Die Revolution von 1848/49
Von Frankreich ausgehend erschütterten ab Frühjahr 1848 revolutionäre Unruhen weite Teile des europäischen Kontinents. Zentrale Anliegen der Aufstands bewegungen waren die Schaffung von Nationalstaaten sowie die Veränderung der dynastischen Herrschaftssysteme und der sozialen Ordnung. Ende Februar 1848 erreichte die Revolution Deutschland. Vielerorts kam es zu Volksversammlungen, auf denen unterschiedliche politische, wirtschaftliche und soziale Forderungen gestellt wurden.
Die Bevölkerungsmehrheit in den deutschen Staaten unterstützte die von liberaler und demokratischer Seite erhobenen „Märzforderungen“: Sie umfassten neben Presse, Vereins und Versammlungsfreiheit unter anderem auch die Einberufung eines „deutschen Parlamentes“. Unter dem Druck der Ereignisse machten die Monarchen Zugeständnisse im liberalen Sinne und gaben konstitutionelle Versprechungen. Die Einsetzungen reformwilliger Ministerien in den deutschen Staaten sollten die revolutionären Bestrebungen eindämmen.
Nationale Einheit und Freiheit waren die Hauptforderungen der Revolution von 1848/49. Symbolisiert wurde der Wunsch nach einem freiheitlich verfassten Nationalstaat durch die Farben der deutschen Nationalbewegung „Schwarz-Rot-Gold “. Nach blutigen Barrikadenkämpfen in Berlin erklärte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. am 21. März 1848: „Preußen geht fortan in Deutschland auf“. Damit schien der Weg für die Verwirklichung eines Nationalstaates frei zu sein.
Um ein geeintes Staatswesen zu formen, tagte ab dem 18. Mai 1848 die erste frei gewählte deutsche Volksvertretung in der Frankfurter Paulskirche.
Die Nationalversammlung und die Grundrechte des deutschen Volkes
„Wir sollen schaffen eine Verfassung für Deutschland, für das gesamte Reich. Der Beruf und die Vollmacht zu dieser Schaffung, sie liegen in der Souveränität der Nation.“ Mit diesen Worten fasste der Präsident der Nationalversammlung, Heinrich von Gagern, die weitreichenden Erwartungen an die 585 Abgeordneten in der Paulskirche zusammen. Gewählt worden waren die Parlamentarier von ökonomisch unabhängigen Männern nach unterschiedlichen Wahlverfahren in den Einzelstaaten. Rund 75 Prozent der männlichen Deutschen waren wahlberechtigt. Frauen besaßen weder aktives noch passives Wahlrecht.
Nach Zusammentritt der Nationalversammlung formierte sich die Mehrheit der Abgeordneten zu politischen Gruppierungen. Konservative wollten die Rechte der Monarchie gewahrt sehen. Als gemäßigte Liberale befürworteten die meisten Abgeordneten eine konstitutionelle Monarchie mit eingeschränktem Wahlrecht. Demgegenüber forderte die Mehrheit der Demokraten eine parlamentarische Republik.
Auf fraktionsübergreifende Zustimmung stieß der im Dezember 1848 von der Nationalversammlung verabschiedete Grundrechtskatalog. Er sollte das rechtsstaatliche und freiheitliche Fundament des neuen Nationalstaates bilden: Gleichheit vor dem Gesetz, Presse, Meinungs, Versammlungs und Glaubensfreiheit, Unverletzlichkeit der Person und des Eigentums sowie der Schutz vor staatlicher Willkür sollten gewährleistet werden. Die individuelle und staatsbürgerliche Freiheit garantierenden Grundrechte wurden Bestandteil der am 27. März 1849 von der Nationalversammlung verabschiedeten „Verfassung des Deutschen Reiches“.
Die Reichsverfassung vom 28. März 1849
Die Abgeordneten der Paulskirche hatten auch die Aufgabe, die Grenzen eines künftigen deutschen Nationalstaates zu bestimmen. Die Befürworter der „großdeutschen Lösung“ forderten die Einbindung Deutsch-Österreichs in das zu gründende Reich, die nichtdeutschen Länder der Habsburger-Monarchie sollten jedoch ausgeschlossen werden. Der österreichische Vielvölkerstaat beharrte aber auf seiner staatsrechtlichen Einheit. Auch deshalb entschieden die Anhänger einer „kleindeutschen Lösung“ den Konflikt für sich.
Die „Verfassung des Deutschen Reiches“ sah einen Nationalstaat auf Basis einer konstitutionellen Erbmonarchie vor. An der Spitze des Bundesstaates sollte ein Kaiser stehen. Ein demokratisch gewähltes Volkshaus und ein föderativ strukturiertes Staatenhaus sollten gemeinsam den Reichstag bilden.
Am 28. März 1849 wählten die Abgeordneten mit knapper Mehrheit König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen zum „Kaiser der Deutschen“. Mit ihrer Verkündung war die Verfassung aus Sicht der Nationalversammlung rechtsgültig. Dreißig Regierungen und die große Mehrheit der Volksvertretungen erklärten ihre Zustimmung. Friedrich Wilhelm IV. lehnte die ihm angebotene Kaiserkrone jedoch ab, da ihr der „Ludergeruch der Revolution“ anhafte. Zugleich erkannten vor allem die größeren Staaten Österreich, Preußen, Bayern, Hannover und Sachsen die „revolutionäre“ Reichsverfassung nicht an.
Der Versuch, einen konstitutionell verfassten Nationalstaat auf parlamentarischem Weg zu gründen, war damit gescheitert. Radikaldemokratische Kräfte versuchten daraufhin, die Reichsverfassung auch mit den Mitteln des bewaffneten Kampfes durchzusetzen. Die militärische Niederschlagung der „Reichsverfassungskampagne“ im Juli 1849 besiegelte das Ende der Revolution in Deutschland. Zahlreiche Revolutionäre, unter ihnen Parlamentarier der Paulskirche, flohen vor politischer Verfolgung ins Ausland.
Die Paulskirchenverfassung blieb ein wichtiges Vorbild für spätere deutsche Verfassungen.