Wirtschaft

Öffentliche Anhörung zum Thema „Europäische Antwort auf den Inflation Reduction Act“

Zeit: Mittwoch, 10. Mai 2023, 9 bis 10.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.200

Der im vergangenen Jahr beschlossene sogenannte Inflation Reduction Act (IRA) der US-amerikanischen Regierung bietet auch für deutsche Unternehmen Anreize, in den USA zu investieren. Aus Sorge vor Abwanderung hat die Europäische Kommission Anfang des Jahres einen Plan zur Unterstützung der grünen Wirtschaft in der EU vorgestellt. In einer öffentlichen Anhörung hat der Wirtschaftsausschuss am Mittwoch, 10. Mai 2023, sieben Sachverständige zum Thema gehört. Grundlage der öffentlichen Anhörung waren zwei Anträge von CDU/CSU (20/5352) und Linken (20/6545).

Auswirkungen des IRA

Matthias Krämer, Abteilungsleiter für Außenwirtschaftspolitik im Bundesverband der Deutschen Industrie, berichtete, dass es bereits vor der Einführung des Inflation Reduction Acts (IRA) in den USA ein verstärktes Interesse deutscher Unternehmen am Wirtschaftsstandort USA gegeben habe. Dieses sei nun mit den Anreizen des IRA noch einmal gestiegen. Momentan könne er jedoch noch keine belastbaren Zahlen nennen, in welcher Höhe die Investitionen in den USA angestiegen seien. „Entscheidungen für Investitionen sind immer multifaktorell“, sagte Krämer, deshalb sei es schwierig, diese alleine auf den IRA zu beziehen.

Prof. Dr. Niklas Potrafke, Leiter des ifo Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie, sah die Frage nach Subventionen in Deutschland als Reaktion auf den IRA kritisch: „Wir sollten uns mit weiteren Subventionen zurückhalten“, so Potrafke in der Anhörung. Man könne bereits einen „Überbietungswettbewerb“ beobachten. Statt zu subventionieren sei es sinnvoller, Geld in Infrastruktur zu investieren oder die Forschung und Entwicklung besser zu fördern, „damit Unternehmen einen Anreiz haben, lange bei uns zu bleiben“, schloss der Sachverständige.

Warnung vor Subventionswettlauf

Prof. Mariana Mazzucato, Professorin für Economics of Innovation & Public Value and Founding am University College London, empfahl die Steuerung des Marktes anhand klarer Konditionen. „Um Wachstum in der Industriepolitik zu steuern, muss man Wachstum in allen Sektoren steuern“, sagte Mazzucato. Es müsse sichergestellt werden, dass das Geld, das dafür bereitgestellt wird, in den richtigen Bereichen ankomme, auch um den Klimaschutz oder faire Arbeitsbedingungen zu fördern. Sie nannte unter anderem den grünen Stahl aus Deutschland als Beispiel, wie nachhaltige Industriepolitik neue Chancen ermögliche.

Prof. Dr. Stefan Kooths, Direktor des Forschungszentrum Konjunktur und Wachstum am Kiel Institut für Weltwirtschaft, befand, „dass wir nicht gut beraten sind, unsere Wirtschaftspolitik immer darauf reagieren zu lassen, was in anderen Teilen der Welt passiert“. Er warnte ebenfalls vor einem Subventionswettlauf, der entstünde, wenn man zur Kompensation des IRA ähnliche Maßnahmen beschließen würde. „Das führt dazu, dass Staaten im Standortwettbewerb gegeneinander ausgespielt werden“. Vom sogenannten Matching Clause, wie es der European Industrial Plan, die Reaktion der EU auf den IRA, vorsieht, sei aus Kooths Sicht abzusehen.

„Die Stärke der EU liegt in ihren 27 Mitgliedsstaaten“

Prof. Dr. Ulrich van Suntum, von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Münster, warnte davor, dass die EU nicht in einen Wettbewerb untereinander eintreten solle: „Die Stärke der EU liegt in ihren 27 Mitgliedsstaaten.“ Es müsse ein Ideenwettbewerb zugelassen werden, der Zentralismus ausschließt, sagte van Suntum. In Sachen Klimaschutz sagte er: „Null Emissionen bedeuten hierzulande enorme Kosten, damit ruinieren wir noch unsere Industrie.“ Stattdessen solle man lieber andere Länder, in denen man nur einen Bruchteil der Kosten für Emissionen verursachen würde, dabei unterstützen, CO2 zu sparen.

Prof. Dr. Tom Krebs, Professor für VWL, Makroökonomik und Wirtschaftspolitik an der Universität Mannheim, war der Ansicht, man sollte den IRA als eine Neujustierung der Klima- und Wirtschaftspolitik verstehen. Statt wie in Europa den CO2-Preis in den Mittelpunkt zu stellen, fokussiere sich die US-Wirtschaftspolitik auf die Unterstützung der Menschen und Unternehmen: „Ich halte das für richtig, denn es ist ein positives Signal.“ Einen Industriestrompreis, der die momentane Phase der hohen Energiekosten überbrücken würde, halte er für sinnvoll, so Krebs.

Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW Bankengruppe, sah kein Problem im Instrument der Fördermittel. Es sei zu beobachten, dass Unternehmensinvestitionen in Deutschland seit dem Hoch der Wiedervereinigung abgenommen haben. „Das ist eine Entwicklung, die man mit vielen Instrumenten angehen muss, dafür braucht es gezielte Unterstützungsmaßnahmen“, so Köhler-Geib. Unter den Faktoren, die die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschlands beeinflussen, seien unter anderem die Fachkräfte zentral, hier müsse dafür gesorgt werden, dass der Mangel behoben werde.

Antrag der Union

Die CDU/CSU-Fraktion fordert von der Bundesregierung eine mit den europäischen Partnern abgestimmte Antwort auf das milliardenschwere US-Gesetz zur Inflationsbekämpfung. In ihrem Antrag mahnen die Unionsabgeordneten dazu, „den Dialog mit den USA in der US-EU-Taskforce zum US-Gesetz zur Inflationsbekämpfung und im EU-US-Handels- und Technologierat zu intensivieren, um die handelspolitischen Spannungen abzubauen und einen Subventionswettlauf zu verhindern“.

Nachdem Anfang dieses Jahres das US-Gesetz zur Inflationsbekämpfung in Kraft getreten sei und damit Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe in Klimaschutz, erneuerbare Energien und saubere Technologien bereitständen, drohe der „Investitionsstandort Europa“ ins Hintertreffen zu geraten, schreiben die Abgeordneten. Der Erhalt und die Zukunftsfähigkeit von Arbeitsplätzen sowie die Innovation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft könnten nur mit massiven Investitionen und einer „klugen Infrastrukturpolitik“ gelingen. Eine klimaneutrale, souveräne europäische Wirtschaft lasse sich nicht herbeiregulieren, sondern „wir müssen sie herbeiinvestieren“, so der Antrag von CDU/CSU. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika habe das verstanden und vor allem mit steuerlichen Entlastungen Investitionsanreize gesetzt.

Union wirft Regierung „Untätigkeit“ vor

Die EU-Kommission wolle nun Anfang Februar einen neuen Industrieplan für Europa vorlegen. In die dazu bereits seit Monaten laufende Debatte habe sich die Bundesregierung erst „sehr spät und sehr zögerlich eingebracht“. Die monatelange Untätigkeit der Bundesregierung schwäche den Standort Deutschland und Europa. Nicht nur versäume sie weiterhin entschlossene Maßnahmen zur Sicherung des Energieangebots. Seit Monaten warteten Wirtschaft und „unsere europäischen Partner auf eine klare Position der Bundesregierung zum US-Gesetz zur Inflationsbekämpfung“. Weder der Bundeskanzler noch der Bundeswirtschaftsminister hätten bislang eine überzeugende und umfassende Strategie für eine europäische Antwort vorgelegt, kritisiert die Unionsfraktion.

Unabhängig vom US-Gesetz zur Inflationsbekämpfung hätten die deutsche und die europäische Wirtschaft aufgrund explodierender Energiekosten bereits mit einer verschlechterten Wettbewerbssituation gegenüber Unternehmen in den USA zu kämpfen. Das US-Gesetz verschärfe dies noch. Diese Entwicklungen führten zu Spannungen im transatlantischen Verhältnis und lösten in der EU Sorgen über die Zukunft des Investitionsstandorts Europa aus. Konkret würden Wettbewerbsverzerrungen und die Verlagerung von europäischen Industrien in die USA befürchtet.

Deshalb solle die Bundesregierung neben dem engen Austausch mit der US-EU-Taskforce zum US-Gesetz zur Inflationsbekämpfung und dem EU-US-Handels- und Technologierat auch dafür sorgen, dass sich die EU-Kommission in Verhandlungen mit der US-Regierung „entschieden für eine Gleichbehandlung europäischer Unternehmen“ einsetze. Die Handelspolitik der EU solle als „ein wesentliches geopolitisches Gestaltungsinstrument“ genutzt werden, um unter anderem neue Energie- und Rohstoffpartnerschaften zu schaffen. Neben der Ratifikation verhandelter Abkommen sei auch die Verhandlung neuer Abkommen unter anderem mit Indien und ASEAN sowie eine Vertiefung bestehender Partnerschaften erforderlich, „insbesondere mit den USA“, so der Antrag.

Bestehende EU-Finanzmittel und -instrumente wie „NextGenerationEU“ und „REPowerEU“ müssten besser genutzt, die Einrichtung immer neuer Instrumente und Fonds vermieden und die Aufnahme neuer EU-Schulden kategorisch ausgeschlossen werden.

Antrag der Linken

Die Linksfraktion hat einen Antrag mit dem Titel „Deindustrialisierung verhindern – Aktive Industriepolitik für Klima und Beschäftigung als robuste Antwort auf das US-Gesetz zur Bekämpfung der Inflation“ eingebracht. So sollen unter anderem gute Arbeit, Tariftreue, konkrete Beschäftigungszahlen und Standortgarantien gesichert werden, „damit nicht blind Steuergelder an Unternehmen verschenkt werden“, heißt es darin.

Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung außerdem auf, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der eine Förderung klimafreundlicher Technologien bei der Um- und Ausrüstung von Produktionsanlagen mittels sogenannter Differenz- oder Klimaschutzverträge ermöglicht. Gefordert wird darüber hinaus, durch gesetzliche Vorgaben und Quoten „grüne Leitmärkte“ zu schaffen, die die nötige Nachfrage nach klimafreundlichen Produkten sicherstellen. Unternehmen, die Subventionen beziehen, müssen sich nach Forderung der Fraktion Die Linke an eine vorgeschriebene Ausbildungsquote halten, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Zudem soll die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf einbringen, der eine wirksame Übergewinnsteuer vorsieht. (emu/nki/10.05.2023)