Floris M. Neusüss
,,Ferner Zeiten Schatten„
Fotogramme, digital überarbeitet auf Fotopapier, 2012 Cafeteria, Plenarsaalebene
An der Fassade der vier Ecktürme des Reichstagsgebäudes stehen über dem umlaufenden Gesims auf Sockeln jeweils vier Skulpturen. Die insgesamt sechzehn Figuren sind Allegorien, die Aspekte des Staatswesens sowie Industrie- und Berufszweige personifizieren. Floris M. Neusüss zeigt von acht dieser Allegorien die Köpfe im Profil als Fotogramme (Direktbelichtungen ohne Kamera auf Fotopapier, digital bearbeitet und ausgedruckt), und zwar von links nach rechts:
- Kunst (Nord-Ost-Turm),
- Unterricht (Nord-Ost-Turm),
- Klein- und Hausindustrie (Nord-West-Turm),
- Großindustrie (Nord-West-Turm),
- Weinbau (Süd-West-Turm),
- Ackerbau (Süd-West-Turm),
- Rechtspflege (Süd-Ost-Turm) und
- Wehrkraft zu Land (Süd-Ost-Turm).
Der Künstler
Floris Neusüss (geboren 1937 in Remscheid-Lennep, gestorben 2020 in Kassel) ist einer der Hauptvertreter der experimentellen Fotografie in Deutschland. Den Schwerpunkt seiner Gestaltungen bildet das Fotogramm mit all seinen Spielarten. Ein Fotogramm entsteht ohne Kamera: Der Gegenstand wird zwischen Lichtquelle und Fotopapier gebracht und wirft direkt einen Schattenriss auf das Fotopapier, und zwar als Negativ-Bild: Der Schatten wird weiß abgebildet, da das Fotopapier an dieser Stelle nicht oder wenig belichtet wird, der Hintergrund hingegen wird stark belichtet und infolgedessen schwarz. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts haben Künstler wie Christian Schad, Man Ray oder László Moholy-Nagy mit dieser Technik experimentiert und sie weiterentwickelt. In der Gegenwart ist Floris Neusüss ihr bedeutendster Vertreter: Er begründete mit dem “Fotoforum Kassel„ eine “Zweite Avantgarde„ und lehrte an der Kunsthochschule Kassel experimentelle Fotografie. (akae)