgebung sind noch gar nicht miteingerechnet. Nur zur Erinnerung: Diese Regierung, diese Koalition, hat eine Deckelung des Gaspreises bei 12 Cent die Kilowattstunde eingeführt, damit der Gaspreis nicht zur Verarmung der Menschen und zum Ruin der deutschen Wirtschaft führt. Und die gleiche Regierung mit der gleichen Koalition will einen zukünftigen Energieträger etablieren, bei dem wir heute allein 30 Cent pro Kilowattstunde an Energiekosten mitbringen müssen. Also, liebe Koalition, wer diesen Ihren Wasserstoff jemals brauchen muss, der kann das Geldbündel direkt in den Ofen schmeißen.

(Beifall bei der AfD)

Aber Wirtschaft spielt im Wirtschaftsministerium ohnehin nur noch eine untergeordnete Rolle. In der Zielsetzung des Gesetzentwurfes heißt es da ganz offen - Zitat -:

„Die Änderungen fügen sich in die Gesamtlinie Deutschlands ein, seine gesamte Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik auf den 1,5-Grad-Klimaschutzpfad auszurichten ...“

Aha! Die deutsche Wirtschaft, der Motor unseres Wohlstandes, ist für diese Regierung also nur ein Hindernis, das überwunden werden muss auf dem Weg zum rot-grünen Utopia. Diese Regierung verbrennt vorsätzlich zig Milliarden Euro an Steuergeldern beim Aufbau eines verkrüppelten Energiesystems, das diese Nation seiner gesamten Wettbewerbsfähigkeit berauben wird. Und die einzigen Profiteure werden fremde Staaten, multinationale Investoren und weitere Subventionsabgreifer sein.

Die Ertragskraft unserer Wirtschaft mittels überteuerter und verknappter Energie zu sabotieren, gefährdet unseren Wohlstand, die Zukunft unserer Kinder und die soziale Sicherheit der Nation.

(Beifall bei der AfD)

Ein fundamentaler Richtungswandel in der deutschen Energiepolitik ist daher unumgänglich, und an die Stelle von sozialistischer Planerfüllung muss wieder kühle, tugendhafte Vernunft treten. Aber diesen Richtungswandel gibt es eben nur mit der Alternative für Deutschland.

(Beifall bei der AfD)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächster hat das Wort für die FDP-Fraktion Michael Kruse.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Michael Kruse (FDP): 

Herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zurück zum Thema: Wir bauen die Netze in diesem Land aus; darum geht es ja in der heutigen Debatte. Ich frage mich, genau wie gestern, als wir über die Beschleunigung der Energiepolitik in diesem Lande gesprochen haben, was man eigentlich dagegen haben kann. 

(Dr. Rainer Kraft (AfD): Die Kosten!)

Unabhängig davon, wie man einzelne Maßnahmen sieht - EEG-Förderung usw. -, muss man doch sagen: Das Stromnetzt hinkt hinterher. Auch die Opposition trägt sehr regelmäßig vor, dass der Netzausbau nicht Schritt hält, insbesondere mit dem Ausbau der Erneuerbaren-Produktionsanlagen.

(Dr. Rainer Kraft (AfD): Diese ganzen Umweltausgaben zum Klimaschutz!)

Die Schlussfolgerung davon kann nur sein, dass wir jetzt den Netzausbau beschleunigen. Und nur darüber stimmen wir hier und heute gleich ab.

Jeder, der dagegenstimmt oder sich nur enthält, sagt damit: Mir ist es egal, dass Windstrom im Norden stark abgeriegelt wird, dass wir für Windstrom bezahlen, der gar nicht produziert wird. Mir ist es egal, dass im Süden nicht genug von dem Strom aus Erneuerbaren aus dem Norden ankommt. - Jeder, der nicht zustimmt, hat keine Gelegenheit mehr, glaubwürdig zu versichern, dass er auch dafür ist, dass wir das Stromnetz in Deutschland fit machen für die Zukunft. Deswegen kann ich Sie alle im Haus nur auffordern: Stimmen Sie diesem Gesetz heute zu! 

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Thema; denn wir vernetzen damit. Und diese Vernetzung ist in Wahrheit überall im Land ein Thema. Sie ist überall im Land ein Anliegen: für diejenigen, die ihr Auto laden wollen, für diejenigen, die zu jeder Zeit günstigen Strom brauchen, für diejenigen, die als Haushaltskunden ganz normal ihren Strom haben wollen. Die Leute brauchen ein vernünftiges Netz. Die Unternehmen brauchen ein vernünftiges Netz. Und deswegen beschließen wir, dass wir ein vernünftiges Netz bauen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In der Tat gibt es eine Debatte über Erdverkabelung und Freileitungen. Ich bin optimistisch, dass wir da nachjustieren können. 

(Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel (AfD))

Ursprünglich hat vor einigen Jahren eine andere Regierung dafür gesorgt, dass Erdverkabelung der neue Standard geworden ist, und wir wissen: Das ist sehr teuer. Deswegen haben wir Freie Demokraten uns auch sehr über unterschiedliche Initiativen gefreut, die uns bei diesem Anliegen unterstützen. Wir werden noch mal draufschauen und fragen: Wo sind Erdverkabelungen notwendig, weil Leitungen zum Beispiel sehr nah an der Wohnbevölkerung vorbeigehen? Und wo ist Freileitung eigentlich das bessere Instrument? Es ist in jedem Fall das günstigere; das ist immer richtig. Aber es ist an vielen Stellen auch das bessere. 

Wir haben am Anfang des Jahres große Bauernproteste hier in Berlin erlebt. Und wenn Sie mit den Bäuerinnen und Bauern sprechen, dann sagen die Ihnen: Nein, das mit den Erdkabeln ist nicht das, was wir eigentlich wollen. - Deswegen meine ich: Wenn wir diese und viele weitere Anliegen ernst nehmen, auch die Frage nach der Bezahlbarkeit, dann ist es unsere Aufgabe, nachzujustieren und dafür zu sorgen, dass die Bundesnetzagentur uns nicht weiterhin sagt: Wir trauen uns kaum, Freileitungen zu genehmigen, weil ihr in Berlin ja Erdverkabelung als Standard festgelegt habt. - Wir sollten im Sinne dieses Landes dafür sorgen, dass die Stromleitungen schneller gebaut werden können und dass sie günstiger gebaut werden können. Dazu zählt eben auch, dass wir in vielen Bereichen auf Freileitungen gehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. 

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube allerdings, dass das nicht die Nachricht des Tages ist. Die Nachricht des Tages ist eine andere: Dieses Land bekommt auch für das Jahr 2025 einen Haushalt, der die Schuldenbremse einhält. Und dieses Land bekommt ein Wirtschaftsdynamisierungspaket, das seinem Namen alle Ehre macht. 

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Jens Spahn (CDU/CSU): Wo ist das denn? - Alexander Dobrindt (CDU/CSU): Was steht denn da drin?)

- Da müssen Sie sich noch kurz gedulden. Was drinsteht, wird um 11 Uhr verkündet. 

(Alexander Dobrindt (CDU/CSU): Also, Sie wissen es nicht! - Dorothee Bär (CDU/CSU): Aber schön, dass auch die Abgeordneten der Koalition das nicht erfahren haben!)

Ich bin sicher, Sie werden das an den Bildschirmen verfolgen. 

(Dorothee Bär (CDU/CSU): Wird das hier um 11 Uhr eingeblendet? Also wirklich!)

Vieles, was wir im Energiebereich eingefordert haben, wird jetzt Realität werden. Dass wir Betreiber von Erneuerbaren bei negativen Strompreisen vergüten, etwas was Sie in Ihrer Zeit der Großen Koalition zu verantworten haben, werden wir jetzt Stück für Stück ändern. Dass die Erneuerbaren Stück für Stück in den Markt entlassen werden, auch dafür werden wir sorgen, indem die Grenze dafür, ab wann man selber vermarkten muss, Stück für Stück abgesenkt wird. Wir schaffen damit, was notwendig ist und auch zeigt, dass die Erneuerbaren erfolgreich sind: dass sie in den Markt gehen können und nicht mehr an jeder Stelle gefördert werden müssen. Ich meine, das ist ein großer Erfolg für die Zukunft unseres Landes. 

Frau Präsidentin, vielleicht erlauben Sie mir einen letzten Satz zu den Wahlen in Großbritannien. Ich bin stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Britischen Parlamentariergruppe. Und wir alle schauen ja auch mit gewisser Sorge in Richtung USA. 

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch (AfD))

Für Großbritannien kann man sagen, dass die demokratischen Wahlen sehr fair verlaufen sind. 

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Unterschiedliche Parteien freuen sich mehr oder weniger. Wir freuen uns selbstverständlich darüber, dass die proeuropäischen Kräfte, die Lib Dems, die sich klar zu mehr Europa bekennen, das beste Ergebnis seit 1923 erzielt haben. Das zeigt: Vernetzung ist nicht nur im Strombereich wichtig. 

Präsidentin Bärbel Bas: 

Kommen Sie bitte zum Schluss. 

Michael Kruse (FDP): 

Wir freuen uns darüber, diese Kooperation weiter zu vertiefen. 

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. 

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächster hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Jonas Geissler. 

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Jonas Geissler (CDU/CSU): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ampel hätte heute die Möglichkeit gehabt, ein wirklich großes Gesetz zu verabschieden. Ich habe mir den ursprünglichen Gesetzentwurf angeschaut. Wenn man über Gesetze spricht, die im Kern die Umsetzung von EU-Verordnungen zum Gegenstand haben, hat man nicht zwingend den Eindruck, dass es wirklich um sehr mächtige Fragestellungen geht. Beim ursprünglichen Gesetz war das aber durchaus der Fall. 

Wir hätten heute über die Energiewende als Ganzes diskutieren können, über die Begrenzung des Klimawandels, so wie es in der Problemstellung beschrieben worden ist, über Wasserstofferzeugung auf See, den Ausbau der Ladeinfrastruktur und natürlich auch den Netzausbau. Wenn man sich den ursprünglichen Gesetzentwurf anschaut, stellt man fest: Das waren rund 90 Seiten voller Zukunftsthemen. Das Schlimme ist, dass davon in der Debatte heute wenig übrig geblieben ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja, gar nichts! - Dr. Nina Scheer (SPD): Das ist doch weiter im Verfahren!)

Immer wieder kommt das Thema Haushalt. Die FDP hat mit den Wahlen in Großbritannien geendet. 

(Jens Spahn (CDU/CSU): Ja, furchtbar!)

Und das, um was es heute eigentlich gehen sollte, spielt nicht mehr die Rolle, die es verdient hätte. 

(Beifall bei der CDU/CSU - Thorsten Frei (CDU/CSU): Deswegen auch eine Kurzdebatte! - Dr. Nina Scheer (SPD): Das ist doch weiter im Verfahren!)

Der Titel der Debatte lautet immer noch so, wie der Titel des Gesetzentwurfs. Ich habe mir auf der Homepage des Bundestages angeschaut, wie die Debatte heute beschrieben wird; da geht es genau darum: ein riesiges Bild mit Windrädern auf See, Energiewende als Ganzes. Aber am Ende geht es nur um den Netzausbau. Dass wir uns nicht falsch verstehen: Auch der Netzausbau ist ein ganz wichtiges Element der Energiewende. Keiner von uns würde bestreiten, dass der Netzausbau umgesetzt werden muss; er hat diese Debatte verdient. Aber am Ende bleibt die Frage, wie wir den Netzausbau insgesamt berücksichtigen. 

Die zwei Trassen, um die es heute schwerpunktmäßig geht, sind Trassen, die vor Ort nicht überall Zustimmung finden. Ich glaube, dass es viele Menschen gibt, die sich gewünscht hätten, dass sich der Bundestag damit beschäftigt. Es sind zwei Trassen, die wir alle als wichtig und als richtig einschätzen, die eigentlich für Fortschritt stehen. Ich glaube, dass es wichtig gewesen wäre, wenn wir uns um genau diese Themen gekümmert und sie in den Mittelpunkt der Debatte gestellt hätten. 

Aber am Ende zeigt das, was Sie heute beschließen, spiegelbildlich das Handeln Ihrer Regierung in den vergangenen zweieinhalb Jahren. 

(Markus Hümpfer (SPD): Ihre Rede zeigt, dass Sie keine Ahnung haben!)

Sie hängen ein Thema unglaublich hoch auf. Sie beschleunigen die Behandlung dieses Themas, indem Sie es im Ausschuss oben auf die Agenda bringen, obwohl Teile der Opposition sagen: Lasst uns doch noch einmal darüber reden! 

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sagen Sie doch mal, was Sie wollen, anstatt ständig rumzuanalysieren! Wir sind hier nicht beim Psychotherapeuten!)

Sie beraumen per Vorratsbeschluss eine Anhörung an, ohne dass überhaupt klar ist, worum es geht. Und am Ende werden Sie sich nicht einig und landen tief. 

Genau das sehen wir heute dokumentiert anhand des beschleunigten Netzausbaus. Sie hätten es besser machen können. Sie haben diese Chance bewusst nicht ergriffen. Wir stimmen diesem Gesetz nicht zu. 

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächster hat das Wort für die Gruppe Die Linke Ralph Lenkert. 

(Beifall bei der Linken)

Ralph Lenkert (Die Linke): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Bloß gut, dass Deutschland im EM-Viertelfinale ist. Sonst würde noch jemand merken, dass die Ampel gleich 46 Milliarden Euro ausgibt - leider erwartbar nicht das Geld der Konzerne, der Händler oder der Steuerzahler, was an dieser Stelle mal gerechtfertigter wäre, sondern das Geld der Stromkundinnen und Stromkunden - für weitere Stromtrassen von Ost nach West, von Nord nach Süd, damit man - so die Theorie - billigen Windstrom aus dem Norden auch im Süden kaufen kann. Über den Sinn kann man streiten, aber wahrlich absonderlich ist, dass die Händler nicht für den Stromtransport zahlen.

(Beifall bei der Linken)

Ich versuche, das zu erklären. Sie kaufen auf dem Münchner Wochenmarkt Kartoffeln. Der Bauer aus Rügen will 2 Euro je Kilo, und der Transport der Kartoffeln von Rügen bis München kostet 1 Euro. Der bayerische Bauer will inklusive Lieferung 3 Euro. Und jetzt wird es absonderlich: Die Kartoffeln aus Rügen gibt es für 2,50 Euro und die aus Bayern für 3,50 Euro. Wie kann das sein? 

(Knut Abraham (CDU/CSU): Wegen der Qualität!)

Die Transportkosten werden auf alle Kartoffeln gleichmäßig umgelegt, egal woher sie kommen, und dieses irre Prinzip gilt im Strommarkt seit Jahrzehnten.

(Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke): Unglaublich!)

Den billigeren Preis und die Rabatte erhalten Großkonzerne, aber Haushalte, Handwerk, kleine Unternehmen zahlen drauf. Das ist unerträglich.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BSW)

Außerdem profitieren vom Stromtrassenbau die Netzbetreiber mit garantierten 7 Prozent Rendite und die Baukonzerne mit Milliardenaufträgen. 

Noch mal: 46 Milliarden kostet das nach diesem Gesetzentwurf. Liebe Bürgerinnen und Bürger, das sind dann 100 Euro mehr auf Ihrer Jahresstromrechnung. Mit einer Preiszonentrennung und einer gerechten Beteiligung der Konzerne an den Kosten würde in Norddeutschland je Haushalt die Jahresrechnung für Strom durchschnittlich um 180 Euro sinken und in Süddeutschland immer noch um 50 Euro. Das fordert Die Linke seit Jahren.

(Beifall bei der Linken)

Im Übrigen bräuchten wir dann auch etliche Starkstromtrassen weniger.

Zum Abschluss: Stromversorgung ist Daseinsvorsorge wie Bildung und Gesundheit. Sie muss Profitinteressen entzogen werden. Wir fordern die Vergesellschaftung der Energiewirtschaft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächster hat das Wort für die SPD-Fraktion Markus Hümpfer.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Markus Hümpfer (SPD): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben heute mal wieder richtig gute Oppositionsarbeit. Die Union hat allem Anschein nach nämlich nicht verstanden, dass wir das Bundesbedarfsplangesetz aus dem Verfahren zur Umsetzung von RED III herausgelöst und nach vorne gezogen haben, um den Netzausbau zu beschleunigen, um ihn deutlich schneller umzusetzen. RED III an sich, Herr Dr. Geissler, wird kommen.

(Dr. Jonas Geissler (CDU/CSU): Falls Sie sich einigen!)

Und ich kann Ihnen versprechen, dass es, um es mit Ihren Worten zu sagen, ein ganz großes Gesetz werden wird.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dann gibt es noch die Kollegen auf der ganz rechten Seite, die sich hier als Umweltschützer darstellen. Dabei wollen sie Kernenergie, dabei wollen sie weiterhin Gaskraftwerke, dabei wollen sie weiterhin Verbrennermotoren.

(Dr. Rainer Kraft (AfD): Sie wollen auch Gaskraftwerke!)

Was Sie mit Ihrer Politik machen, ist, die Umwelt zerstören. Wir schützen die Umwelt, und das ist der ganz große Unterschied.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Zuruf von der AfD: Warum wird dann der Standard gesenkt?)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Herr Hümpfer, gestatten Sie eine Frage oder Zwischenbemerkung von Dr. Kraft aus der AfD-Fraktion?

Markus Hümpfer (SPD): 

Nein.

(Dr. Rainer Kraft (AfD): Das wäre jetzt schön gewesen! - Weitere Zurufe von der AfD)

Nachdem hier immer über den Erdkabelvorrang diskutiert worden ist, frage ich mich natürlich, wer den eingeführt hat. Wer ist eigentlich an diesem Erdkabelvorrang schuld? 

(Jens Spahn (CDU/CSU): Die Große Koalition natürlich!)

Ich habe Ihnen das gestern Abend schon mal erzählt; ich erzähle es Ihnen aber gerne noch mal - es sind heute ein paar mehr Köpfe Ihrer Fraktion anwesend, auch ein paar andere als gestern Abend -: 

(Zuruf des Abg. Jens Spahn (CDU/CSU))

Es war Ihr bayerischer Ministerpräsident Horst Seehofer, der damals dafür gesorgt hat, dass dieser Erdkabelvorrang kommt. Das war eine teure Fehlentscheidung, die Sie zu verantworten haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Jens Spahn (CDU/CSU): Niedersachsen ist bis heute dafür, Bayern nicht! Finde den Fehler!)

Aber kommen wir zurück zum Gesetz. Der Bundesbedarfsplan, den wir heute verabschieden, setzt am Ende zwei Schaufensterprojekte um, zum einen den NordOstLink und zum anderen den Rhein-Main-Link, insgesamt neun Stromautobahnen, die als Erdkabel geplant sind und die wir, selbst wenn wir wollten, gar nicht mehr als Freileitung bauen könnten, weil dafür die Zeit zu kurz ist, weil wir dafür im Planungsverfahren schon viel zu weit fortgeschritten sind, weil dafür teilweise auch schon Bestellungen für die Kabel ausgelöst wurden.

Was bringen die zwei Leitungen am Ende? Sie bringen Offshorewindenergie von Niedersachen über Nordrhein-Westfalen nach Hessen bzw. von Schleswig-Holstein nach Mecklenburg-Vorpommern. Das ist am Ende eine gute Sache, weil dieser Netzausbau nicht nur den Wirtschaftsstandort sichert, sondern am Ende auch die Dekarbonisierung ermöglicht. Er löst Netzengpässe auf und sorgt dafür, dass die Redispatch-Kosten sinken und damit am Ende auch die Strompreise für alle Menschen in diesem Land. Deshalb kann ich einfach nur darum bitten: Stimmen Sie diesem Gesetz zu. Es ist ein ganz gutes Gesetz, Herr Dr. Geissler.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP - Jens Spahn (CDU/CSU): Selbstsuggestion hat auch etwas!)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, hat das Wort zu einer Kurzintervention Herr Dr. Kraft. 

Dr. Rainer Kraft (AfD): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Hümpfer, Sie haben hier meiner Fraktion vorgeworfen, dass wir auf schlechte Energien, auf Atomenergie und Gaskraftwerke, setzen. 

Das mit der Atomenergie nehmen wir als Lob. Es ist ein Zeichen von Vernunft, auf eine zuverlässige und preiswerte Energieversorgung zu setzen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Aber ich stoße mich explizit daran, dass Sie uns den vernünftigen Betrieb von Gaskraftwerken vorwerfen. Denn es ist diese Regierung, die von Ihnen als Koalitionspartner gestützt wird, die es nicht mal geschafft hat, die von dieser Regierung geplanten Gaskraftwerke in irgendeiner Form zu finanzieren und eine Kraftwerksstrategie auszuplanen. Das heißt: Im besten Fall könnten wir sagen, dass wir etwas wollen, was die Regierung auch anpeilt, es aber aufgrund ihrer eigenen Unzulänglichkeit nicht schafft, in die Welt zu bringen. Insofern kann ich diesen Vorwurf nur aufs Schärfste zurückweisen. Sie machen sich, mit Verlaub gesagt, auch lächerlich, weil Ihre Koalition ja das Gleiche will.

(Beifall bei der AfD)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Sie dürfen antworten, Herr Hümpfer. 

Markus Hümpfer (SPD): 

Herr Dr. Kraft, der Unterschied zwischen unserer Regierung und Ihrer Fraktion ist, dass wir die Gaskraftwerke, die wir im Rahmen der Kraftwerksstrategie, die übrigens heute kommen wird, 

(Jens Spahn (CDU/CSU): Aha!)

zubauen, am Ende mit grünem Wasserstoff klimaneutral betreiben werden, während Sie diese Gaskraftwerke mit billigem russischem Gas betreiben wollen und damit die Umwelt verpesten. Deshalb sind Sie auch Umweltzerstörer.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP - Dr. Rainer Kraft (AfD): Das werden wir sehen!)

Mit der Atomenergie - das erzähle ich jetzt, glaube ich, schon zum zehnten Mal hier - wollen Sie eine der teuersten Energieformen fördern und nutzen,

(Karsten Hilse (AfD): Falsch!)

die es überhaupt auf dieser Welt gibt, weil die insgesamt anfallenden Kosten deutlich höher sind als die der erneuerbaren Energien. Wir sprechen von über 37 Cent pro Kilowattstunde, die Sie den Bürgerinnen und Bürgern mit der Nutzung der Kernenergie zumuten wollen.

(Zuruf von der AfD: Das ist Quatsch!)

Das ist alles andere als vernünftig; denn am Ende fahren die Bürgerinnen und Bürger mit der Kernenergie deutlich schlechter als mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Deshalb ist es absolut richtig, dass wir diesen Weg als Ampelkoalition gehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP))

Präsidentin Bärbel Bas: 

Wir fahren fort in der Debatte. Als Nächster hat das Wort für die Gruppe BSW Klaus Ernst.

(Beifall beim BSW)

Klaus Ernst (BSW): 

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich ist es sinnvoll, dass man Prüfzeiten für Flächen verkürzt, dass wir schneller den Ausbau erneuerbarer Energien voranbringen und dass wir auch Wasserstofferzeugung auf See in ein überragendes öffentliches Interesse stellen. Aber es klemmt woanders. 

Als Erstes klemmt es in der Koalition. Ich glaube, dass Sie deshalb Teile aus dem Gesetzentwurf herausgenommen haben, weil Sie es, wie in den letzten zwei Jahren, auch hier nicht geschafft haben, sich rechtzeitig zu einigen.

(Dr. Nina Scheer (SPD): Bitte keine Erklärungstheorien!)

- Ich habe das doch jahrelang erlebt und Sie auch. Sie wissen, dass das der eigentliche Punkt ist, warum wir nicht vorankommen.

Die zweite Sache, bei der es klemmt, 

(Katrin Zschau (SPD): Geburtsstunde des BSW!)

sind die Ausschreibungen für Windenergieanlagen, die seit Jahren unterzeichnet sind. Seit Jahren wird Windkraft zu wenig ausgebaut, und das wird sich bei den Offshoreanlagen nicht ändern, nur weil Sie jetzt die Genehmigungsverfahren etwas vereinfachen. Das eigentliche Problem ist ein anderes: Die Profite, die Unternehmen machen, wenn sie dort investieren, sind bei Öl oder Gas höher als bei erneuerbaren Energien. 

Was kann eine Regierung in so einer Situation machen? Sie hat zwei Möglichkeiten. Sie könnte zum Beispiel dafür sorgen, dass die Erneuerbaren profitabel werden durch hohe Einspeisevergütungen, direkte Subventionen oder Abnahmegarantien. Oder man holt die Energieversorgung des eigenen Landes in die öffentliche Hand zurück; denn dann werden Profite schlichtweg nicht fällig.

(Beifall beim BSW)

Ähnliches gilt für den Ausbau der Netze. Hier haben Sie es verpasst, den Übertragungsnetzbetreiber TenneT zu kaufen und somit das Netz in die öffentliche Hand zu bringen. Lieber wollen Sie es in privaten Händen lassen 

(Otto Fricke (FDP): Es ist beim niederländischen Staat!)

und Strom für die Menschen über höhere Netzentgelte noch teurer machen. Das ist das Ergebnis. Für durchschnittliche Haushaltskunden werden die Netzentgelte nach Ihrer Rechnung um rund 17 Prozent steigen. Das ist ein schwerer Fehler und verspielt viel Vertrauen. Deshalb werden wir diesem Gesetz auch nicht zustimmen. 

(Beifall beim BSW)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Ich schließe die Aussprache. 

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Erneuerbaren-Richtlinie in den Bereichen Windenergie auf See und Stromnetze und zur Änderung des Bundesbedarfsplangesetzes. 

Hierzu liegt mir eine persönliche Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung vor. 

Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie empfiehlt unter Buchstabe a seiner Ersten Beschlussempfehlung auf Drucksache 20/12145, einen Teil des Gesetzentwurfs der Bundesregierung auf Drucksachen 20/11226 und 20/11558 mit der Bezeichnung „Gesetz zur Änderung des Bundesbedarfsplangesetzes“ in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die diesem Teil des Gesetzentwurfs in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die CDU/CSU-Fraktion, die AfD-Fraktion, die Gruppen Die Linke und BSW und der fraktionslose Abgeordnete Farle. Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Dieser Teil des Gesetzentwurfs ist damit in zweiter Beratung angenommen. 

Dritte Beratung 

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die diesem Teil des Gesetzentwurfs zustimmen wollen, sich zu erheben. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die CDU/CSU-Fraktion, die AfD-Fraktion, die Gruppen BSW und Die Linke und der fraktionslose Abgeordnete Farle. Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Dieser Teil des Gesetzentwurfs ist damit angenommen. 

Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie auf Drucksache 20/12145 fort. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss, den übrigen Teil des Gesetzentwurfs zur Umsetzung der EU-Erneuerbaren-Richtlinie in den Bereichen Windenergie auf See und Stromnetze und zur Änderung des Bundesbedarfsplangesetzes auf den Drucksachen 20/11226 und 20/11558 späteren Beschlussfassungen vorzubehalten. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die CDU/CSU-Fraktion, die AfD-Fraktion, die Gruppen BSW und Die Linke und der fraktionslose Abgeordnete Farle. Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. 

Ich rufe nun auf die Tagesordnungspunkte 25 a und 25 b:

 

25.

a)

Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU

Erfolgsgeschichte Strukturwandel weiterschreiben – Planbarkeit und Verlässlichkeit für die ostdeutschen Strukturwandelregionen sicherstellen

Drucksache 20/12102

 

 

 

Überweisungsvorschlag:

Wirtschaftsausschuss (f)

Ausschuss für Inneres und Heimat

Ausschuss für Arbeit und Soziales

Verkehrsausschuss

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Ausschuss für Kultur und Medien

Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen

Ausschuss für Klimaschutz und Energie

Haushaltsausschuss

 

 

 

b)

Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Wirtschaftsausschusses (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU

Fairen Strukturwandel in den ostdeutschen Kohleregionen ermöglichen – Verunsicherungen beenden 

Drucksachen 20/9141, 20/12056 

 

Für die Aussprache wurde eine Dauer von 68 Minuten vereinbart. 

Da die Platzwechsel vorgenommen sind, eröffne ich die Aussprache. Zuerst hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Sepp Müller. 

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sepp Müller (CDU/CSU): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kennen Sie den Spruch „das Pferd von hinten aufzäumen“? Das macht die Ampelregierung beim Strukturwandel in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg. 

(Johannes Schraps (SPD): Nein!)

Die Ampel geht den Weg - aus ihrer Sicht „idealerweise“ -, zuerst 2030 aus der Kohle auszusteigen und dann den Strukturwandel anzugehen. 

(Zuruf der Abg. Dr. Paula Piechotta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das kritisieren wir heute in zwei Anträgen. Denn für uns ist klar: Zuerst Strukturwandel, zuerst Arbeitsplätze und dann Kohleausstieg, spätestens 2038. 

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Ampel hat vorgeschlagen, idealerweise 2030 aus der Kohle auszusteigen. Wir haben bereits im letzten Jahr einen Antrag zur Debatte gestellt, der heute zum Abschluss steht, um mit Ihnen gemeinsam über die Herausforderungen des Strukturwandels in den betroffenen Regionen zu sprechen. Es sind Regionen, die Transformation können, die 1990 größtenteils deindustrialisiert wurden. Es sind Regionen, wo sich Menschen aus eigener Kraft wieder hinaufgearbeitet haben. Es sind Kolleginnen und Kollegen im Bergbau, die es geschafft haben, gemeinsam den Weg der Transformation zu gehen, um eine Perspektive zu haben. Diese Perspektive reißt diese Ampel von heute auf morgen ein. Das lehnen wir ab, meine sehr geehrten Damen und Herren. 

(Beifall bei der CDU/CSU - Hannes Walter (SPD): So ein Quatsch!)

Wir schlagen Ihnen heute in einem zweiten Antrag wiederum 18 Punkte vor, die man in drei große Themen unterteilen kann. 

Erstens. Wir wollen weniger Bürokratie. Wir brauchen beim Strukturwandel mehr Flexibilisierung des Förderzeitraums, damit die Regionen vor Ort das Geld flexibler einsetzen können; denn dann kann etwas passieren. 

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zweitens. Weil wir zuerst Arbeitsplätze schaffen wollen, brauchen wir Infrastruktur. Und darum liebe Ampel: Hintern hoch, arbeiten! Setzen Sie die Infrastrukturprojekte in Deutschland endlich um! 

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir schlagen Ihnen auch eine Neubaustrecke Dresden–Prag vor. 

(Manuel Höferlin (FDP): Die gibt es doch schon längst, mein Gott! Das hat doch gar nichts mit Kohleregionen zu tun! Wo ist denn da eine Kohlegrube?)

Denn wir wissen, dass es gerade für Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen wichtig ist, dass ein infrastruktureller Anschluss nach Mitteleuropa, nach Tschechien, nach Polen besteht. 

(Manuel Höferlin (FDP): Das ist so weit weg vom Thema!)

Deswegen, liebe Ampelregierung: Bitte handeln Sie mit Vernunft! Hören Sie auf, ideologisch unterwegs zu sein, und schaffen Sie Infrastruktur, damit Arbeitsplätze entstehen können!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Drittens. Wenn wir von Infrastruktur reden, dann sprechen wir seit 2020 auch darüber, dass mit dem Kohleausstieg die Spree in Berlin und Brandenburg trockenläuft. Kümmern Sie sich endlich um das Problem der Wasserknappheit!

(Zuruf des Abg. Karsten Hilse (AfD))

Wo ist denn der ökologische Fußabdruck? 

(Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das gilt nur für die Länder! Die sind zuständig, Herr Müller!)

Die Partei der Bewahrung der Schöpfung ist die Union. Deswegen kümmern wir uns um das Wasser in der Hauptstadt unserer Republik, meine sehr geehrten Damen und Herren. 

(Beifall bei der CDU/CSU - Zuruf der Abg. Dr. Paula Piechotta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Zurufe von der SPD und der FDP)

Wir sagen: zuerst Arbeitsplätze und dann der Kohleausstieg. Das sagen wir auch, indem wir uns zur Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft in Naumburg bekennen. Die Finanzierung der Infrastrukturgesellschaft für den Mobilfunkausbau im ländlichen Raum wurde von der Ampel gestrichen. 

(Zuruf der Abg. Dr. Paula Piechotta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie beendet die Arbeit in Naumburg. Das ist das falsche Signal an die Strukturwandelregion, meine sehr geehrten Damen und Herren. 

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ganz interessant ist, dass das in anderen Bundesländern funktioniert. Es gibt Bundesländer, die sich zu einem vorzeitigen Kohleausstieg committet haben, 

(Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit Kretschmann geht das!)

insbesondere weil die Gelder, die zugesprochen wurden, auf den Weg gebracht worden sind. Wie uns die Betriebsräte der MIBRAG und der LEAG erzählt haben, warten sie bereits seit drei Jahren auf die zugesagten Gelder, um den Strukturwandel in den Regionen angehen zu können. Dazu sage ich noch mal: Hintern hoch, arbeiten! Vernunft statt Ideologie! Kommen Sie ins Machen, und schicken Sie die Gelder an die beiden Unternehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU/CSU - Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): An die Unternehmen, oder was? Sie wollen die Unternehmen reich machen, die Kohlekonzerne, oder die Menschen in den Regionen?)

- Es ist interessant, dass gerade aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Zuruf kommt, wir wollten die Unternehmen reich machen. 

(Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, das machen Sie! Das wollen Sie!)

Anscheinend haben Sie nicht verstanden, um was es geht. 

(Zuruf von der CDU/CSU: Nee, mal wieder nicht!) Hier geht es darum, Menschen weiterhin eine Zukunftsperspektive zu geben. 

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau, den Strukturwandeln stärken, nicht die Unternehmen!)

Hier geht es darum, Menschen in ostdeutschen Ländern weiterhin Wohlstand zu sichern.

Sie brauchen sich nicht über die Wahlergebnisse zu wundern. Machen Sie weiter so, dann sind Sie bei den ostdeutschen Landtagswahlen raus, und wir kümmern uns um Deutschland. 

(Enrico Komning (AfD): Mit wem denn? Mit dem BSW, oder was?)

Wir kümmern uns um Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen, weil wir den Plan für Deutschland haben. 

(Beifall bei der CDU/CSU - Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Den Prager Besitzer machen Sie reich! Křetínský machen Sie reich, niemand anderen, Herr Müller!)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächster hat das Wort für die Bundesregierung der Staatsminister Carsten Schneider. 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Carsten Schneider, Staatsminister beim Bundeskanzler: 

Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Frau Präsidentin! Guten Morgen! Vielen Dank an die Unionsfraktion für die Anträge. Das gibt mir Gelegenheit, auf die Situation in den ostdeutschen Strukturwandelregionen, die vom Kohleausstieg betroffen sind, einzugehen und hier auch einiges klarzustellen. 

Ich will aber voranstellen: Die wichtigsten Grundlagen für die Strukturstärkung in den betroffenen Regionen sind erstens das Gesetz selbst und zweitens ein funktionierender Staat - inklusive Bundeshaushalt; denn daraus kommen die Mittel, insbesondere für die Transformation. 

Dieser Koalition - innerhalb der Regierung und auch im Parlament - ist es gelungen, in schwierigen Zeiten einen Bundeshaushalt aufzustellen, der die Investitionen absichert, der vor allen Dingen aber auch den Kohleregionen eine Garantie für die Strukturmittel gibt und dabei die Schuldenbremse einhält - das Ganze kombiniert mit einem starken Wachstumspaket, angebotsseitig, um die Wachstumskräfte und das Potenzialwachstum in Deutschland zu stärken und anzukurbeln. Deswegen ist dies aus meiner Sicht ein gelungener Vorschlag, um in weltweit unsicheren Zeiten zu einem noch stärkeren wirtschaftlichen Wachstum in Deutschland zu kommen. 

Was ist zu Ihren Anträgen zu sagen? 

Zunächst einmal: An dem Gesetz zur Strukturstärkung ändern wir nichts, insbesondere auch nicht an den Ausstiegsszenarien; da herrscht Klarheit. Und ich will hier auch klar sagen: Die Energiepolitik ist einer der zentralen Pfeiler dieser Bundesregierung, aber auch der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. 

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Paula Piechotta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dass es uns gelungen ist, in diesem ersten Halbjahr den Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch auf fast 60 Prozent zu erhöhen, zeigt, dass wir das Ganze kostengünstig machen und dabei nicht Geld ins Ausland transferieren, sondern hierbehalten, dass wir das nachhaltig machen, aber vor allen Dingen auch, dass wir uns mit einem Energiemix unabhängig machen von einem einzigen internationalen Akteur, nämlich von Russland. 

Das ist gelungen, indem wir uns mit LNG unabhängig gemacht haben. In Mukran haben wir innerhalb von neun Monaten ein LNG-Terminal auf den Weg gebracht, das die Erdgasversorgung in Ostdeutschland sichert. Das ist uns gelungen, indem wir die Kolleginnen und Kollegen der LEAG und der MIBRAG trotz anderweitiger Arbeitsangebote, die sie schon hatten, zum Beispiel von der Deutschen Bahn AG in Cottbus - ein Arbeitgeber mit über 1 200 Arbeitsplätzen, tarifvertraglich bezahlt -, dazu bewegen konnten, ihren Job weiterzumachen, sodass uns in den Jahren 2022, 2023 letztendlich eine Strombrücke geliefert wurde. Das war ein ganz wichtiger Stabilitätsanker für Deutschland. 

Zum Zweiten. Wir stehen zu den Zusagen, die wir hier in der Großen Koalition verhandelt haben. Das will ich auch ganz klar in die Regionen sagen, in die Lausitz, in das Mitteldeutsche Revier: Die Strukturanpassungsgelder sowohl für die Beschäftigten als auch für zusätzliche Maßnahmen und die Infrastruktur, wie Kollege Müller gesagt hat, sowie für zusätzliche Wirtschaftsinvestitionen sind gesichert; die sind garantiert. Und der Bundeshaushalt bildet die Grundlage dafür. Die Koalition steht zu ihrem Wort. 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Dass es in Ostdeutschland genau wie in der Gesamtgesellschaft zurzeit politisch schwierig und umstritten ist, ist keine Frage; das sehen wir. Aber ein Blick auf die harten Fakten zeigt: Die Lage ist deutlich besser als die Stimmung. 

(Jens Spahn (CDU/CSU): In der Region stimmt das!)

Wir werden in Ostdeutschland in diesem Jahr ein Wachstum von über 1,1 Prozent haben - in Westdeutschland nur 0,4 Prozent.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist Fakt; das sind die Zahlen des ifo-Instituts aus Dresden. Diese Entwicklung hat auch etwas damit zu tun, dass wir über eine besondere Anpassungsfähigkeit verfügen, dass Transformation, wie Kollege Müller das gesagt hat, für uns kein Fremdwort ist. 

Doch dafür braucht man Sicherheit - soziale Sicherheit und Investitionssicherheit -, aber auch eine industriepolitische Strategie. Diese Bundesregierung hat eine industriepolitische Strategie für Ostdeutschland: 

Erstens. Wir sichern die Zusagen, die wir im Bereich der Halbleitertechnologie gemacht haben, auch finanziell ab. Magdeburg und Dresden werden die europäischen Zentren der Halbleitertechnologie werden. Wir sichern die zusätzlichen Investitionen, die es im Bereich der Technologien für erneuerbare Energien geben wird, ebenso finanziell ab. Und wir flexibilisieren die Förderzeiträume bei den Strukturanpassungsmitteln. Das erfolgt im Übrigen - Kollege Kellner wird darauf noch eingehen - in Übereinstimmung mit den betroffenen Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. 

Zweitens. Wir werden das Bundesprogramm STARK öffnen und dann auch direkte Unternehmensinvestitionen bezuschussen können. Bisher war das nicht möglich. Wir öffnen das. Ich bin dem Bundeswirtschaftsministerium sehr dankbar für diesen Vorschlag, weil wir damit indirekt auch Arbeitsplätze initiieren und schaffen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich denke, wenn Sie sich die Wachstumszahlen angucken, dann zeigt sich, dass in Ostdeutschland besonders die Strukturstärkungsgebiete die Lokomotiven sind.

(Tino Chrupalla (AfD): Das ist doch Quatsch!)

- Doch, das sind sie. Schauen Sie sich die Zahlen an! Es ist Sachsen-Anhalt, es ist Brandenburg, und es ist Sachsen. 

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dass es den Kohleausstieg geben muss, ist doch jedem klar. 

(Enrico Komning (AfD): Nein, ist es nicht!)

Erstens ist Kohle endlich, und zweitens ist ihre Nutzung für die Umwelt extrem schädlich. Wir machen den Ausstieg über einen langfristigen Zeitraum, und wir bauen neue, zusätzliche Arbeitsplätze auf. Diese Dynamik schafft Sicherheit, 

(Zuruf des Abg. Tino Chrupalla (AfD))

und diese Sicherheit - das sage ich auch in Richtung der Union -, die wir gemeinsam verabredet haben und zu der wir auch stehen, geben wir den Kolleginnen und Kollegen in den Unternehmen und denjenigen, die in Zukunft nach Sachsen, Brandenburg, Thüringen kommen werden. 

Das größte Wachstumsproblem, das wir in Ostdeutschland haben, sind die weniger zur Verfügung stehenden Erwerbstätigen in den nächsten Jahren. Deswegen müssen wir eine Powerregion sein - eine Region des Zuzugs, der Rückwanderung von ehemals abgewanderten Ostdeutschen - und besonders auch Weltoffenheit im Herzen tragen, um Menschen willkommen zu heißen, die ihr Glück bei uns suchen. Dann haben wir alle eine gute Zukunft. 

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Enrico Komning.

(Beifall bei der AfD)

Enrico Komning (AfD): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Lieber Herr Staatsminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren von der Union, Herr Staatsminister, es gibt keinen gesamtgesellschaftlichen Konsens zum Kohleausstieg. Das ist eine Illusion. Es ist ein Märchen. 

(Beifall bei der AfD)

Und so leid es mir tut: Die Union erzählt dieses Märchen im Gleichklang mit den Links-Grünen. 

Dieser Kohleausstieg ist ein politisches Projekt an den Menschen vorbei, vor allem an den Menschen in den ostdeutschen Kohleregionen. Der Strukturwandel ist, anders als im Ruhrgebiet, nicht organisch, nicht Ergebnis technologischen Fortschritts, sondern einzig Ergebnis politischen Willens. Und das Schlimmste ist: Sie von der Bundesregierung haben kein Konzept. Sie kommen mit der Abrissbirne und lassen die Menschen dann vor der Schutthalde stehen. 

(Beifall bei der AfD - Johannes Arlt (SPD): Ist doch Schwachsinn!)

Die Ampel würde den Ausstieg am liebsten sogar noch auf 2030 vorverlegen. Was Sie hier machen, ist unverantwortlich, liebe Bundesregierung. Die Menschen in den Regionen brauchen Sicherheit und keine Zukunftsängste. 

(Beifall bei der AfD)

Der Beschluss zum Kohleausstieg war ein fataler Fehler. Wir brauchen die Kohle, zumindest bis wir wieder flächendeckend moderne Gas- und vor allem Kernkraftwerke haben. 

Schauen Sie doch einmal, wie viele Kohlekraftwerke Ende 2020, vor dem endgültigen Atom-Aus, am Netz waren! Es waren 74. Und heute? Heute sind es 130. Und 2022 waren nur noch drei Kernkraftwerke am Netz. Ihr Ausstieg aus der Kernkraft hat Deutschland noch viel abhängiger von der Kohle gemacht, und jetzt soll die auch noch weg. Sie transformieren Deutschland zurück in die Steinzeit.

(Beifall bei der AfD)

Klimatechnisch ist der Ausstieg komplett überflüssig. Die Gesamtleistung aus den deutschen Kohlekraftwerken beträgt circa 40 Gigawatt. Das ist deutlich weniger als China allein im Jahre 2023 neu an Kohlekraftkapazität in Betrieb genommen hat. Deutschland ist mit dieser Regierung für niemanden auf dieser Welt ein Vorbild - im Gegenteil: Die anderen Länder lachen nur noch über diesen Energieirrsinn. 

Zu den Unionsanträgen. Einiges von dem, was in den Anträgen steht, ist - unabhängig vom Kohleausstieg - ja vernünftig, zum Beispiel der Ausbau der Bahninfrastruktur. Allerdings muss man sich schon fragen: Wer hat die Bahninfrastruktur denn abgebaut? 

(Heiterkeit des Abg. Tino Chrupalla (AfD))

Das war doch unter der Ägide der Union der Fall. 

(Beifall bei der AfD - Sepp Müller (CDU/CSU): Dann schauen Sie mal in die Geschichtsbücher!)

Aber es ist richtig, die Bahninfrastruktur auszubauen. - Ansiedlung von Forschungszentren: richtig. Und es ist auch richtig, eine hochqualifizierte Beschäftigungsstruktur zu schaffen. 

Hauptträger der Wirtschaft in den Kohleregionen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen ist aber der Mittelstand, insbesondere Klein- und Kleinstbetriebe, Handwerksbetriebe. Ein attraktives Handwerk wäre ein echter Jobmotor. Befreien wir das Handwerk endlich von der Ampelbürokratie! Das wäre sinnvoller als Subventionsorgien. 

(Beifall bei der AfD)

Wir können Ihrem zur Abstimmung stehenden Antrag aber dennoch nicht zustimmen; denn auch Sie halten diese unsägliche ökosozialistische Transformation aufrecht; Sie halten daran fest, liebe Kollegen von der Union.

Wasserstoff ist ein Irrweg. Wasserstoff ist nicht wirtschaftlich und wird die Energiepreise noch weiter explodieren lassen; mein Kollege Dr. Kraft hat das gerade in der vorherigen Debatte erläutert. Der Energiewert von Wasserstoff ist unterirdisch; als Ersatz für Kohle und Gas taugt er nicht. Sie können nicht einfach die vorhandenen Gasleitungen auf Wasserstoff umstellen; Sie bräuchten hier die zwei- bzw. dreifache Leitungskapazität. Das, meine Damen und Herren Kollegen, ist für die Menschen, die schon jetzt von dieser Regierung nach Strich und Faden ausgeplündert werden, 

(Johannes Arlt (SPD): Och!)

und für die künftigen Generationen finanziell nicht zumutbar. Lassen Sie den Menschen ihre Kohle im wörtlichen und übertragenen Sinne! 

Und liebe Bürger in den ostdeutschen Kohleregionen, seid schlau, und wählt im Herbst blau! 

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD sowie des Abg. Robert Farle (fraktionslos))

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächster hat das Wort für die Bundesregierung der Parlamentarische Staatssekretär Michael Kellner. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Michael Kellner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz: 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dankbar, dass wir heute über den Strukturwandel in Ostdeutschland reden können; denn wir haben in den letzten Monaten richtig viel auf den Weg gebracht. 

Wir haben damals - da muss man einmal ausholen - in Nordrhein-Westfalen beschlossen, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen. Teil der Vereinbarung war, dass wir die Mittel für den früheren Kohleausstieg flexibilisieren. Wir haben als Bundesregierung entschieden, dass diese Flexibilisierung der Mittel - die Sie übrigens im Antrag fordern; wir haben das längst gemacht - für alle Kohlereviere, also für Ost- und für Westdeutschland, zur Verfügung steht. Das ist richtig und wichtig. Damit keine Haushaltsmittel verfallen, flexibilisieren wir jetzt, sodass die Mittel aus der ersten Förderperiode länger ausgegeben werden können. Das ist eine richtig gute Nachricht für den Strukturwandel in Ost wie West. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir lösen aber auch einen Webfehler bei den InvKG-Mitteln, den Strukturwandelmitteln, auf. Wir hatten bisher die Schwierigkeit, dass mit den Mitteln keine direkten Unternehmensansiedlungen gefördert werden konnten. Das ändern wir jetzt mit dieser Reform, und ich bin da sehr dankbar, dass wir gemeinsam mit dem Bundesfinanzministerium, mit der gesamten Bundesregierung und mit allen Ländern - mit Sachsen, mit Brandenburg, mit Sachsen-Anhalt, mit Nordrhein-Westfalen - vereinbart haben, dass diese Mittel über das STARK-Programm und über den neuen europäischen Beihilferahmen in direkte Unternehmensansiedlungen in den Kohlerevieren investiert werden können. Auch das ist eine richtig gute Nachricht, für die wir in den letzten Wochen gesorgt haben. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Torsten Herbst (FDP))

Denn darüber schaffen wir hochbezahlte und gute Industriearbeitsplätze. 

Und ich will auch sagen: Es ist auch in der Verantwortung der Länder, dafür zu sorgen, dass die Mittel sinnvoll eingesetzt werden. Die Mittel gehören in die Kernreviere; sie gehören nach Spremberg, nach Weißwasser, nach Altdöbern. Wir brauchen sie nicht unbedingt, um den Tourismus in der Nähe von Dresden zu fördern. Nichts gegen Dresden, nichts gegen Tourismus; aber der läuft da auch alleine. Es ist die Verantwortung der Länder, dass wir es gemeinsam schaffen, Unternehmensansiedlungen hinzubekommen, und die Mittel in die Kernreviere zu geben. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Daniel Föst (FDP))

Ich will noch was sagen: Wir haben es mit der EU-Kommission auch geschafft, die Beihilfe für die LEAG durch die Tür zu bekommen. 

(Sepp Müller (CDU/CSU): Drei Jahre zu spät!)

1,2 Milliarden Euro werden anerkannt als Bergbaufolgekosten und Sozialkosten für die Beschäftigten. Das ist eine richtig gute Nachricht; denn dieses Geld bleibt in den Regionen, es bleibt in den Vorsorgegesellschaften in Brandenburg und Sachsen, um die Kosten des Kohleausstiegs abzusichern, die Ewigkeitslasten abzusichern. Das ist eine richtig gute Nachricht für die Region und für die Steuerzahler in Brandenburg und Sachsen. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Weitere 550 Millionen Euro stehen möglicherweise zur Verfügung, wenn es entgangene Gewinne gibt; dazu sage ich gleich noch was. 

Aber ich will noch einen Punkt ansprechen: Wir haben die erste Evaluierung des Kohleausstiegs vorgelegt. Wir haben dort gezeigt, dass mehr neue Jobs in den Regionen entstanden sind, als mit der Braunkohle und in den Dienstleistungsbetrieben verschwunden sind. Das ist eine richtig gute Nachricht für die Region; denn heute sind die fehlenden Fachkräfte tatsächlich die Hauptschwierigkeit. 

Deswegen brauchen wir eine Region, die offen ist für Einwanderung, die offen ist für Neues, und das erlebe ich. Da gibt es große Auseinandersetzungen mit manch anderen. Aber das ist eine Chance. Offenheit, Fachkräfte: Daran hängt die Region. Diese beiden Aspekte wollen wir gemeinsam auch weiter verstärken. 

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Lassen Sie uns noch einmal auf den Stand des Kohleausstiegs gucken: Wir haben in Nordrhein-Westfalen den Ausstieg bis 2030 gesetzlich vereinbart. Wir hatten letztes Jahr einen historischen Tiefstand bei der Braunkohleverstromung in Gesamtdeutschland. 

(Dr. Rainer Kraft (AfD): Wir hatten einen historischen Tiefstand bei der Stromerzeugung überhaupt!)

Das war der geringste Wert seit den 60er-Jahren. Jetzt liegen die Zahlen für das erste Halbjahr 2024 vor: Die Braunkohleverstromung in Deutschland ist noch mal um knapp 20 Prozent zurückgegangen. Das ist eine richtig gute Nachricht für das Klima. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP - Jens Spahn (CDU/CSU): Nur die EEG-Umlage geht immer weiter hoch! - Zuruf des Abg. Karsten Hilse (AfD))

Wir sehen also: Marktgetrieben findet der Kohleausstieg bereits statt, weil wir mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien so gut vorankommen. Als der Kohleausstieg mal vereinbart wurde, dachte man ja, diese Kraftwerke würden unter Volllast - also sprich: 24/7 - laufen. Das ist mitnichten mehr der Fall. Wir sehen heute, dass diese Kohlekraftwerke in vielen Bereichen am Wochenende, wenn der Strombedarf geringer ist, nur noch an den Tagesrandzeiten laufen; sie laufen sozusagen semiflexibel. 

(Karsten Hilse (AfD): Weil Sie Strom importieren!) 

Das ist eine gute Nachricht fürs Klima, zeigt aber auch, wie weit wir gekommen sind, weil die erneuerbaren Energien eben preiswerter und günstiger sind. Und das ist eine gute Nachricht. Das ist ein Erfolg von drei Jahren Ampelregierung. Da freue ich mich. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP - Karsten Hilse (AfD): Das ist eine Falschbehauptung!)

Was ich in Ostdeutschland ganz oft höre, ist: Wir wollen Planungssicherheit. - Das verstehe ich, und deswegen wären wir auch bereit gewesen, mit der LEAG, mit dem Unternehmen, und mit den Ministerpräsidenten zu sagen: Wir überlassen das nicht alleine einem marktgetriebenen Ausstieg; wir legen das gesetzlich fest. 

Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die Länder und das Unternehmen das nicht wollten. Wir sehen, dass dieser marktgetriebene Kohleausstieg weitergeht. Ich will klar sagen: Wir sind immer bereit - auch nach Landtagswahlen -, 

(Jens Spahn (CDU/CSU): Nach der Bundestagswahl ja nicht mehr!)

weiter mit den Ländern zu reden; denn es liegt in unser aller Interesse, dass der Strukturwandel mit einer hohen Planungssicherheit weitergeht. Wir haben in den letzten Wochen die Weichen dafür gestellt - mit der Flexibilisierung der Förderung, mit der Möglichkeit, Unternehmensansiedlungen zu fördern, und indem wir die LEAG-Beihilfe vorangebracht haben. 

(Zuruf des Abg. Sepp Müller (CDU/CSU))

Ich finde, das sind richtig gute Nachrichten zum Ende der parlamentarischen Phase. Ich wünsche allen eine schöne Sommerpause. 

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächster hat das Wort für die FDP-Fraktion Gerald Ullrich. 

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Maja Wallstein (SPD))

Gerald Ullrich (FDP): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! „Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte.“ - Das hat Gustav Heinemann, der übrigens diesen Monat seinen 125. Geburtstag gefeiert hätte, schon vor langer Zeit gesagt. 

Der Strukturwandel in den Kohleregionen ist solch eine Riesenveränderung, gerade im Osten. Die Menschen erinnern sich: 1990 kam der politische Bruch und jetzt der Quasiwegfall des Geschäftsmodells. Das ist eine Veränderung, die wir als Parlament natürlich unterstützen müssen, und wir haben auch den Anspruch und vor allen Dingen die Pflicht, einen guten Rahmen dafür zu schaffen.

(Karsten Hilse (AfD): Genau!)

Drei Dinge sind dafür besonders wichtig: die Planungssicherheit, die Förderung von Innovationen und die wirtschaftliche Freiheit. 

(Karsten Hilse (AfD): Almosenempfänger!)

Wir müssen Planungssicherheit herstellen. Das Kohleausstiegsgesetz regelt den Ausstieg aus der Kohle bis spätestens 2038; sicher, man kann es auch eher probieren. Die Abschaltung der Kohlekraftwerke ist der richtige Weg. Weg von der Stromerzeugung mit Braunkohle!

Zukünftig soll Strom unter anderem durch wasserstofffähige Gaskraftwerke erzeugt werden. Die ersten Projekte wurden angestoßen, zum Beispiel in Weisweiler: RWE plant, ein wasserstofffähiges Gaskraftwerk direkt neben einem Braunkohlekraftwerk auf einer Lagerfläche zu bauen. Das soll dann die Hälfte der Kapazität des Braunkohlekraftwerks ersetzen. 

Die Umsetzung braucht allerdings auch Zeit. Fristen zum endgültigen Kohleausstieg dürfen nicht von alleine vorgezogen werden, wenn der Rahmen dafür nicht geschaffen wurde. Und es fehlt aber auch noch die Kraftwerksstrategie, zumindest bis jetzt; sie ist einfach noch nicht da. 

(Jens Spahn (CDU/CSU): Die kommt doch heute, haben wir gelernt! - Thorsten Frei (CDU/CSU): Heute kommt sie doch!)

- Wenn sie heute kommt, dann ist eines der Probleme erledigt.

Wir müssen Akzeptanz für den Strukturwandel schaffen - in der Gesellschaft, in der Wirtschaft, aber auch in der Wissenschaft. Dazu haben wir das Investitionsgesetz Kohleregionen 2023 entwickelt. Die finanziellen Mittel für betroffene Regionen werden bereitgestellt.

Wenn Sie sich an die Anhörung im letzten Jahr erinnern, wissen Sie: Es war der einheitliche Tenor, dass allein mehr Geld nicht die Lösung ist. Wir müssen sehen, dass wir das Geld auch an der richtigen Stelle, sozusagen als Traktion, auf die Straße bringen. Wir brauchen den sinnvollen Einsatz der Mittel. Investitionen müssen dort ankommen, wo sie gebraucht werden, wo sie ihre Wirkung am besten entfalten können. Wir müssen darauf achten, dass wir Innovationen fördern.

Das lässt mich zum zweiten Faktor für einen effektiven Strukturwandel kommen: zur Innovation. Die ostdeutsche Wirtschaft ist im Jahr 2023 um 0,7 Prozent gewachsen; es wurde schon gesagt. Die Erwartungen für 2024 sind noch deutlich höher. Ein ganz wesentlicher Grund dafür, dass das Wachstum stärker ausfiel als im Westen, sind Großinvestitionen. Hier wurde schon das LNG-Terminal genannt, was nachweislich einen Effekt hat. Ich denke aber auch an die Milliardeninvestitionen im Chemiepark Leuna. Das finnische Unternehmen UPM investiert in eine Bioraffinerie. Der Chemiepark in Leuna ist wieder zu 80 Prozent ausgelastet. Aber auch Tesla in Brandenburg trägt zum starken Wachstum im Bereich des verarbeitenden Gewerbes bei. 

Was sagt uns das? Wir sehen: Wo gute Rahmenbedingungen für Innovationen herrschen, profitieren die Wirtschaft,

(Zuruf des Abg. Karsten Hilse (AfD))

die Gesellschaft und sogar die Politik. Denn Innovation trägt maßgeblich zu wirtschaftlicher Stärke bei. 

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch langfristig kann sich das sicherstellen lassen durch Reallabore, in denen die Umsetzung von Innovationen in festgelegten Zeiträumen erprobt wird. Meine Damen und Herren, deshalb appelliere ich auch noch mal dringend an das BMWK, dass das Reallabor-Gesetz vorgelegt wird. Ich habe den Herrn Minister in der letzten Ministerbefragung danach gefragt und eigentlich keine eindeutige Antwort von ihm bekommen. Ich glaube aber, dass es wirklich sehr, sehr wichtig ist, dass wir dieses Gesetz auf den Weg bringen. Reallabore bedeuten Wirtschaftswachstum zum Nulltarif. Innovationen müssen endlich wieder Gehör finden, und vor allen Dingen müssen die Innovationen auch wieder stark gefördert werden. Das ist ein wesentlicher Schritt in die Richtung, dass der Strukturwandel auch wirklich gelingt.

(Maja Wallstein (SPD): Genau!)

Ein ganz wichtiger Schlüssel bei der Umsetzung von Innovationen ist aber auch die wirtschaftliche Freiheit. Wir müssen dafür sorgen, dass Ideen umgesetzt werden können. Wenn diese Ideen freiheitlich und unabhängig umgesetzt werden können, schafft das auch gute Voraussetzungen für private Investitionen. Das Programm STARK ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir private Investitionen nun auch direkt fördern. Mir fallen da spontan die 90er-Jahre an der Ostsee ein. Wenn man heute durch die Ostseebäder geht, sieht man, was sich dort seitdem durch private Investitionen, die durch Steuersparmodelle ermöglicht wurden, verändert hat. Das könnte auch ein Vorbild für den Strukturwandel in den Kohleregionen sein.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Veränderung braucht Mut und einen sicheren Rahmen.

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft (AfD))

Es ist an uns, die Innovationen auch zuzulassen. Lassen Sie uns Platz für neue Ideen schaffen! Mit dem Reallabor-Gesetz geben wir diesen Ideen eine Stimme. Denn dann können wir uns sicher sein, dass wir nicht nur das behalten, was wir bewahren wollen, sondern auch das erreichen, was wir uns wünschen: einen guten Rahmen für Strukturwandel mit Planungssicherheit, Innovationen und wirtschaftlicher Freiheit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächste hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Jana Schimke.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jana Schimke (CDU/CSU): 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben unsere Anträge heute nicht ohne Grund mit den Worten „Fairness“ und „Erfolg“ überschrieben; denn beides ist eng miteinander verknüpft und bedingt einander. Eine Region wird dann nicht erfolgreich sein können, wenn Zusagen nicht eingehalten werden und Versprechen einer Beliebigkeit ausgesetzt sind.

Mit dem Kohleausstieg wurde ein Schritt gegangen, der zweifelsohne die prägendste Entscheidung für Ostdeutschland seit der Wiedervereinigung ist. Das macht man auch nicht einfach so. Hier geht es um ein zentrales Element unserer Energiegewinnung und um ein wirtschaftliches Standbein. Das Mindeste, was die Menschen deshalb von ihrer Regierung erwarten können, ist, dass sie weiß, wovon sie spricht, und dass sie die Folgen ihres Handelns bedenkt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Menschen wollen wissen, wie es danach weitergeht - energiepolitisch, wirtschaftlich und auch persönlich. Deshalb ist der Kohleausstieg auch nichts, was in der Region bejubelt wurde. Schließlich war die Antwort auf die Frage „Was kommt danach?“ völlig offen, und sie ist es eigentlich auch heute noch.

(Karsten Hilse (AfD): Richtig!)

Und das ist auch keine ausschließlich ostdeutsche Frage, meine Damen und Herren, sondern eine ganz grundsätzliche. Damit ist im Wesentlichen beschrieben, was gute Politik ausmacht: Sie muss in der Sache überzeugend sein, sie muss funktionieren, und sie muss auch die Lage der Menschen verbessern. 

Die Voraussetzungen dafür wurden in der Kohlekommission geschaffen, noch bevor sich dieses Parlament mit Gesetzen dazu befasste und der vorpolitische Raum in diesem Land eingebunden wurde. Ein langwieriger Prozess mit Abstimmungen, mit Verhandlungen und mit Untersuchungen startete, an dessen Ende das Jahr 2038 stand. Damit Sie sich das mal vorstellen können: Der Kohleausstieg ist nicht einfach mal irgendein Gesetz, mit dem man als spätere Bundesregierung nichts mehr zu tun hat und an das man nicht gebunden ist. Er ist ein Gesellschaftsvertrag, ein Vertrag der Politik mit den Menschen einer ganzen Region und auch darüber hinaus.

Und dann schreiben die Ampelkoalitionäre „idealerweise … 2030“ in ihren Koalitionsvertrag! Damit haben Sie einen absolut zentralen Wert im souveränen politischen Handeln verletzt, nämlich den Vertrauensschutz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Gerade solche schwerwiegenden Entscheidungen, meine Damen und Herren, wie der Ausstieg aus dem wirtschaftlichen Meilenstein einer Region dürfen nicht behandelt werden wie eine Petitesse, erst recht nicht, wenn völlig unklar ist, wie es danach weitergehen soll. Wer 2030 in den Raum wirft, der muss sagen, woher dann der Strom kommt,

(Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja!)

wo die Menschen dann arbeiten sollen, wie sie ihr Geld verdienen sollen,

(Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das passiert!)

und vor allen Dingen, wie die Perspektiven einer Region danach aussehen sollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte keine Vorschläge für neue Behördenstandorte, die null Wertschöpfung bringen! 

Im Übrigen ist auch klar, dass das Ziel 2030 zudem wasserwirtschaftliche Folgen mit sich bringt. Mit dem Braunkohleausstieg sinkt zum Beispiel der Wasserspiegel auch im Spreewald -

(Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem Bergbau sinkt der!)

UNESCO-Biosphärenreservat, weltweit einzigartig, jährlich mehr als 2 Millionen Übernachtungen, über 9 Millionen Tagesgäste und 500 Millionen Euro Jahresumsatz. 

(Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie verdrehen die Ursachen gerade!)

Es ist jetzt schon eine maximale Herausforderung für Praktiker und Wissenschaftler, den steigenden Mehrbedarf an Wasser zu planen, und das wird noch einmal schwerer, wenn Sie das Ausstiegsdatum vorziehen. 

Deshalb hoffe ich, meine Damen und Herren, dass Sie verstehen, worum es hier geht. Ich hoffe, dass Sie sich der Konsequenzen Ihres Handelns bewusst sind. Beim Kohleausstieg geht es nicht nur ums Klima. Es geht auch um Vertrauensschutz, um Vertragssicherheit und auch um Demokratie, und wenn Sie so agieren, wie Sie agieren - ideologisch, konzeptlos, respektlos -, dann brauchen Sie sich nicht über die Stimmung in unserem Land,

(Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eine Polemik!)

insbesondere auch in Ostdeutschland, zu wundern.

(Beifall bei der CDU/CSU - Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Reine Polemik, Frau Schimke!)

Dem Osten, meine Damen und Herren, muss heute nicht mehr geholfen werden. Wir sind weder Demokratiefeinde noch der Sozialfall Deutschlands. Nein, wir stehen im Wettbewerb mit jeder anderen Region unseres Landes und jedem Standort in dieser Welt. Es geht angesichts der Berufsbiografien und der Identität einer Region um einen fairen Interessenausgleich am Ende einer langen Wirtschaftsgeschichte. Was wir wollen, ist Wettbewerbsgleichheit, und das treibt uns an. Aus diesem Grund bitte ich um Zustimmung zu unseren beiden Anträgen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächster hat das Wort für die SPD-Fraktion Hannes Walter.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hannes Walter (SPD): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei einigen Vorrednern der Unionsfraktion haben wir mitbekommen können, dass sie sich an der Facharbeit offenbar nur mangelhaft beteiligt haben.

(Maja Wallstein (SPD): Jawoll!)

Wir hatten eine Anhörung zu Ihren Anträgen. Richtigerweise hatten Sie auch die Bürgermeister der Städte in den Kohleregionen eingeladen; Christine Herntier und Fred Mahro waren da. Beide haben explizit die Förderung und die Arbeit der Bundesregierung gelobt und gesagt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. 

(Lachen des Abg. Karsten Hilse (AfD) - Karsten Hilse (AfD): Alles SPD-Leute! - Gegenruf der Abg. Maja Wallstein (SPD): Nein, keiner von ihnen!)

- Da ist keiner von der SPD dabei gewesen; das waren alles andere Parteiangehörige. 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Keine Ahnung da hinten! Nur Polemik!)

Sie stellen hier auch die Arbeit Ihrer eigenen Landesregierungen nicht richtig dar. Wir regieren in vielen ostdeutschen Bundesländern zusammen und sehen an den wirtschaftlichen Zahlen, dass es nach oben geht - gerade da, wo Sie mit Betreuung der SPD regieren. Herr Merz ist ja heute hier. Ich habe zwar keinen Einfluss auf Ihre Rednerliste, aber vielleicht könnten Sie mal darüber nachdenken, jemanden, der in diesem Thema wirklich drin ist, wie zum Beispiel mein hochgeschätzter Kollege Knut Abraham, reden zu lassen. Das würde wahrscheinlich ein bisschen mehr Kompetenz in die Debatte hier bringen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Peter Heidt (FDP) - Maja Wallstein (SPD): Bravo!)

Sie schreiben im Titel Ihres Antrags richtigerweise: „Erfolgsgeschichte Strukturwandel“. Genau die wollen wir fortsetzen; das ist unser täglich Brot. Staatssekretär Kellner hat es schon anklingen lassen: Die Mittelflexibilisierung, die Sie fordern, wurde schon vor drei Wochen auf den Weg gebracht. Dafür haben wir, zusammen mit meiner hochgeschätzten Kollegin Maja Wallstein, in der SPD-Fraktion hart gekämpft. Ich freue mich, dass es so weit ist. 

(Maja Wallstein (SPD): Ich mich auch!)

Danke, Herr Kellner.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn Ihnen Ostdeutschland so am Herzen liegen würde, dann würden Sie das auch wissen.

(Maja Wallstein (SPD): Richtig!)

In der brandenburgischen Lausitz kümmert sich unser Lausitz-Beauftragter Klaus Freytag mit Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilbevölkerung darum, dass der Strukturwandel eine Erfolgsgeschichte bleibt - getreu dem Motto: Der beste Weg, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie selbst zu gestalten. Wichtig ist, dass der Strukturwandel auch bei den Menschen ankommt. Mit den Projekten, die wir umsetzen und schon umgesetzt haben, ist das durchaus der Fall.

In meiner Heimat Elbe-Elster - ich weiß, Herr Abraham war auch da - wird das Oberstufenzentrum in Elsterwerda, an dem ich selber meine Berufsausbildung gemacht habe, neu gebaut. Hier werden ganz viele Azubis in den Bereichen Kfz und Elektro ausgebildet - gerade im ländlichen Raum Berufe, die wir dringend brauchen.

In Schwarzheide fließen Strukturmittel direkt in die Nachwuchsgewinnung. Hier gibt es sogar zwei sehr gute Projekte, zum Beispiel das Leistungszentrum Westlausitz, ein überbetriebliches Ausbildungszentrum. Auch hier geht es um Berufe wie Metall-, Elektro-, Informationstechnik oder Chemie. Die BASF ist ganz in der Nähe. Das ist kein Zufall. Insgesamt haben 80 Unternehmen ihr Interesse daran bekundet. Das zeigt, wie viel Potenzial es dort in diesen Projekten gibt und wie richtig die Entscheidung ist, gerade da zu investieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wo neue Ausbildungs- und Arbeitsplätze entstehen, braucht es logischerweise auch Investitionen in die soziale Infrastruktur. Hier geht das Land Brandenburg mit Ministerpräsident Dietmar Woidke 

(Maja Wallstein (SPD): Guter Mann!)

mit gutem Beispiel voran, die Erfolgsgeschichte Strukturwandel fortzuschreiben. Die Landesregierung stellt über 100 Millionen Euro aus dem Strukturstärkungsgesetz für die soziale Infrastruktur zur Verfügung. Dazu gehören Kitas, Schulen, die medizinische Versorgung. Wir haben die Universitätsmedizin in Cottbus bei meiner Kollegin Maja Wallstein, die ich schon erwähnt hatte, eingerichtet. 

(Maja Wallstein (SPD): Das kann man nicht oft genug machen!)

Die Landesregierung Brandenburg erkennt übergreifende Probleme und schafft Lösungen. 

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Den Kohleausstieg möchte ich jetzt auch noch mal ansprechen, weil Sie von der Union ihn erwähnt haben. Es ist nicht die Bundesregierung, die hier Unsicherheiten schafft. 

(Maja Wallstein (SPD): Richtig!)

Es ist zum größten Teil die Unionsfraktion, 

(Lachen des Abg. Friedrich Merz (CDU/CSU) - Thorsten Frei (CDU/CSU): Echt? Was? Stimmt doch gar nicht!)

die immer wieder behauptet, wir würden das politische Ziel verfolgen, 2030 aus der Kohle auszusteigen. 

(Zuruf von der CDU/CSU: Eine Verdrehung der Tatsachen!

Aber selbst das Bundeswirtschaftsministerium hat immer gesagt: Wir steigen spätestens 2038 aus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP - Sepp Müller (CDU/CSU): Was haben Sie denn in den Koalitionsvertrag geschrieben?)

Auch der CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst will 2030 aus der Kohleverstromung aussteigen, 

(Maja Wallstein (SPD): Aha! Hört! Hört!)

und das sorgt für massive Verunsicherungen in den anderen Kohlerevieren.

Die LEAG in Brandenburg legt ein großes Tempo an den Tag, damit wir in erneuerbare Energien einsteigen können. All das zeigt: Die Erfolgsgeschichte Strukturwandel schreiben wir am besten durch konkretes politisches Handeln fort und nicht durch Schaufensteranträge und Scheindebatten, so wie es die Union hier mal wieder versucht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Am Ende kann ich mich nur wiederholen: Der beste Weg, die Zukunft vorherzusagen, ist und bleibt, sie selbst zu gestalten. 

Vielen Dank und Glück auf! 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Karsten Hilse. 

(Beifall bei der AfD sowie des Abg. Robert Farle (fraktionslos))

Karsten Hilse (AfD): 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Landsleute! Vor allem: Liebe Bergleute! Und natürlich: Werte Leugner des natürlichen Klimawandels! Die Union, die in weiten Teilen des Volkes für hochkorrupt, heuchlerisch und bis auf wenige Ausnahmen für komplett opportunistisch gehalten wird, bringt heute den Antrag ein: „Erfolgsgeschichte Strukturwandel weiterschreiben - Planbarkeit und Verlässlichkeit für die ostdeutschen Strukturwandelregionen sicherstellen“. Zu Heuchlertum, Korruption und Opportunismus kommt nun auch noch Realitätsverweigerung und absolute Ahnungslosigkeit. 

(Zuruf von der CDU/CSU: Frechheit!)

Ich weiß, es gibt auch wenige Ausnahmen - die fühlen sich bitte nicht angesprochen -: Aber wer wie hier die Union den sogenannten Strukturwandel als „Erfolgsgeschichte“ bezeichnet, ist ein elender Lügner.

(Beifall bei der AfD)

Der Kohleausstieg, der ja Teil des Strukturwandels ist, geplant und durchgesetzt von der olivgrünen CDU, ist das größte Desaster seit dem durch die Unfähigkeit und teilweise durch Korruptheit der Treuhandgesellschaft verursachten Exodus aus der Lausitz Anfang der 90er-Jahre.

(Hannes Walter (SPD): Sie hätten ja mal zuhören können!)

Beispielhaft dafür steht meine Geburtsstadt Hoyerswerda. In Bezug auf die damaligen Stadtgrenzen hat Hoyerswerda seit 1988  60 Prozent seiner Einwohner verloren.

Wenn der Kohleausstieg so, wie geplant, durchgezogen wird, entvölkern Sie zumindest teilweise die Lausitz, machen sie zum Armenhaus und Bittsteller.

(Zuruf der Abg. Maja Wallstein (SPD))

Aber das ist es, was Sie alle wollen mit Ihrer Energiewende, mit der Wärmewende, mit der Verkehrswende und der ganzen verfluchten Transformation: den Menschen alles nehmen, damit sie dann vor Ihnen knien, um ein paar Almosen vom Staat zu erbitten. 

Wir als AfD wollen freie Menschen, die selbstverantwortlich für ihr Leben sorgen, die frei entscheiden können, wie sie wohnen, womit sie heizen, womit sie fahren, und denen nicht 75 Prozent des hart erarbeiteten Geldes abgepresst wird,

(Beifall bei der AfD)

um es in der ganzen Welt zu verschenken oder es arbeitsscheuen Elementen in den Hintern zu blasen.

Noch gibt es circa 25 000 hochwertschöpfende Arbeitsplätze, die direkt oder indirekt von der Braunkohleindustrie abhängen; da sind Baufirmen, Bäcker, Fleischer und andere Servicedienstleister noch gar nicht mitgezählt. Wenn Sie denen durch den Kohleausstieg die Lebensgrundlage entziehen, werden sie entweder zu Bittstellern oder verlassen die Lausitz. 

Da hilft es auch nicht, dass Sie laut offiziellen Angaben knapp 3 500 Stellen in Bundesbehörden geschaffen haben. Das ist ja wohl ein schlechter Witz.

(Beifall bei der AfD)

Das ist kein Strukturwandel, wie er von allen grünen Parteien - also von den Linken bis zur Union - wahrheitswidrig behauptet wird. Es ist eine vollständige vorsätzliche Zerstörung der wirtschaftlichen Grundlage der Lausitz und eine vorsätzliche Zerstörung einer unabhängigen Stromversorgung Deutschlands.

(Zuruf des Abg. Bernd Westphal (SPD))

Sobald wir in Regierungsverantwortung sind, 

(Gerald Ullrich (FDP): Was nicht passieren wird!)

werden wir Energiewende, Wärmewende, Verkehrswende, Kohleausstieg und Ihren ganzen ideologischen Schrott wieder rückgängig machen, die Lausitz auf eine gute wirtschaftliche Basis stellen und somit Deutschland um ein großes Stück unabhängiger von Energierohstoffimporten machen.

(Beifall bei der AfD - Widerspruch der Abg. Maja Wallstein (SPD))

Glück auf in die Heimat! - Und im Übrigen bin ich der Meinung: Wer Grün, Rot, Gelb, Schwarz wählt, wählt den Krieg.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD sowie des Abg. Robert Farle (fraktionslos))

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächster hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Bernhard Herrmann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Menschen in den Regionen! Beschimpfungsorgien gegen alle, die um einen sozial gerechten Strukturwandel ringen, lösen nicht eins der Probleme.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Herr Müller, Lautstärke ersetzt keine starke Argumentation. Ich möchte versuchen, auf Ihre Argumente einzugehen. Gerade am Mittwoch dieser Woche wurde der Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung vorgestellt. Als eine der zentralen Botschaften konnten wir festhalten, dass die wirtschaftliche Entwicklung im Osten stärker anzieht und sich damit dem westdeutschen Niveau weiter annähert. 

(Johannes Schraps (SPD): Hört! Hört!)

Das freut mich natürlich sehr. 

Schließlich gab es einst das heute in der Tat naiv anmutende Versprechen blühender Landschaften. Bei Lichte betrachtet schlösse schon dieses Versprechen einen Kohleausstieg ein; denn wo Tagebaue klaffen, da blühen keine Landschaften.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und wo ganzen Regionen das Wasser fehlt, erst recht nicht. Aber diese Herausforderungen sind lösbar. Wir haben eine gemeinsame Vision, nämlich dass die Strukturwandelregionen in ihrer Vielfalt blühen und gerade dort die Wirtschaft wächst.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft (AfD))

Wie aber lassen wir diese Vision wahr werden? Wir scheinen uns in einem ja einig zu sein: Die Kohlebeschäftigten und überhaupt die Menschen in den Braunkohlerevieren brauchen Verlässlichkeit und Klarheit. Aber das heißt doch eben nicht, dass wir den Menschen Dinge versprechen, die wir nicht halten können, indem wir einen punktgenauen Kohleausstieg Ende 2038 vorgaukeln. Wer so was sagt, der lügt die Menschen dort an. Wir haben es nicht in der Hand; denn als Politik ist der genaue Kohleausstiegszeitpunkt eben nicht genau vorherzusagen. 

Wir haben das nicht mehr in der Hand, muss man genau genommen sagen; denn wir Bündnisgrünen hätten den Ausstieg den wirtschaftlichen Realitäten entsprechend gern ordnungsrechtlich vorgezogen, hätten so Klarheit für die Regionen und für die Beschäftigten geschaffen. Gerade die sächsische Union aber wehrt sich bis heute mit allen Mitteln dagegen, den Kohleausstieg ordnungsrechtlich vorzuziehen. Anstatt der Realität in die Augen zu blicken, überlassen Kretschmer und Co die Region lieber der Willkür des Marktes.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD - Jens Spahn (CDU/CSU): Wir stehen halt für Planungssicherheit! - Lachen des Abg. Torsten Herbst (FDP))

- Ich finde das nicht zum Lachen. Denn es gilt: Die Kohleverstromung endet, wenn sie unwirtschaftlich wird. Wenn die Kohleverstromung unwirtschaftlich wird, wird das Ende abrupt kommen, und das wird absehbar deutlich vor 2038 sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Karsten Hilse (AfD): Weil Sie die CO2-Besteuerung machen! - Zuruf des Abg. Jens Spahn (CDU/CSU))

Energie aus Wind und Sonne verdrängt schon heute mehr und mehr die Braunkohle vom Markt. Mit wie viel Vorlauf die Kohlekonzerne, denen Sie nach dem Munde reden, Herr Hilse, den endgültigen Kohleausstieg ankündigen, das weiß leider niemand - nicht Sie, Herr Müller, und nicht ich.Das ist auch der wahre Grund für die Verunsicherung der Menschen in den Regionen. Erzählen wir ihnen nichts anderes.

Schauen wir nach vorn und zur Renaturierung nach der Kohle. Ihr Antrag fordert, dass diese Maßnahmen finanzierbar sein müssen. Dazu gibt es zwei zentrale Hebel. 

Erstens. Wir müssen das Verursacherprinzip starkmachen und dafür sorgen, dass LEAG und MIBRAG ihrer Verantwortung gerecht werden. Aber genau dazu höre ich - für mich nicht mehr verwunderlich - von der Union null Komma nichts,

(Sepp Müller (CDU/CSU): Das ist doch Quatsch, Herr Herrmann!)

und das, obwohl die LEAG gerade so umstrukturiert wird, dass das profitable Geschäft mit den Erneuerbaren nicht für die Kohleschäden haftet.

(Sepp Müller (CDU/CSU): Das wäre schneller gegangen, wenn vorher das Geld da gewesen wäre!)

Trotzdem wollte die Union an den Entschädigungszahlungen von 1,7 Milliarden Euro festhalten - ein Betrag, der vollkommen intransparent ist und offenbar auch viel zu hoch war.

(Lars Rohwer (CDU/CSU): Der ist im Gesetz festgelegt worden, Herr Kollege! - Zuruf des Abg. Sepp Müller (CDU/CSU))

Aber jetzt hat die EU-Kommission dort eingegriffen und so allen Steuerzahlenden voraussichtlich eine halbe Milliarde Euro eingespart, was sonst an die Konzerne gegangen wäre und nicht an das Gemeinwesen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Sepp Müller (CDU/CSU): Zur Renaturierung! Zur Umstrukturierung! Zur Schaffung von Arbeitsplätzen!)

Wir Bündnisgrüne arbeiten an einer Braunkohlefolgenstiftung, die helfen kann und in die die Bergbauunternehmen einzahlen.

(Jens Spahn (CDU/CSU): Was denkt die SPD darüber?)

Zweitens. Ich halte es, freundlich formuliert, für ausgesprochen unwahrscheinlich, dass die Rückstellungen für die Rekultivierung ausreichen. Alles, was wir an weiteren Schäden vermeiden, spart also Steuergeld. Der beste Schritt dafür ist, möglichst konzentriert und zügig aus dem Kohlestrom auszusteigen. Aber auch da scheint manchmal Verwirrung zu bestehen. Der Kohlebergbau und nicht dessen Ende ist für die Schäden in der Landschaft und am Wasserhaushalt verantwortlich.

(Dr. Rainer Kraft (AfD): Wo soll das Wasser herkommen?)

Massiv wurde Wasser aus den Revieren abgepumpt, allein in der Lausitz in den letzten Jahren 58 Milliarden Kubikmeter. Das ist so viel Wasser, wie die zehn größten deutschen Seen fassen.

(Sepp Müller (CDU/CSU): Wo soll das Wasser dann herkommen später mal?)

Anstatt also den Kohlekonzernen unter die Arme zu greifen, sollte unser Steuergeld besser für den Strukturwandel in die Regionen fließen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hannes Walter (SPD))

Um den Wandel zu stärken, hat das BMWK ein Maßnahmenpaket vorgeschlagen, das inzwischen auch von den ostdeutschen Ländern bestätigt ist; Michael Kellner sprach zur Flexibilisierung der Mittel. Auch wird es jetzt endlich möglich, Direktinvestitionen bei Unternehmensansiedlungen zu fördern, vor allem auch bei Transformationstechnologien. Sehr wichtig: Wir starten jetzt für zehn weitere Schienenprojekte die Planungen. Wir sorgen für eine bessere Förderung des ÖPNV - vor allem bei der Bahn. Das ist doch mal was, was den Leuten in den Regionen wirklich hilft. Das ist die Saat, die wir legen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Arbeiten Sie gern mit uns weiter am Kohleausstieg und an echten blühenden Landschaften, in denen auch in diesem Sommer für uns und Sie alle die Sonne scheinen möge.

Eine gute Zeit und vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Manfred Todtenhausen (FDP))

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächster hat das Wort für die FDP-Fraktion Torsten Herbst.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Sebastian Roloff (SPD))

Torsten Herbst (FDP): 

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass wir heute über Strukturwandel reden. Wir sollten uns vielleicht zunächst einmal vergegenwärtigen, was die Menschen in den Kohleregionen erwarten. Sie erwarten, dass wir den Rahmen setzen für eine positive wirtschaftliche Zukunft, die es ermöglicht, gut bezahlte Jobs zu schaffen, die perspektivisch die sehr gut bezahlten Jobs in der Kohle ablösen. Sie erwarten, dass wir uns um Infrastruktur kümmern, Straßen und Schienenwege ausbauen und die Region besser anbinden. Sie erwarten Verlässlichkeit bei den finanziellen Zusagen des Staates. Sie erwarten nicht zuletzt auch eine Anerkennung für das, was sie jeden Tag leisten; denn diejenigen, die in der Kohle beschäftigt sind, sorgen dafür, dass die Versorgungssicherheit für Strom und Wärme in Deutschland gewährleistet ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Sepp Müller (CDU/CSU))

Es wird immer viel über den Anteil erneuerbarer Energien gesprochen. In dem Zusammenhang muss man aber auch sagen: 17 Prozent des deutschen Strombedarfs in Deutschland werden durch die Kohle gedeckt. Man könnte es anders formulieren: Ohne den Beitrag der Kohlekumpel würden in Deutschland die Lichter ausgehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Sepp Müller (CDU/CSU) und Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Der Ausstieg, der gesetzlich fixiert ist bis 2038, gilt. Wir halten uns an diese gesetzlichen Zusagen. Und wir halten uns auch an die Zusage, die betroffenen Regionen mit 40 Milliarden Euro zu unterstützen. Darauf können sich die Menschen in der Lausitz und in allen anderen Strukturwandelregionen verlassen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die CDU hat jetzt in ihren Anträgen sehr interessante Punkte zusammengeschrieben und bringt auch einiges durcheinander. Sie haben Punkte aufgeführt, die längst erledigt 

(Zuruf des Abg. Mario Czaja (CDU/CSU))

oder die in Arbeit sind. Und Sie haben Forderungen gestellt, die mit dem Strukturwandel gar nichts zu tun haben. 

Ein Beispiel - Sie hatten es angesprochen, Herr Müller - ist die Neubaustrecke Dresden–Prag, die schon lange vor dem Ausstiegsbeschluss geplant war und für die wir schon lange davor Fördermittel von der EU bekommen haben. Meine Damen und Herren, wer sich ein bisschen in der Region auskennt - Ihr Referent offenbar nicht -: Die Kohlegruben sind weit weg von der Neubaustrecke Dresden–Prag. Die ist nämlich im Erzgebirge und der Sächsischen Schweiz. Das hat nichts mit der Lausitz zu tun.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie sprechen an, dass die Forschungslandschaft gestärkt werden muss. Von den Punkten, die wir angegangen sind, sind wir im Bereich Forschung am weitesten. Es wird zwei neue Großforschungsinstitute in Sachsen geben. Es gibt zusätzlich noch das Bauforschungsinstitut in der Lausitz. Das sind ganz konkrete Erfolge, die wir bereits vorzuweisen haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Frank Junge (SPD))

Dann bin ich ein bisschen verwundert, welche Verkehrsprojekte die Union fordert. Ich nenne Ihnen mal ein Beispiel: die Elektrifizierung der Strecke von Dresden nach Görlitz. Ich bin sehr dafür. Nur, können Sie mir erklären, warum Ihr eigener Ministerpräsident, Herr Kretschmer, genau diese Strecke nicht mehr aus Strukturhilfemitteln finanzieren will? Das verstehe ich nicht.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Enrico Komning (AfD): Das stimmt!)

Wenn man Kritik an diesem gesetzlichen Kompromiss üben will, dann müsste man vielleicht woanders beginnen, nämlich bei der Frage, ob die Schwerpunktsetzung die richtige war. Ich bin auch der Auffassung, dass wir zu viel Kraft darauf konzentrieren, staatliche Strukturen zu schaffen, Behörden anzusiedeln und Subventionen zu zahlen. Ich glaube, es wäre klüger gewesen, mehr Freiheit und mehr Innovation für private Investitionen zu ermöglichen. Nur, diesen Grundkonstruktionsfehler haben Sie zu verantworten, und wir korrigieren ihn jetzt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, wir haben mit diesem Strukturwandel begonnen. Auch die Menschen vor Ort wissen: Die Kohle ist endlich und damit auch der Kohleabbau. - Wir brauchen neue Perspektiven. Wir machen uns auf den Weg. Und wir sind zuversichtlich, dass wir für die Region eine erfolgreiche Zukunft zeichnen können.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächster hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Mario Czaja.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mario Czaja (CDU/CSU): 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben 18 Vorschläge in unserem Antrag unterbreitet. Und ich sehe bei denen, die konstruktiv an dieser Debatte mitwirken, dass sie sich alle bei der Union für diese Vorschläge bedanken.

(Maja Wallstein (SPD): Was? - Gerald Ullrich (FDP): Was?)

Aber was Sie nicht gemacht haben, ist, die Verunsicherung, die in dieser Debatte immer vorhanden ist, zu beenden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will Ihnen noch einmal ein entscheidendes Beispiel dafür nennen. Wir haben diese Debatte auch im Ausschuss geführt. Nach dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetz ist die Bundesregierung dazu verpflichtet, regelmäßig Berichte zum Stand der Umsetzung vorzulegen. Es gibt ein wichtiges Datum: 15. August 2022. Das ist übrigens der einzige Zeitpunkt, über den in dem Gesetz steht, dass die Sozialverträglichkeit der Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung überprüft werden und dazu der Bericht vorliegen soll.

Ich bin dem Abgeordneten Rohwer sehr dankbar, dass er die Frage an die Bundesregierung gestellt hat, wann denn dieser Bericht endlich da ist, damit die Verunsicherung reduziert werden kann. Und Sie werden es nicht glauben: Die gesetzliche Verpflichtung, diesen Bericht vorzulegen, hat man nicht um ein Jahr oder zwei Jahre, sondern drei Jahre verschoben. Man hat ihm mitgeteilt, dass dieser Bericht erst im Frühjahr 2025 vorgelegt wird. Welchen anderen Beleg brauchen Sie noch, dass Sie Verunsicherung in der Region schaffen, 

(Beifall bei der CDU/CSU)

wenn Sie nicht einmal Ihre Hausaufgaben erledigen, die erforderlich sind, um diese Sicherheit zu gewährleisten, gerade in einem Wahljahr.

(Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Manches ist wichtiger, als Berichte zu schreiben!)

Wir haben die wichtigen Dinge zu Papier gebracht. Es wäre wichtig gewesen, sich nicht darüber zu freuen, Herr Kollege,

(Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich freue mich nicht darüber, Herr Kollege!)

dass die Europäische Union möglicherweise mit Ihrer Hilfe zu einer Reduzierung der Mittel beitragen könnte, 

(Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Für die Kohlekonzerne, ja!)

sondern es wäre wichtig, darauf hinzuweisen, dass die 1,7 Milliarden Euro in die Nachsorgegesellschaft kommen und dass die Mitarbeiter von der einen in die neue Gesellschaft kommen. Gerade das ist doch Transformation.

(Beifall bei der CDU/CSU - Zuruf des Abg. Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es wäre wichtig, dass Sie eine klare Aussage dazu treffen, wie die Region an das Wasserstoffkernnetz angeschlossen wird. Es wäre wichtig, eine Aussage darüber zu treffen, wie die Forschungslandschaft weiter gestärkt werden kann. Und ja, Herr Kollege, es ist eine gute Entwicklung, dass die beiden Sonderforschungszentren jetzt dort in der Region angesiedelt werden, also eines in Sachsen und eines in Sachsen-Anhalt. Das ist wohl richtig.

(Dr. Paula Piechotta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zwei in Sachsen! - Torsten Herbst (FDP): Zwei in Sachsen!)

- An der Grenze zu Sachsen-Anhalt. Entschuldigung.

(Dr. Paula Piechotta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Delitzsch ist noch in Sachsen! - Torsten Herbst (FDP): Wir geben das auch nicht ab!)

Sie kennen die Grenzen da vor Ort sicherlich sehr gut. Das ist schon richtig. Aber dann sichern Sie doch auch diese Mittel im Haushalt. Das haben Sie beileibe noch nicht vollständig getan.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn uns alle das Thema in dieser Region so beschäftigt, dann ist es wirklich sehr wichtig, dass wir über diese 18 Punkte sprechen und diskutieren. Sie haben zu keinem unserer Anträge einen einzigen Änderungsantrag im Ausschuss eingebracht, 

(Hannes Walter (SPD): Weil wir alles schon erledigt haben!)

sondern Sie haben sie pauschal abgelehnt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will aber noch zu den Tiefstaplern hier rechts außen kommen. Diese Tiefstapler von der AfD, die sich gerieren, als ob sie die Interessen der Menschen vor Ort vertreten, haben im Ausschuss keinen einzigen Antrag eingebracht, keine einzige Initiative. Sie haben nicht einmal einen einzigen Anzuhörenden benannt. 

(Torsten Herbst (FDP): Ja!)

Sie haben in den letzten drei Jahren nichts, aber auch gar nichts zu Papier gebracht für diese Region,

(Sepp Müller (CDU/CSU): Ja! So ist das!)

keinen Antrag, keine Initiative, nicht einmal mehr einen Anzuhörenden.

(Sepp Müller (CDU/CSU): Alles Schaumschläger da drüben!)

Sie haben überhaupt gar keine Ahnung, was in der Region erforderlich ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP - Enrico Komning (AfD): Weil wir keinen Kohleausstieg wollen! - Gegenruf des Abg. Sepp Müller (CDU/CSU): Nein, weil Sie nicht arbeiten! Sie sind Schaumschläger!)

Sie machen Ihre Arbeit einfach nicht. Und wir müssen den Menschen in diesem Land noch deutlicher machen, dass Sie die größten Tiefstapler für diese Region sind, dass sie keine einzige inhaltliche Alternative bieten,

(Enrico Komning (AfD): Doch! Lesen Sie unser Programm, Herr Czaja! Dann sehen Sie, dass wir keinen Kohleausstieg wollen! - Kay Gottschalk (AfD): Bei uns wird es noch Kernenergie geben! Basta!)

sondern es - im Gegenteil - im Ausschuss nicht einmal mehr schaffen, einen Anzuhörenden zu nennen. Es gibt keinen Fachmann in der Region, der überhaupt kommt, wenn Sie ihn einladen wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist die Wahrheit zu dieser Ausschussdebatte. 

Mir wäre wichtig, dass wir in einer solchen Debatte auch zum Ausdruck bringen, was in der Region geschaffen wurde. Ich traue Ihnen, Herr Schneider, auch zu, dass Sie der Auffassung sind - und dass Sie es auch hinbekommen -, dass in der Region ein wirkliches Wachstum entsteht. Daran arbeiten wir gemeinsam in der Region. Das tun wir. 

(Kay Gottschalk (AfD): Das ist Planwirtschaft von der CDU/CSU! Hört, hört, Wähler!)

Aber man muss eben auch deutlich zum Ausdruck bringen, wer in dieser Debatte gar nichts tut, und die sitzen rechts außen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächste hat das Wort für die SPD-Fraktion Maja Wallstein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Maja Wallstein (SPD): 

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Schön, dass Sie da sind! Lieber Herr Kollege Czaja, ich als Lausitzerin bin immer sehr dankbar, wenn mir die Berliner Kollegen erklären, wie wir uns in den Revieren fühlen.

(Beifall des Abg. Hannes Walter (SPD))

Normalerweise bin ich ja hier an diesem Rednerpult sehr freundlich und versuche, auch mit Blick auf die Opposition, möglichst ausgleichend zu sein. Es tut mir leid, dass mir das heute wahrscheinlich nicht ganz so gut gelingen wird; denn dieser Antrag der Union, in dem sie sich über die ostdeutschen Kohleregionen auslässt, triggert mich einfach von vorne bis hinten. 

Ich komme, wie gesagt, aus der Lausitz, aus der Niederlausitz, aus einem Braunkohlerevier in Brandenburg. Wenn bei uns die Braunkohle geht, dann ist es so, dass einfach sehr viel geht, nämlich Wirtschaftskraft und auch ein wesentlicher Teil unserer Identität. 

Genau darum ist es so wichtig, dass wir das nicht einfach so geschehen lassen, sondern dass wir diesen Kohleausstieg politisch von allen Seiten begleiten - übrigens anders als nach der Wende. Das tun wir seit Jahren. Und es braucht dafür eben Leute, die Bock haben auf ein Gelingen des Wandels, die Bock haben auf Strukturentwicklung. Was es nicht braucht, sind Leute, die - wider besseres Wissen im Übrigen - alles schlechtreden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gerade der zweite Absatz im Unionsantrag ärgert mich massiv. In einer meiner letzten Reden habe ich die Kolleginnen und Kollegen der Union in die Lausitz eingeladen und mir - mit Verlaub, Frau Präsidentin - von unserem hochgeschätzten Präsidenten Wolfgang Kubicki eine Rüge eingefangen, der nämlich sagte, es sei doch gegen die Gleichbehandlung, wenn ich nur die Kollegen der Union einladen würde. Aber nach der Lektüre des Antrags bin ich wirklich überzeugt, dass Sie es am nötigsten haben. Es geht nämlich richtig was bei uns in der Lausitz, und das haben Sie offensichtlich noch nicht mitbekommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abg. Sepp Müller (CDU/CSU))

In den ostdeutschen Revieren passiert sehr viel, übrigens auch dank der Entscheidungen von vielen - von Ihnen von der Union in Bund und Land, die diese Entscheidungen ja auch mittragen. 

Sie schreiben, Sie wollen die Verunsicherung beenden. Dann malen Sie in Ihrem Antrag ein Bild unserer Region, das fernab von der Realität ist und natürlich auf fruchtbaren Boden fällt; denn überall da, wo Wandel ist, da ist auch Verunsicherung. 

(Kay Gottschalk (AfD): Meistens Armut! Gucken Sie mal ins Ruhrgebiet!)

Bestes Beispiel: Hast du im Fußball eine neue Mannschaft, dann wettet erst mal vielleicht nicht jeder auf dich. Aber als Team musst du daran glauben. Als Team musst du richtig ackern, und gemeinsam klappt das auch. Ich finde, das zeigen unsere Männer bei der Europameisterschaft auch sehr schön.

(Kay Gottschalk (AfD): Bleibt abzuwarten!)

Also, hört bitte auf, die Leute zu verunsichern! Bleibt bitte bei der Realität! 

Die Realität sieht zum Beispiel bei mir in Brandenburg richtig gut aus. Es gibt einen funktionierenden Werkstattprozess, bei dem übrigens alle Akteure in die Projektplanung des Strukturwandels miteinbezogen werden. Es passiert wirtschaftlich sehr viel: Innerhalb weniger Monate wurde das modernste Bahnwerk in Cottbus gebaut, und es bietet nun 1 200 zusätzliche Arbeitsplätze.

(Kay Gottschalk (AfD): Alles subventioniert! Die Bahn hat Hunderte von Milliarden Euro Schulden! Das ist Staatswirtschaft! - Gegenruf der Abg. Dr. Paula Piechotta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer hat Hunderte von Milliarden Euro Schulden? - Gegenruf des Abg. Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die AKW-Betreiber!)

Wir haben eine Unimedizin, die jetzt in Cottbus gegründet wurde. Wir haben die Gründung des Forschungszentrums chesco, das am Antriebssystem der nächsten Generation forscht. Wir haben den Lausitz Science Park. Wir investieren viel Geld in Wasserstoffbusse in Spree-Neiße. Es gibt unzählige Beispiele; mir reicht gar nicht die Zeit dafür. 

Reicht mir das insgesamt? Nein. Ich hätte insgesamt gerne noch mehr Investitionen - übrigens überall dort in Deutschland, wo gerade Transformationen in der Wirtschaft stattfinden. Aber klar: Es war wieder die Union, die genau wusste, was sie tat, als sie gegen den KTF, den Klima- und Transformationsfonds, geklagt hat.

(Jens Spahn (CDU/CSU): Ihr wusstet, was ihr tatet, als ihr einen verfassungswidrigen Haushalt aufgestellt habt!)

Diese Millionen hätten jetzt sehr, sehr viel für unsere Wirtschaft, für unser Land bedeutet. Sie haben es gewusst, und Sie haben es trotzdem gemacht. 

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Jens Spahn (CDU/CSU): Genau! Richtig! - Sepp Müller (CDU/CSU): 7 Prozent!)

Kann man so machen, hilft aber nicht dem Wohle unseres Landes. 

Ihr Antrag ist jetzt schon ein bisschen älter und deshalb auch ein bisschen überholt. Wir schreiben keine Anträge, wir handeln. Wir haben gekämpft, und jetzt kommt sehr viel dafür. Theoretisch hätten Sie Ihren Antrag zurückziehen können. Das haben Sie nicht gemacht. Aber - ich will mit etwas Positivem enden - Sie haben mir dafür die Möglichkeit gegeben, wieder über die Lausitz zu reden, wo wieder was geht, wo die Zukunft gemacht wird, wo die Luft vibriert, wo unzählige Menschen anpacken. Deshalb glaube ich: Künftig wird es nicht mehr nur die Lausitz sein, sondern die Wowsitz.

(Zuruf des Abg. Kay Gottschalk (AfD))

Allen, die daran mitwirken - im Übrigen auch den Kollegen Knut Abraham und Lars Rohwer von Ihrer Fraktion -, möchte ich sagen: Vielen herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP - Enrico Komning (AfD): Ich glaube, es wird die Blausitz sein!)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächster hat das Wort für die Gruppe Die Linke Dr. Gregor Gysi.

(Beifall bei der Linken)

Dr. Gregor Gysi (Die Linke): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Osten ist und bleibt das Stiefkind aller Bundesregierungen seit der Herstellung der Deutschen Einheit.

(Hannes Walter (SPD): So ein Quatsch! - Dr. Rainer Kraft (AfD): Nee, die SED hat ihn schon kaputtgemacht!)

Es ist einerseits richtig, dass die Ostdeutschen an Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit gewonnen haben. Es wurden Infrastruktur, Wohnungen, Innenstädte, Kirchen, Schlösser und historische Gebäude saniert. Aber andererseits wurden die Potenziale des Ostens weder erkannt noch genutzt.

(Dr. Rainer Kraft (AfD): Die SED! - Jens Spahn (CDU/CSU): Wer hat ihn denn kaputtgemacht?)

Sie haben die DDR auf Mauertote und Staatssicherheit reduziert und sich für das Leben dort nicht interessiert. 

Sie haben weder erkannt noch genutzt, dass in der DDR die Gleichstellung der Geschlechter weiter entwickelt war als in der alten Bundesrepublik

(Maja Wallstein (SPD): Die Frauen hatten trotzdem 100 Prozent Carearbeit!)

und dass es sehr viele gut entwickelte Kindereinrichtungen und Schulstrukturen gab. Sie haben sich nicht dafür interessiert, dass die DDR schon eine Behaltegesellschaft war, während die Bundesrepublik damals noch als Wegwerfgesellschaft fungierte. Wäre das übernommen worden, wäre das Selbstbewusstsein der Ostdeutschen nicht so gedrückt worden,

(Beifall bei der Linken - Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft (AfD))

und die Westdeutschen hätten eine Steigerung ihrer Lebensqualität dank des Ostens erlebt.

Die Deindustrialisierung brachte Millionen Menschen Arbeitslosigkeit und sollte Konkurrenz für westdeutsche Unternehmen verhindern. 

(Gerald Ullrich (FDP): Der Sozialismus brachte die Arbeitslosigkeit!)

Wohnungen wurden massenhaft abgerissen, das am weitesten verbreitete Bahnstreckennetz in Europa deutlich eingeschränkt. 

(Jens Spahn (CDU/CSU): Erst das Land so runterwirtschaften und dann hier so reden! Das sind die Richtigen!)

Das war Wahnsinn und eine Verschleuderung von Vermögen.

(Beifall bei der Linken - Jens Spahn (CDU/CSU): Apropos Vermögen: Wo ist eigentlich das SED-Vermögen? - Gegenruf des Abg. Sepp Müller (CDU/CSU): Wo ist das?)

Noch heute sind Löhne im Osten geringer, die Arbeitszeit länger, die Renten niedriger, die Arbeitslosigkeit höher. 

(Zuruf von der CDU/CSU)

- Sie meinen, das sei nicht das Thema. Es ist für Sie nicht das Thema. Aber den Osten interessiert genau dieses Thema.

(Beifall bei der Linken - Sepp Müller (CDU/CSU): Ja, wo das SED-Vermögen ist, interessiert den Osten! Das stimmt! Sagen Sie mal aus!)

Diese Erfahrungen lassen viele befürchten, dass der Strukturwandel in der Kohleregion zu ihrem Nachteil ausgehen wird. 

(Maja Wallstein (SPD): Ja, die Angst ist da! Das stimmt!)

Jeder Kumpel, jede Kranfahrerin muss wissen, welchen gleichbezahlten Job er und sie danach haben werden, und zwar nicht Hunderte Kilometer entfernt.

(Beifall bei der Linken)

Anders wird es keine Akzeptanz geben. 

Wenn Finanzminister Lindner das 49-Euro-Ticket gegen die dringend notwendigen Investitionen bei der Bahn ausspielt, ahnt man, wie das läuft. Für die FDP ist die schwarze Haushaltsnull wichtiger als die Zukunft der Menschen.

(Manfred Todtenhausen (FDP): Es gibt keine schwarze Null! Das heißt „Schuldenbremse“!)

Wie viele Krisen brauchen Sie noch, um zu begreifen, dass die Schuldenbremse, so wie sie derzeit konstruiert ist, die Zukunft unseres Landes verspielt? Darauf haben nur wir von Anfang an hingewiesen.

(Beifall bei der Linken - Jens Spahn (CDU/CSU): 3-Prozent-Partei!)

Das schlimmste Verhalten jeder Bundesregierung bisher bestand und besteht in dem mangelnden Respekt für die ostdeutschen Biografien, obwohl dort viele sehr gut qualifiziert waren und sind. Schon diese Missachtung lässt eine wirkliche innere Einheit nicht zu.

Den Strukturwandel in den Braunkohleregionen wirklich fair und sozial gerecht zu gestalten, ist vielleicht eine der letzten Chancen, den Ostdeutschen zu zeigen, dass sie endlich und vollständig gleichberechtigt zum Land gehören. Dafür ist es mehr als höchste Zeit!

(Beifall bei der Linken)

Präsidentin Bärbel Bas: 

Als Nächster hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Lars Rohwer. 

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lars Rohwer (CDU/CSU): 

Glück auf, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Geschichte ist ja eigentlich relativ schnell erzählt: 2020 kommt es zum Kompromiss der Kohlekommission. Die Kommission empfahl den Ausstieg aus der Kohle 2038. Ein Jahr später verspricht der SPD-Kanzlerkandidat Respekt für die Menschen und verspricht vor Ort: Wir werden diesen Kompromiss halten. - Dann kommt der Koalitionsvertrag, und dort steht auf einmal das Wort „idealerweise“ drin. Das bringt Verunsicherung in die Region, Herr Herrmann, und Sie haben es heute nicht hinbekommen, darüber hinwegzugehen und zu sagen: Okay, es war ein Versuch. Es hat sich erledigt. - Sie haben diese Verunsicherung heute wieder geschürt.

(Beifall bei der CDU/CSU - Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber Sie können es nicht garantieren!)

Dann kam der Angriffskrieg Putins auf die Ukraine, und wir wussten alle in diesem Land: Es wird noch eine Weile mit fossilen Energieträgern weitergehen müssen, weil wir es allein mit erneuerbaren Energien und weitaus viel zu wenigen Energiespeichern in diesem Land nicht schaffen werden.

(Zuruf des Abg. Karsten Hilse (AfD))

Das wussten die Menschen. Wir brauchen die Kohleverstromung bis 2038, um die Versorgungssicherheit zu garantieren. 

(Beifall bei der CDU/CSU - Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das können Sie garantieren?)

Erst mit der Einigung mit der EU zu den Beihilfen ist klar geworden, dass die Energieregionen 2038 aussteigen. Das ist auch das Ergebnis der heutigen Debatte; das hat Herr Kellner aus meiner Sicht heute wiedergegeben. Aber Sie haben es wieder infrage gestellt. 

(Jens Spahn (CDU/CSU): Alles wie immer! - Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe lediglich gefragt, ob Sie es garantieren können!)

Herr Kollege Walter, wie Sie vielleicht wissen, bin ich mit Ihrer Kollegin Wallstein als IGBCE-Mitglied Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der LEAG. Ich setze mich also für die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein, weil mir Arbeitsplätze in der Region und Perspektiven für die Menschen wichtig sind. Dabei erlebe ich aber eben auch aus nächster Nähe, wie es ist, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Ansprüche an die Geschäftsleitung stellen, die Geschäftsleitung aber gar nicht reagieren kann, weil sie gar nicht weiß, wie die politischen Rahmenbedingungen sind oder ob sie angesichts dieser Regierung morgen noch so gelten, wie sie heute sind. Diese Unklarheit müssen Sie aus der Welt schaffen. Das müssen Sie beenden. Das ist genau das Problem, weshalb es nicht richtig ist, immer wieder vom Kohleausstieg 2030 zu sprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Hannes Walter (SPD): Das machen wir doch nicht! Das machen Sie!) 

Zuverlässigkeit ist das Gebot der Stunde für die Menschen in den vom Strukturwandel betroffenen Energieregionen. Die Menschen stehen vor einer gravierenden Transformation, und genau diese Transformation schafft Unsicherheit. Wir müssen also zuverlässige Entscheidungen treffen und die Menschen vor Ort auf diesem Weg der Transformation ernst nehmen. Der Soziologe Kollmorgen von der Hochschule Zittau/Görlitz mahnt deshalb zu einer neuen Wahrhaftigkeit gegenüber gesellschaftlichen Problemlagen. Er diagnostiziert eine Eskalation von Problemen im Regierungshandeln, spricht von tiefgreifenden Enttäuschungen und nicht erfüllten Erwartungen sowie Versprechungen der Politik. Diese tiefgreifende Transformationsperiode stellt die Menschen und das demokratische System vor große Herausforderungen. Doch immer mehr Menschen haben den Eindruck, dass dies bei den politischen Entscheidungsträgern, bei den gewählten Eliten noch nicht angekommen ist. 

Menschen suchen also in diesen unsicheren Zeiten Orientierung. Liefern Sie von der Bundesregierung Sicherheit und Verlässlichkeit! Statt Diskussionen über einen früheren Ausstieg zu führen, sollte die Bundesregierung den Rahmen schaffen, damit wir den drohenden Wassermangel und die Fachkräftesituation in den Griff bekommen. 

Vizepräsidentin Petra Pau:

Herr Kollege Rohwer, ich habe die Uhr angehalten. Darf die Kollegin Wallstein eine Frage stellen oder eine Bemerkung machen? 

Lars Rohwer (CDU/CSU): 

Gerne.

Maja Wallstein (SPD): 

Vielen Dank, hochgeschätzter Kollege Rohwer, lieber Lars, dass du die Zwischenfrage zulässt und mir die Möglichkeit eröffnest, dich zu fragen: Bist du bereit - zusammen mit der aktuellen Regierung, zusammen mit den Akteurinnen und Akteuren in den ostdeutschen Revieren, insbesondere in der Lausitz -, den Strukturwandel zu gestalten? Glaubst du, dass uns diese Strukturentwicklung gelingt? Glaubst du, dass die Strukturentwicklung, wenn wir gemeinsam Zuversicht verbreiten - denn es ist ja nicht so, dass wir nichts machen; auch gemeinsam machen wir sehr viel auf Landesebene, aber auch hier auf Bundesebene -, in den ostdeutschen Revieren eine Chance hat? Und glaubst du, dass es vielleicht auch eine gute Idee wäre, wenn wir das gemeinsam - auch mit Blick auf andere hier im Haus - nach außen tragen und kommunizieren, um Sicherheit gerade bei uns in den Regionen zu verbreiten? 

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Lars Rohwer (CDU/CSU): 

Vielen Dank, liebe Maja Wallstein, für diese Frage. - Ich denke, dass genau das das Thema ist, was ich versuche gerade mit den Hinweisen, die uns Herr Kollmorgen gibt, zu transportieren. Wir müssen aufhören, uns ständig gegenseitig Vorwürfe zu machen und auf Nebenkriegsschauplätzen unterwegs zu sein. Vielmehr müssen wir die Probleme in diesem Land lösen. Wenn wir das nicht schaffen, dann werden die Ränder rechts und links, deren Redner nichts zu diesem Thema beigetragen und über andere Themen gesprochen haben, wenn sie hier am Rednerpult standen,

(Widerspruch der Abg. Karsten Hilse (AfD) und Dr. Petra Sitte (Die Linke))

weiter stark werden. Nur wenn wir das gemeinsam anpacken, werden wir das auch hinbekommen. 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich wollte noch mal ganz kurz auf den Gleichwertigkeitsbericht 2024 eingehen, den die Bundesregierung gerade vorgestellt hat. „Die Fachkräfteengpässe werden immer stärker zur Herausforderung werden“, steht da. Genau da würde ja ein Evaluationsbericht helfen. Ein solcher liegt aber leider nicht vor, liebe Bundesregierung.

Beenden wir die Debatte über Nebenkriegsschauplätze! Liefern Sie endlich Sicherheit und Verlässlichkeit. Kündigen Sie nur an, was Sie auch wirklich umsetzen können, damit Vertrauen entsteht. Dann finden die Menschen auch wieder Anknüpfungspunkte in der Berliner Politik. 

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. 

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Paula Piechotta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hoffen wir, dass der sächsische Ministerpräsident sich auch an Ihre Ratschläge hält!)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Kollege Johannes Arlt für die SPD-Fraktion. 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Johannes Arlt (SPD): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Wir nähern uns dem 35. Jahr der Wiedervereinigung. Ostdeutschland - das habe ich als Kind miterlebt - hat in den 1990er-Jahren starke Umwälzungen erlebt. Die sahen aber doch regional sehr unterschiedlich aus: in Mecklenburg-Vorpommern anders als in den Braunkohleregionen. Aber es zeichnet sich heute doch mehr und mehr ab: Wir werden keine komplette Angleichung zwischen Ost und West erleben. 

Wenn ich gute Antworten auf Fragen produzieren will, muss ich doch erst mal die richtigen Fragen stellen. Wenn ich also nicht präzise frage, erhalte ich unzureichende Antworten oder eben auch unzureichende Anträge. Was wäre jetzt die richtige Frage? Gerade wenn wir über erfolgreichen ostdeutschen Strukturwandel sprechen, dann müssen wir doch zuerst mal nach den Eigenheiten der Wirtschaftsstruktur in Ostdeutschland fragen: Welche Unterschiede haben sich verfestigt? Heißt Strukturwandel nur Abschied von der Kohle? Als Mecklenburger sage ich natürlich: Nein.

(Karsten Hilse (AfD): Sie haben ja keine Kohle!)

Dies ist die Voraussetzung dafür, dass wir passgenaue Lösungen für einen erfolgreichen Strukturwandel finden. 

Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, enthält ja durchaus gute Anregungen.

(Zuruf des Abg. Mario Czaja (CDU/CSU))

Aber Sie verkennen wichtige Eigenheiten und kommen somit nicht zu vollständig passenden Lösungen; das hat auch die bisherige Debatte gezeigt. Deshalb finde ich es wichtig, noch mal herauszuzoomen und die Eigenheiten zu erfassen. Was wären denn diese? 

Zum Ersten haben wir einen verschärften Stadt-Land-Gegensatz. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass die ostdeutsche Wirtschaftsstruktur im Wesentlichen von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt ist. In meinem Wahlkreis zum Beispiel haben 88 Prozent der Unternehmen weniger als neun Mitarbeitende. Eine Folge davon ist unter anderem ein niedriges Lohnniveau. 

Zweitens haben wir sehr attraktive Standortfaktoren. Wir haben eine bessere Kinderbetreuung,

(Beifall der Abg. Franziska Mascheck (SPD))

wir haben Platz - was andere Bundesländer nicht mehr haben -, wir haben erneuerbare Energien, geringere Baulandpreise und transformationserfahrene Fachkräfte. 

Meine Damen und Herren, der Stadt-Land-Gegensatz fällt in Ostdeutschland besonders stark aus. Der Soziologe Steffen Mau spricht gar davon, dass er eine zentrale politische Spaltungslinie zu werden droht. Der am Mittwoch veröffentlichte Gleichwertigkeitsbericht - der Kollege Rohwer hat darauf hingewiesen - unterstreicht das auch, und die wirtschaftliche Lage in Ostdeutschland wird als schlecht eingeschätzt. Ausnahmen bilden Großstädte wie Magdeburg oder Dresden. Warum? Ein Grund ist, dass sich dort internationale Großunternehmen wie TSMC angesiedelt haben. Andererseits ist in den ländlichen Regionen der untere Lohnbereich leider immer noch weit verbreitet, und es besteht sogar die Angst - das stelle ich fest, wenn ich mit den Menschen in meinem Wahlkreis rede -, dass höhere Löhne wieder zu mehr Arbeitslosigkeit führen.

Der Gleichwertigkeitsbericht gibt aber auch Anlass zur Hoffnung; denn gerade in den ländlichen Regionen Ostdeutschlands wächst das BIP stärker als in Gesamtdeutschland. Woran liegt das? Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung führt dies unter anderem auf die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro zurück. Das zeigt einmal mehr: Es war richtig und notwendig, dass wir den Mindestlohn erhöht haben. Wir haben gehandelt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Allein in meinem Wahlkreis ist das für ein Drittel aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine riesige Lohnerhöhung. Aber die Löhne sind immer noch zu niedrig, und ich bin dem Bundeskanzler sehr dankbar dafür, dass er sich für eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro ausgesprochen hat. Ich hoffe, dass wir diesen Weg gehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Denn so schaffen wir mehr Respekt vor der arbeitenden Bevölkerung, so sorgen wir für eine gute Rente, von der man leben kann, und so bekämpfen wir auch die Spaltung zwischen Stadt und Land.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Eigenheiten des Ostens sind zugleich attraktive Standortbedingungen. Der Gleichwertigkeitsbericht unterstreicht, dass die Kinderbetreuung im Osten flächendeckend besser ist. Er unterstreicht, dass es hier keinen Gender-Pay-Gap gibt, dass die Grundstückspreise niedriger sind, dass die Wohnungsnot geringer ist und dass es mehr Fernwärmenetze und erneuerbaren Energien gibt. 

Zurück zum Strukturwandel. Zoomen wir wieder die richtigen Fragen heran, auf die es eine Antwort braucht. Wenn wir die „Erfolgsgeschichte Strukturwandel weiterschreiben“ wollen, liebe Union, wie es in Ihrem Antrag heißt, müssen wir die Eigenheiten des Ostens kennen. Wir müssen das niedrige Lohnniveau bekämpfen. Wir müssen der Spaltung zwischen Stadt und Land entgegenwirken. Wir müssen die Abwanderung bekämpfen. Dadurch sorgen wir dafür, dass die Standortvorteile ihre volle Wirkung entfalten. In einem Satz - mit einem kleinen Augenzwinkern -: Zuerst die richtigen Fragen stellen, dann die Anträge; nicht erst die Anträge stellen und dann die richtigen Fragen von der SPD geliefert bekommen. 

Vielen Dank und schönen Sommer.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau: 

Ich schließe die Aussprache. 

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 20/12102 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere Überweisungsvorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir wie vorgeschlagen.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Fairen Strukturwandel in den ostdeutschen Kohleregionen ermöglichen - Verunsicherungen beenden“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 20/12056, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 20/9141 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der AfD-Fraktion gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der Gruppe Die Linke angenommen. 

 

Der folgende Berichtsteil – und damit der gesamte Stenografische Bericht der 
182. Sitzung – wird am

Montag, den 08.07.2024

auf der Website des Bundestages unter „Dokumente“, „Protokolle“, „Endgültige Plenarprotokolle“ veröffentlicht.

 

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