Siemens: Nichts spricht für Investitionen in Deutschland
Zeit:
Mittwoch, 16. Oktober 2024,
15
bis 16.30 Uhr
Harte Worte zum Investitionsstandort Deutschland von Prof. Dr. Christian Kaeser, Global Head of Tax der Siemens AG: Bei einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Modernisierung des deutschen Unternehmensteuerrechts voranbringen“ (20/11954) sagte Kaeser, geladen auf Vorschlag der Unionsfraktion, am Mittwoch, 16. Oktober 2024: „Es gibt eigentlich nichts, was dafür spricht, in Deutschland zu investieren.“
Zwar sei Deutschland für Siemens nicht generell außen vor bei Investitionsentscheidungen. „Aber es gibt kein Wachstum in Deutschland, Wachstum gibt es in anderen Ländern, und steuerlich sieht es halt auch nicht besonders dolle aus“, sagte Kaeser. Deshalb seien die Investitionen von Siemens zuletzt größtenteils im Ausland erfolgt.
Antrag der Union
Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion sieht Steuersenkungen, Vereinfachungen im Steuerrecht und Entbürokratisierung vor. So soll das Wachstum der deutschen Wirtschaft wieder stärker werden. Unter anderem soll die Steuerbelastung für thesaurierte Gewinne auf 25 Prozent sinken.
Der Vorschlag ziele vor allem auf jene, die Milliardengewinne aufgebaut hätten, bemängelte Christoph Trautvetter vom Verein zur Förderung der Steuergerechtigkeit, geladen auf Vorschlag der SPD-Fraktion. „Es würde mehr Sinn machen, Zukunftsinvestitionen anzureizen“, sagte Trautvetter.
Bürokratie als größte Herausforderung
Einig waren sich die geladenen Sachverständigen weitgehend, dass Bürokratie das größte Problem im deutschen Steuerrecht sei. Die Steuerhöhe sei nur ein Baustein, das habe auch die Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmensteuer“ des Bundesfinanzministeriums (BMF) festgestellt, sagte Prof. Dr. Deborah Schanz, Vorstand des Instituts für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München und geladen auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion.
Auch Dr. Rainer Kambeck von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), geladen auf Vorschlag der FDP-Fraktion, sagte, dass Bürokratie, auch Steuerbürokratie, für viele Unternehmen die größte Herausforderung sei. Allerdings erklärte er auch: „Der Steuersatz hat eine Signalwirkung im internationalen Wettbewerb.“ Deswegen seien 25 Prozent eine richtige Zielgröße.
„Ein enormes Problem“
Prof. Dr. Sebastian Eichfelder, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und geladen auf Vorschlag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, bezeichnete Bürokratie ebenfalls als „ein enormes Problem“. Die Bedeutung des Steuersatzes stellte er dagegen infrage: „Der empirische Zusammenhang zwischen langfristigem Wachstum und Steuersätzen ist mau.“ Niedrigere Steuersätze hätten lediglich einen moderaten Effekt auf die privaten Investitionen.
Allerdings sei „ein negativer Effekt auf die öffentlichen Investitionen“ möglich, wenn der Staat geringere Steuereinnahmen verzeichne. Eichfelder: „Können wir es uns in der jetzigen Situation leisten, auf 30 Milliarden Euro Steueraufkommen zu verzichten?“
„Wir sind nicht mehr wettbewerbsfähig“
Dr. Torsten Moser vom Institut der Wirtschaftsprüfer Deutschland, geladen auf Initiative der CDU/CSU-Fraktion, erklärte ebenfalls: „Die Bürokratiekosten sind exorbitant hoch, wir sind nicht mehr wettbewerbsfähig.“
Er regte an, die Begrenzung von Abzugsfähigkeiten zu hinterfragen, etwa die sogenannten Lizenz- und Zinsschranken. In diesem Zusammenhang verwies er auf die internationale Mindeststeuer. Diese soll bereits verhindern, dass Unternehmen Gewinne in Niedrigsteuerländer verlagern. Hier könne es auch eine Entfristung der sogenannten Safe-Harbour-Regelung geben, schlug Moser vor.
Hilfe für junge Unternehmen
Dr. Erik Röder, Professor für Unternehmenssteuerrecht an der Universität Mannheim, sprach sich unter anderem dafür aus, dass Kapitalgesellschaften optieren können sollten, sich wie Personengesellschaften besteuern zu lassen. Das würde vor allem jungen Unternehmen helfen, also Start-ups.
Außerdem führte Röder Probleme im Zusammenhang mit Sonderbetriebsvermögen bei Personengesellschaften an. Diese erschwerten oftmals Umstrukturierungen. „Oft weiß man gar nicht, dass man Sonderbetriebsvermögen hat“, sagte Röder.
„Wir brauchen eine digitale Identität“
Florian Köbler von der Deutschen Steuergewerkschaft, geladen auf Vorschlag der SPD-Fraktion, ging auf ein weiteres Problem ein. Er thematisierte die Altersstruktur „im steuerlichen Ökosystem“. Sowohl in der Steuerverwaltung als auch im Bereich der Steuerberater zeichnet sich ihm zufolge ein Fachkräftemangel ab. Die Lösung besteht aber wohl nicht nur in mehr Personal.
„Wir brauchen eine Reduzierung der Komplexität, wir brauchen endlich eine gute Digitalisierung in Deutschland“, verlangte Köbler. Nötig sei etwa „endlich eine digitale Identität“. (bal/17.10.2024)