Bürgerschaftliches Engagement

Ehrenamtliches Enga­gement von Seniorin­nen und Senioren

Zeit: Mittwoch, 16. Oktober 2024, 16.30 bis 18.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.800

Auf die große Vielfalt des ehrenamtlichen Engagements von Seniorinnen und Senioren in Deutschland wiesen die Sachverständigen im Fachgespräch des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement zum Thema „Seniorinnen und Senioren vor Ort“ hin, das am Mittwoch, 16. Oktober 2024, stattfand. Seniorinnen und Senioren seien im Vergleich zur Gesamtgesellschaft überdurchschnittlich in Ehrenämtern aktiv, wo sie ihre vielfältigen Kenntnisse für das Gemeinwesen einsetzen. Die Sachverständigen mahnten gleichzeitig an, die Rahmenbedingungen in diesen Bereich des freiwilligen Engagements weiter zu verbessern.

Engagement- und Beratungsmöglichkeiten

Über die Engagement- und Beratungsmöglichkeiten älterer Menschen in der Stadt Essen sprach Henrik Rathmann, Pressesprecher der Ehrenamt Agentur Essen e.V. Mit den „Zentren 60 plus“ habe man in allen Stadtbezirken Anlaufstellen für über 60-Jährige und ihre Angehörigen geschaffen. Auf der Webseite des Vereins könnten Interessierte in einem „Onlineshop“ das richtige Ehrenamt für sich finden. Die von den Älteren bevorzugt gewählten Einsatzbereiche seien Angebote für Kinder und Jugendliche, wie Nachhilfe oder Vorlesen, mit der die Seniorinnen und Senioren ihre Solidarität mit der jungen Generation ausdrücken und etwas von ihren Kompetenzen weitergeben wollten. Aber auch Hilfe für Obdachlose oder der Klimaschutz gehören nach den Beobachtungen der Ehrenamt Agentur Essen zu den beliebten Ehrenamtsfeldern, während die Unterstützung Gleichaltriger eher als belastend empfunden werde. Hauptmotivation für ein ehrenamtliches Engagement im Alter sei die Sinnsuche und das Bedürfnis neue Kontakte zu knüpfen.

Rathmann wies darauf hin, wie sehr Altersarmut, Krankheit oder fehlende Zeit, etwa, weil man sich um eigene Angehörige kümmern müsste, ein freiwilliges Engagement für andere ausbremsen könnten. Er appellierte an die Politik, über neue, „hybride“ Formen des Ehrenamtes nachzudenken, angesiedelt „zwischen Ehrenamt und Minijob“, mit einer Vergütung, um weitere Zielgruppen für diese gesellschaftlich bedeutsame und individuell singstiftende Tätigkeit zu gewinnen.

„Seniorenbüros“ in Deutschland

Als „lokale Anlaufstellen rund ums Alter“ verstünden sich auch die 500 „Seniorenbüros“ in Deutschland, von denen ihre Organisation rund die Hälfte vertrete, sagte Caroline Kuhl, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros e.V. Die Kompetenzen der älteren Menschen und die Unterstützung eines selbstbestimmten Lebens im Alter stünden für die Seniorenbüros im Mittelpunkt. Eine wichtige Aufgabe sei dabei die Förderung und Unterstützung des freiwilligen, zivilgesellschaftlichen Engagements der Älteren. Das Engagement der Älteren sei „vielfältig und oftmals generationsübergreifend ausgerichtet“, sagte Kuhl. Leider fehle es den zu 70 Prozent kommunal getragenen und zu 30 Prozent in freier Trägerschaft befindlichen Einrichtungen vielerorts an ausreichenden finanziellen und personellen Ressourcen. Obwohl man von einigen Bundesprogrammen Zuwendungen erhalte, gebe es keine bundesweite Förderung der Seniorenbüros.

Engagementquote der Älteren

Während insgesamt die Engagementquote der Älteren laut dem jüngsten Freiwilligensurvey 2024 in den letzten fünf Jahren stabil geblieben sei, engagiere sich die Altersgruppe der „jungen Alten“, zwischen 65 und 75 Jahren, im Vergleich zur Gesamtbevölkerung besonders stark, ergänzte Erik Rahn, Projektleiter der Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros e.V. Aber sogar bei der Altersgruppe Ü80 sei das Engagement noch als hoch zu bezeichnen. Insgesamt trügen Ältere mit ihrem bürgerschaftlichen Engagement in hohem Maße zum sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft bei. „Ihr freiwilliger Einsatz ist sogar zeitlich umfangreicher und langfristiger als der anderer Altersgruppen“, sagte Rahn. Dieses allgemeine Bild bestätige sich auch bei den Seniorenbüros.

Es komme jetzt darauf an, Zielgruppen, die bislang unterrepräsentiert seien, wie Menschen mit Migrationshintergrund, Personen mit geringem Einkommen oder niedrigen Bildungsabschlüssen, gegebenenfalls mit maßgeschneiderten Angeboten, zu gewinnen. Zu den ehrenamtliches Engagement hemmenden Faktoren zählten neben dem Alter und gesundheitlichen Einschränkungen soziale Isolation und Einsamkeit. Hoffnung ruhe künftig auf der großen Alterskohorte der nun in den Ruhestand vorrückenden Generation der „Babyboomer“, deren Bindung an Vereine und traditionelle Organisationen allerdings nachgelassen habe. Dieser neuen Gruppe von Senioren würden wohl eher zeitlich begrenzten Projkete zusagen, die sich klar an den Interessen der Engagierten orientieren und Raum für eigene Ideen und Mitbestimmung geben.

Austausch per Telefon

Vor allem diejenigen Älteren, die immobil sind, gehörten zur typischen Zielgruppe des Telefonangebots ihres Vereins, berichtete Elke Schilling, Initiatorin und 1. Vorstandsvorsitzende von Silbernetz e.V., der sich mit Gesprächsangeboten per Telefon an Menschen über 60 wendet. Viele Ältere würden beispielsweise die an Senioren gerichteten Angebote an ihrem Wohnort nicht kennen. Darüber informiere man diese dann über die Hotline. Mit dem „Silbertelefon“, würden zudem neue Freundschaften gestiftet. Menschen, die nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben gesellschaftlich den Anschluss verloren hätten, sehnten sich nach einem vertrauten Austausch per Telefon, einem regelmäßigen Anruf in der Woche. Die Senioren bildeten keinesfalls eine einheitliche Gruppe. Am Telefon erfahre sie den ganzen Facettenreichtum des Älterwerdens. 25-Jährige seien bei den Gesprächs-Partnerschaften ebenso dabei wie über 90-Jährige. „Meine älteste Anruferin war 109“, verriet Schilling. Keine wissenschaftliche Studie verfüge über den Erfahrungsschatz, den man bei dem Telefondienst gewinne. „Diese Vielfalt gehört in die Öffentlichkeit. Wir müssen sie sichtbar machen.“

Bei den Telefonaten könne der in Berlin gegründete und mittlerweile bundesweit tätige Verein ein stetiges, jährliches Wachstum von 15 Prozent verzeichnen. Die Zahl der Anrufe sei von 2021 bis 2023 von etwa 122 000 auf mehr als 150 000 Anrufe pro Jahr gestiegen. 220 Anruferinnen und Anrufer, die in ihrer Einsamkeit, in Fragen der Alltagsbewältigung Unterstützung, oder einfach nur ein positives Feedback suchten, würden das Telefonangebot mittlerweile täglich deutschlandweit zwischen acht und 22 Uhr wahrnehmen. Die Finanzierung wachse leider nicht mit. Die Aufrechterhaltung des Angebots, bei dem mehr als 300 Ehrenamtliche, Junge wie Alte, mitwirkten, und zu dem auch eine hauptamtliche Betreuung ebenso wie Räume, barrierefreie Zugänge und technische Unterstützung gehörten, sei zu einem Balanceakt geworden.

Mitwirkung bei der Alltagsbewältigung

Mitwirkungsmöglichkeiten für Ältere, um „nach Beruf und Familie“ aktiv zu bleiben, biete auch ihr Verein an, erzählte Angelika Schmidt, Sprecherin des Beirates der Akademie für Ältere Wiesbaden e.V. Mit einem Netzwerk von mehr als 30 Kooperationspartnern unterstütze man das Engagement von Seniorinnen und Senioren, schaffe Orte der Begegnung, vermittele Kompetenzen und fördere das solidarische Miteinander sowie die Verständigung zwischen den Generationen.

Die Älteren seien sowohl Zielgruppe von Angeboten zur Alltagsbewältigung und treten andererseits als ehrenamtlich Mitwirkende auf. Von der Arbeiterwohlfahrt, dem Roten Kreuz, Natur- und Tanzvereinen, über kirchliche Einrichtungen und Angebote, die Hochschule Rhein/Main und die Volkshochschulen bis hin zu Hospizvereinen, einer Initiative Medienzentrum, dem Nachbarschaftshaus und einzelnen Behörden der Stadtverwaltung bringen sich die unterschiedlichsten Einrichtungen in das Kooperationsnetzwerk ein, sagte Schmidt.

Mit spezifischen Angeboten knüpften sie an die Interessen und Fähigkeiten älterer Menschen an, böten Möglichkeiten der Mitgestaltung und brächten deren Einsatz Wertschätzung entgegen. Um die Rahmenbedingungen für das ehrenamtliche Engagement älterer Menschen zu verbessern, gelte es für Rechtssicherheit und finanzielle Absicherung dieser Tätigkeiten zu sorgen sowie den Ehrenamtlichen Qualifizierungsangebote und hauptamtliche Unterstützung zukommen zu lassen und bürokratische Hürden im Vereinsrecht abzubauen. (ll/16.10.2024)