28. Bundeskongress zu Gast im Bundestag
Vom 4. bis 6. April 2025 fand der diesjährige Bundeskongress zur Aufarbeitung der SBZ/SED-Diktatur in Berlin statt. Jährlich wird dieser Kongress von den Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der Bundesstiftung Aufarbeitung und der SED-Opferbeauftragten organisiert. Am Sonntagvormittag war der Bundeskongress auf Einladung der SED-Opferbeauftragten im Bundestag zu Gast.
Rund 200 Teilnehmende aus Opferverbänden und Aufarbeitungsinitiativen wurden von Evelyn Zupke in das Reichstagsgebäude eingeladen. Dort diskutierte der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck mit Schülerinnen und Schülern des Dreilinden-Gymnasiums über das Thema „35 Jahre Einheit – Gegenwart und Zukunft“. Die SED-Opferbeauftragte moderierte die Veranstaltung.
Dabei führte Joachim Gauck aus, dass wir vor allem begreifen müssten, wie wunderbar unser Leben heute in der Demokratie ist, auch wenn es Verbesserungsbedarfe gäbe. Dabei würde helfen, sich an das zu erinnern, was es in der DDR nicht gab: nämlich Zugang zu freien Bildungswesen, Glaubens- und Meinungsfreiheit, Medienfreiheit, einen Rechtsstaat mit Gewaltenteilung, Verwaltungsgerichten und Verfassungsgericht. Gleichzeitig warb Gauck dafür, nicht zu rechtfertigen, aber zu verstehen, dass es ein menschliches Bedürfnis sei, zu verdrängen. Sonst müsste auch ein Großteil der ostdeutschen Bevölkerung vieles mitreflektieren am eigenen Tragen des Systems, am Wegschauen oder zum Teil auch an Täterschaft. Das Verdrängen sei damit auch ein natürlicher Versuch der Psyche, sich dem Schmerz, der Trauer der Scham zu verwahren, die das bedeuten könnte.
Die SED-Opferbeauftragte warb dafür, den Wert der Freiheit tiefer in der Gesellschaft zu verankern. Dafür sei es besonders wichtig, vor allem junge Menschen über das Wirken des SED-Regimes, das vielfache Unrecht in der DDR und die häufig bis heute andauernden schwerwiegenden psychischen und körperlichen Folgen für die Betroffenen aufzuklären.
Die Schülerinnen und Schüler wünschten sich dafür vor allem projektbezogene Zugänge zur Aufarbeitung, weniger Lehrbuchaufgaben. Die Projekttage ihrer Schule im letzten Jahr zum Volksaufstand des 17. Juni 1953 in der DDR hätten ihnen diese neuen und eigenen Zugänge ermöglicht. Dabei wurden auch Rollups erstellt, die für weitere Jahrgänge einen bleibenden Wert in der Schule bedeuteten. Ihr Lehrer plädierte dafür, den Schülern Raum für eigene Ausdrucksformen zu geben, etwa durch Comics auf T-Shirts, um Freiheit und Unfreiheit darzustellen. Zudem sollte die Geschichtsvermittlung digitale Medien einbeziehen, also vor allem die Kanäle der Jugendlichen nutzen.
Zum Bundeskongress:
Der diesjährige Kongress stand unter dem Motto „… mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 - 35 Jahre Grundgesetz in den ostdeutschen Bundesländern“. Dies knüpfte an das 75. Jubiläum des Grundgesetzes an, das die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik beleuchtet, jedoch die gesamtdeutsche Dimension nicht ausreichend berücksichtigte. Diese Dimension wird bereits in der Präambel des Grundgesetzes von 1949 angesprochen und entfaltet sich für die ostdeutsche Bevölkerung erst seit 1990.
Auf dem Kongress wurden die Bedeutung von 35 Jahren Einheit und Grundgesetz in Ostdeutschland sowie Fragen der Gedenk- und Erinnerungskultur diskutiert. Der Kongress begann am Freitag mit einem Empfang im Roten Rathaus durch den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner, einer Begrüßung durch den Berliner Kultursenator Joe Chialo und einem Festvortrag der Bundesverfassungsrichterin Prof. Dr. Ines Härtel zum „Grundgesetz als Freiheitsfundament“. Am Samstag fanden Fachgespräche zum geplanten „Denkmal zur Mahnung und Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Diktatur in Deutschland“ sowie zu den „SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen in 35 Jahren gesamtdeutschem Recht“ statt. Die SED-Opferbeauftragte und die Landesbeauftragten berichteten über ihre Arbeit. Der Lernort Keibelstraße, der Campus für Demokratie und das Stasi-Unterlagen-Archiv konnten besucht werden. Der Abend war den Berichten aus den Verfolgtenverbänden und Aufarbeitungsinitiativen vorbehalten.
Nach der Podiumsdiskussion am Sonntagvormittag im Reichstagsgebäude schloss der Bundeskongress mit einem gemeinsamen Gedenken und einer Kranzniederlegung für die Opfer der SBZ/SED-Diktatur im „Parlament der Bäume“. Der Berliner Landesvorsitzende Frank Ebert sowie Prof. Dr. Axel Klausmeier, der Direktor der Stiftung Berliner Mauer, sprachen Grußworte.