François Morellet
Geboren am 30. April 1926 in Cholet, Frankreich, gestorben am 11. Mai 2016 in seinem Geburtsort.
Haute et basse tension, 1999/2001, vier farbige Neonlichtbänder und eine schwarz-weiße Neoninstallation in den Hallen von Paul-Löbe- und Marie-Elisabeth-Lüders-Haus
Im Alter von 90 Jahren ist François Morellet, einer der wichtigsten Vertreter der Konkreten Kunst der Gegenwart, in Cholet verstorben. Er hat neben seinen freien Arbeiten auch Kunstinstallationen für zahlreiche Gebäude geschaffen – für den Louvre in Paris oder die Französische Botschaft in Berlin. In Deutschland erfreut er sich großer Wertschätzung und konnte zahlreiche Skulpturen und Neoninstallationen realisieren, so in Berlin die Installation „Light Blue“ aus blauen Argonröhren im Atrium des Debis-Gebäudes am Potsdamer Platz oder die „Wandelbare Wand“ im Allianz-Forum am Potsdamer Platz.
In den Gebäuden des Deutschen Bundestages ist er mit einem raumgreifenden, gleich zwei Häuser bespielenden Kunstwerk vertreten, der Neoninstallation „Haute et basse tension“. Nähert man sich dem Paul-Löbe-Haus vom Bundeskanzleramt her, erkennt man hinter der durchgehenden Glasfassade bereits von außen die farbigen Neonlichtbänder. Beginnend mit einem straff gespannten, rot leuchtenden Neonlichtband, leiten von der Decke durchhängende weitere Neonlichtbänder in den Farben Gelb, Grün und Blau von West nach Ost durch die Halle. Sie setzen der klaren und strengen Gliederung der Halle ihren eigenen fröhlich-bewegten Rhythmus entgegen. Diese Gestaltung setzt sich deutlich zurückhaltender im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus fort mit einem einzelnen weißen Neonelement, das von einem schwarzen Band gehalten wird. Durch die Abfolge der Neonlichtbänder von West nach Ost, von straffer Spannung zu einer immer weiter durchhängenden Hyperbelform, geben diese der gleichförmigen Halle eine Richtung. Zudem setzen sie als nach oben hin offene Hyperbeln den geschlossenen Grundformen von Kreis und Quadrat ihre jeweils unterschiedlichen Formen entgegen. Geschickt unterläuft Morellet mit der für ihn charakteristischen hintergründigen Ironie das minimalistisch reduzierte Formkonzept des Architekten Stephan Braunfels. Er setzt dem grauem Sichtbeton und dem strengen Rhythmus elementargeometrischer Formen sein subtiles, am Tage kaum sichtbares Lichtspiel entgegen: Erst zum Abend hin tritt es immer stärker hervor und scheint dann auch das gegenüberliegende Kanzleramt zu illuminieren. So wendet Morellet die strenge symmetrische Geschlossenheit der Halle ins Heitere und Verspielte. Die Neonlichtbänder ziehen immateriell wirkende Linien als reine Lichterscheinungen durch den großen Hallenraum – gleichermaßen asketisch-vergeistigte Zeichen und schmückende Girlanden.
In diesem Sinne verkörpert Morellets Beitrag zum Kunstprogramm im deutschen Parlament jene Verbindung von Klarheit und Eleganz, die in der täglichen politischen Auseinandersetzung zu geistig konzentrierter Arbeit anregt und zugleich bei besonderen Ereignissen, wie beim Besuch der Assemblée Nationale im Bundestag am 22. Januar 2013, zu heiterer Festlichkeit einlädt. (akae)