Besuch

Zipora Rafaelov

Michal, Papierschnitt, 2018

Das Werk der aus Israel stammenden Künstlerin Zipora Rafaelov (geb. 1954 in Be’er Scheva) ist den komplexen Raumwirkungen zweidimensionaler Objekte und ihrer räumlichen Wirkung gewidmet. Gleich, ob es sich dabei um raumgreifende Installationen oder Papierschnitte handelt, immer ist in ihren Arbeiten ein Verwandlungsprozess intendiert, der zweidimensionale Strukturen, also Linien, Bögen, Kreise, Punkte, in dreidimensionale Objekte mit räumlicher Tiefenwirkung verwandelt. Bei Papierschnitten wie dem, der für die Ausstellung 100 Jahre Frauenwahlrecht entstand, zeichnet sie zunächst eng verwobene,  einander überschneidende Strukturen in schwarz auf ein Pergamentblatt, die dann mit dem Skalpell herausgeschnitten werden. Der so entstehende Papierschnitt verändert sich im Laufe des Prozesses durch Hinzugaben oder Weglassungen gegenüber der ursprünglichen Zeichnung. Vollständig wird das Werk aber erst in einem dritten Arbeitsschritt, wenn die geschnittenen Linien durch ihren Schattenwurf, der durch eine unplane Montage entsteht, zum Relief werden.

Licht und Schatten sind die zentralen Gestaltungselemente im Werk Zipora Rafaelovs. Erst sie ermöglichen das Entstehen dreidimensional figurativer Formen, die durch den Schattenwurf zu virtuellen Skulpturen werden und wie Schattenspiele dazu einladen, Geschichten hinter den auftauchenden Figuren zu vermuten. Diese „Geschichten“ aber sind in Rafaelovs Werk unmittelbar an Frauenfiguren geknüpft, die sich oft erst langsam und auf den zweiten Blick aus den zunächst abstrakt wirkenden Strukturen herausschälen. Sie selbst versteht ihre Frauenfiguren als Prototypen „von Eva, der urtypischen Frau aus dem Alten Testament, die unser Frauenbild bis heute prägt. Jede Frau heute ist eine Nachfolgerin von Eva und trägt sie selbst in sich und damit alle Fragen nach Rollenzuschreibungen und Selbstbestimmung.“

Die vorliegende Arbeit ist der alttestamentarischen Michal gewidmet, Tochter von König Saul und erste Ehefrau von David, jenem Schafhirten, der den Riesen Goliath besiegt und nun durch Heirat zum Nachfolger Sauls bestimmt wird. Die Geschichte Davids ist eine Erzählung über Liebe, die sich in Hass verwandelt und über Macht, die ohne Moral zu Gewalt führt. Zipora 
Rafaleov setzt sie nicht in Szene, sondern schafft einen formenreichen Assoziationsraum, in der ein in viele Richtungen deutbares Bild für die Verwirrungen einer großen Geschichte der Menschheit steht. Die einzig sichtbare Person ist eine Frauenfigur, die in verschiedenen Varianten, oft nur angedeuteten Details den Bildraum bestimmt und dem Betrachter konkrete Anknüpfungspunkte für die zugrundeliegende Überlieferung gibt. Zipora Rafaelov wünscht sich, dass sie im Spiel von Licht und Schatten selbst zu einer Geschichte verknüpft, die dann all jene Erfahrungen in sich trägt, die die Betrachtenden selbst mitbringen.

Zipora Rafaelov studierte von 1973 bis 1975 Journalistik und Ökonomie an der Universität Tel Aviv. Anschließend folgte ein Abendstudium am Institut für Schöne Künste Bat Jam (Israel). Sie setzte ihr Studium an der Kunstakademie Düsseldorf von 1981 bis 1987 fort und wurde dort 1986 Meisterschülerin. Sie erhielt ein Stipendium der Hedwig und Robert Samuel Stiftung Düsseldorf und den Rheinischen Kunstpreis (2014). Sie lebt und arbeitet in Düsseldorf und Tel Aviv. (kvo)