Anhörung zur Nationalen Hafenstrategie
Zeit:
Montag, 8. April 2024,
13.15
bis 15.15 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.800
Um die deutschen See- und Binnenhäfen wettbewerbsfähig und zukunftstauglich zu machen, braucht es ein stärkeres finanzielles Engagement des Bundes. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses am Montag, 8. April 2024, zu einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Nationale Hafenstrategie fertigstellen – Finanzierung verbindlich zusagen“ (20/10385) deutlich. Thema war auch die inzwischen vorliegende „Nationale Hafenstrategie der Bundesregierung für die See- und Binnenhäfen“ (20/10900), die grundsätzlich positiv bewertet wurde. Allerdings, so bemängelten mehrere Sachverständige, würden die darin vorgesehenen Maßnahmen nicht mit zusätzlichen finanziellen Mitteln unterlegt.
„Wir müssen überall baggern und ausbauen“
Alexander Geisler, Geschäftsführer beim Zentralverband Deutscher Schiffsmakler, sprach von einem gewaltigen Investitionsvolumen, welches es zu stemmen gelte. Die eingesetzten Schiffe würden immer größer, was im Sinne der Nachhaltigkeit zu begrüßen sei. Mehr als die Hälfte der eingesparten Emissionen seien in den vergangenen zehn Jahren auf den Einsatz größerer Einheiten zurückzuführen gewesen.
Da Deutschland aber keinen natürlichen Tiefseehafen habe, bedeute das: „Wir müssen überall baggern und ausbauen.“ Eine konkrete benötigte Geldsumme wollte Geisler nicht nennen. Schaue man aber in die USA, so sei festzustellen, dass die Biden-Administration allein drei Milliarden Dollar für neue Kaianlagen im Hafen Baltimore zur Verfügung stellen wolle, sagte er.
Verlässliche Zusagen für Investitionen vermisst
Eine Bundesunterstützung von 38 Millionen Euro pro Jahr reiche nicht aus, befand Daniel Hosseus, Hauptgeschäftsführer beim Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe. Neben der Wirtschaftsförderung für die Regionen gehe es bei den Seehäfen um das Gelingen der Energiewende, die Versorgungssicherheit und die Verteidigungsfähigkeit des Landes.
Bei aller Zustimmung zur strategischen Ausrichtung sei die Nationale Hafenstrategie für die Hafenwirtschaft in Deutschland jedoch auch eine große Enttäuschung, sagte Hosseus. Es fehlten verlässliche Zusagen für Investitionen in den Erhalt, den Ausbau und die Transformation von Häfen und Verkehrsinfrastrukturen.
Hafenausbau in Cuxhaven
Die Bedeutung des Hafenausbaus in Cuxhaven betonte Michael de Reese, Sprecher der „Arbeitsgemeinschaft Niedersächsische Seehäfen“. In Cuxhaven sei vor sechs Jahren ein Planfeststellungsbeschluss erwirkt worden. Daher sei Cuxhaven der einzige Standort, „der überhaupt losbauen kann, um in der erforderlichen Zeit Flächen zu generieren“. Bleibe aber der Ausbau in Cuxhaven aus, würden 45 Prozent des beschlossenen Offshore-Ausbaus „schlicht und ergreifend nicht stattfinden“.
De Reese forderte, die Seehafenhinterlandanbindungen bedarfsgerecht auszubauen und zu erhalten. Handlungsbedarf gebe es auch in Sachen Fahrrinnenanpassungen. Der bedarfsgerechte Ausbau- und Erhalt der seewärtigen Zufahrten von Außenems sowie der Außen- und Unterweser müsse zügig umgesetzt werden.
Wettbewerbsbedingungen für Binnenhäfen
Marcel Lohbeck, Geschäftsführer des Bundesverbandes Öffentliche Binnenhäfen, begrüßte, dass die Hafenstrategie ausdrücklich auch die Binnenhäfen nenne. Sie umfasse diverse Maßnahmen, die aus Sicht des Bundesverbandes geeignet sind, „die wettbewerblichen Rahmenbedingungen der Binnenhäfen zu verbessern“.
Außerdem gebe es vielversprechende Ansätze, die Hinterlandanbindungen der Häfen beschleunigt zu modernisieren. Insbesondere die Schienenanbindung an die Westhäfen gelte es zu stärken. Zentrale Schwachstelle der Hafenstrategie sei jedoch die Frage der Finanzierung.
Qualifizierungsoffensive für Beschäftigte
Aus Sicht der Gewerkschaften müssen Bundeshilfen auch mit Auflagen zum Schutz von Arbeitsplätzen gekoppelt sein. Malte Klingforth, Vorsitzender des Verdi Landesbezirksfachvorstand Maritime Wirtschaft Hamburg, kritisierte, der noch in der Hafenstrategie von 2015 zu findende „richtige Ansatz“, dass die Beschäftigten zu qualifizieren und mitzunehmen seien, „damit sie an Bord bleiben können“, habe sich geändert. Es gehe nun darum, Infrastrukturen zu schaffen, „damit von außen Qualifizierung ermöglicht wird“. Sinnvoller sei es, Arbeit in den Häfen zu halten.
Die anstehende Digitalisierung, so Maya Schwiegershausen-Güth von der Bundesfachgruppenleitung Luftverkehr & Maritime Wirtschaft bei Verdi, fordere eine Qualifizierungsoffensive, „um die Beschäftigungswirkung der Transformation nach Möglichkeit positiv zu gestalten“. Billigkonkurrenz müsse durch starke Vorschriften vermieden werden. Die Wettbewerbsfähigkeit der Häfen dürfe nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Investitionen von Steuergeldern müssten auch einen Mehrwert für Steuerzahler, „nämlich tariflich abgesicherte Arbeitsplätze“, bringen, sagte sie. Eine ökologische Transformation in der Schifffahrt zu fördern sei völlig in Ordnung, wenn sie sozial sei, so Schwiegershausen-Güth. Geförderte Unternehmen müssten also unter deutscher Flagge fahren und beispielsweise Arbeitsplätze für deutsche Seeleute schaffen.
Nachhaltige Ausrichtung
Jessica Wegener, Geschäftsführerin des Vereins Maritimes Cluster Norddeutschland, lobte die nachhaltige Ausrichtung der Hafenstrategie. Die Nachhaltigkeit müsse nun aber auch bei der Umsetzung berücksichtigt werden, um ökologischen Zielkonflikten frühzeitig zu begegnen, fügte sie hinzu. Sehr wichtig sei die Entwicklung der Häfen zu Energy-Hubs. Hier sei es wichtig, die Umnutzung zu priorisieren, „bevor man Flächen neu in Anspruch nimmt“.
Wegener sprach sich explizit gegen eine Vereinfachung der Genehmigungsverfahren „zu Lasten der Umwelt“ aus. Die Prozesse sollten beschleunigt, anstatt zu stark vereinfacht werden.
Maritimer Nachwuchs
Der ehemalige Hochsee-Kapitän Klaus Mewes forderte mehr Engagement bei der Gewinnung des maritimen Nachwuchses. Deutschland sei keine Schifffahrtsnation, sagte er. Traditionell nehme die deutsche Bevölkerung kaum Notiz von der Flotte und der Notwendigkeit, überhaupt Schiffe zu betreiben.
Um junge Leute für maritime Berufe zu begeistern, müsse das Berufsbild interessant und technisch anspruchsvoll dargestellt werden. Dazu brauche es Flottenbesuche bei Marine, Behördenfahrzeugen und der Handelsschifffahrt, den Besuch von Lotsenstation sowie Mitfahrten als „Ferienpraktikant“ bei anerkannten deutschen Reedereien, „auf ordentlich geführten Schiffen mit motiviertem Personal“, sagte Mewes. (hau/08.04.2024)