Zukunft nationaler und internationaler Sportgroßveranstaltungen
Zeit:
Montag, 26. September 2022,
13
bis 15.30 Uhr
Ort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3.101
Der Sportausschuss hat sich am Montag, 26. September 2022, in einer öffentlichen Anhörung mit der Zukunft nationaler und internationaler Sportgroßveranstaltungen befasst. Ist Deutschland reif für eine erneute Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele? Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), stellte gleich eingangs die entscheidende Frage. Und beantwortete sie positiv. Zumindest hätten, so Weikert, die European Championships und die Basketball-Europameisterschaft gezeigt: „Deutschland kann Sportgroßveranstaltungen.“
Für den DOSB sei daher klar, dass man mittel- bis langfristig wieder einen Versuch unternehmen wolle, Olympische und Paralympische Spiele nach Deutschland zu holen. Aber: „Wir wollen diese Spiele nicht um jeden Preis“, fügte Weikert hinzu. „Wir wollen sie mit einer möglichst breiten Rückendeckung der Bevölkerung.“ Dafür solle es eine neue Strategie geben. Motivation und gute Konzepte allein reichten nicht, es brauche zum Beispiel mehr Partizipation der Bevölkerung und weniger Gigantismus.
Barrierefreie Sportinfrastruktur
Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbands (DBS), forderte nachdrücklich bei allen Bewerbungen eine gleichberechtigte Berücksichtigung und Förderung von Olympischen und Paralympischen Spielen. Bei künftigen Sportveranstaltungen, unabhängig davon, ob es sich um eine Para-Sportveranstaltung handelt oder nicht, müssten die Bedarfe von Menschen mit Behinderung berücksichtigt werden.
„Aus Sicht des DBS müssen sowohl die Bewerbung als auch die Vorbereitung und schließlich die Ausrichtung einer Sportgroßveranstaltung eine positive Auswirkung auf die Entwicklung des Breitensports haben“, sagte Beucher. Dies betreffe insbesondere die Schaffung einer barrierefreien und zeitgemäßen Sportinfrastruktur.
„Wir brauchen mehr Großturniere“
Teamsport Deutschland-Sprecher Andreas Michelmann stellte die Bedeutung internationaler Sportgroßveranstaltungen aus Sicht des Mannschaftssportarten dar. Tenor: Wir brauchen mehr Großturniere. Die am 18. September beendete Basketball-Europameisterschaft, die weltweit in insgesamt 130 Länder übertragen worden sei und alleine in der Vorrunde am Standort Köln mit 236.521 Zuschauer einen „All time“-Zuschauerrekord aufgestellt habe, zeige: „Internationale Mannschaftssportgroßveranstaltungen wie Europa- und Weltmeisterschaften, aber auch vorolympische Turniere, haben einen besonderen Stellenwert in Deutschland: Sie begeistern Millionen von Menschen, fördern den sozialen Zusammenhalt, beweisen Gastfreundschaft, gelten als aktive Völkerverständigung und bezeugen ein friedliches Miteinander“, so Michelmann.
Internationale Turniere seien ein wichtiger Impuls, breite Bevölkerungskreise für die jeweilige Sportart zu interessieren und zu aktivieren. So trüge der Spitzensport zur Intensivierung des Breitensports bei.
„Wir sind noch nicht olympiareif“
Die ehemalige Leichtathletin Sylvia Schenk setzte als Vertreterin von Transparency International einen anderen, stärker zivilgesellschaftlichen Aspekt in ihrem Eingangsstatement. Nur weil München begeisternde European Championships hinbekommen habe, sei Deutschland noch nicht reif für Olympische Spiele, weder gesellschaftlich noch sportlich: „Das Vertrauen in die Olympische Bewegung ist in den vergangenen Jahrzehnten angesichts vielfältiger Defizite im internationalen Sport und in Austragungsländern – Verletzung von Menschenrechten, Korruption, Doping, Manipulation, politische Instrumentalisierung, Gigantismus – grundlegend erschüttert worden“, sagte Schenk.
Die durch den Kampf gegen den Klimawandel und die geänderte geopolitische Situation unerlässliche Transformation aller Lebensbereiche führe auch zur umfassenden Transformation von Sportgroßveranstaltungen. Die Durchsetzung von Good Governance, Nachhaltigkeit und der Achtung der Menschenrechte bei Sportgroßveranstaltungen, erfolge nicht von heute auf morgen, sondern erfordere teils langfristige Veränderungsprozesse mit vielen Einzelmaßnahmen. „Wir sind noch nicht olympiareif, wir müssen erst ins Trainingslager“, sagte Schenk.
„Ökologisch, ökonomisch, sozial“
Das wollte Marion Schöne von der Olympiapark München GmbH nicht unwidersprochen stehen lassen. Die European Championships in München seien vielmehr ein Meilenstein auf dem Weg zu nationalen und internationalen Sportgroßveranstaltungen in Deutschland.
Die Championships in München seien ein voller Erfolg gewesen, so Schöne. Und warum? „Wir hatten eine Vision“, sagte Schöne, „wir haben die Menschen begeistert, und wir haben ein gutes Erbe hinterlassen, waren nachhaltig im dreifachen Sinne: ökologisch, ökonomisch und sozial – wir haben den Breitensport schon in der Vorbereitung stark mit einbezogen.“
Sport als „Bindungskraft der Gesellschaft“
Abschließend warf der Sport- und Eventmanager Michael Mronz eine etwas anders akzentuierte Frage auf: „Was ist der Wert des Sports in unserer Gesellschaft?“. Vielfach werde er mit Fußball und Millionengehältern in eins gesetzt, doch der Sport habe eine immens breitenwirksame soziale Funktion und vermittele von Kind an essenzielle Werte wie Miteinander, Respekt, Bildung, Integration und Inklusion. „Wir beklagen oft eine zunehmende Spaltung durch die großen Herausforderungen der letzten Jahre“, sagte Mronz und verwies auf die Migration seit 2015, Covid seit 2020 oder die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine seit Februar 2022.
Die Politik suche als Gegenpol nach neuen Wegen zu mehr Ausgleich, Zusammenhalt und Miteinander. Gleichzeitig vernachlässige der Staat allzu leichtfertig die größte und bewährteste Bindungskraft der Gesellschaft: den Sport mit seinen knapp 24 Millionen Mitgliedern in circa 88.000 Vereinen. Tendenz: rückläufig. Dem Sport muss geholfen werden, weil der Sport unserer Gesellschaft hilft. Mronz: „Der Sport ist nicht nur Kaderschmiede für internationale Erfolge und Medaillen, der Sport ist vor allem ein multipler Verstärker für ein immer diverseres Miteinander.“ (mis/26.09.2022)