Parlament

Eilanträge gegen Sitzung des Bundestages am 18. März erfolglos

Der Schriftzug Bundesverfassungsgericht. ist vor dem Gebäude des Gerichts angebracht.

Das Bundesverfassungsgericht hat Eilanträge zu den Sondersitzungen des 20. Deutschen Bundestages abgelehnt. (© picture alliance/dpa | Uli Deck)

Mit sechs Beschlüssen hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts am Montag, 17. März 2025, weitere Eilanträge abgelehnt, mit denen sich die Antragstellenden im Wesentlichen gegen die Anberaumung und Durchführung der Sondersitzung des 20. Deutschen Bundestages am 18. März 2025 wenden.

Eilanträge von Linken-Abgeordneten und Sevim Dağdelen

Die Abgeordneten der Fraktion Die Linke Dr. Dietmar Bartsch, Clara Bünger, Christian Görke und Dr. Gesine Lötzsch hatten beim Gericht die Feststellung beantragt, „dass die Antragstellenden durch die vom Antragsgegner zu verantwortende verfassungswidrige Gestaltung“ des Gesetzgebungsverfahrens für das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h; 20/15096), die sich daraus ergebe, dass es sich bei der vermeintlichen Fraktionsvorlage tatsächlich um eine Vorlage einer potenziellen zukünftigen Bundesregierung handelt und dass die zweite und dritte Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag auf die zwölfte Kalenderwoche festgelegt und terminiert wurde, in ihren „Abgeordnetenrechten nach Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 76 f. Grundgesetz“ verletzt wurden (Aktenzeichen: 2 BvE 7 / 25).

Die BSW-Abgeordnete Sevim Dağdelen will feststellen lassen, „dass die Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens für ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115 und 143a) durch die Terminierung der ersten Lesung am 13. März 2025 sowie der zweiten und dritten Lesung am 18. März 2025 den Anforderungen aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz sowie aus Artikel 42 Absätze 1 und 2 und Artikel 76 Grundgesetz nicht genügt und das Recht der Antragstellerin als Mitglied des Deutschen Bundestages auf gleichberechtigte Teilhabe als Abgeordnete an der parlamentarischen Willensbildung verletzt'“ (Aktenzeichen: 2 BvE 8 / 25).

Eilanträge der AfD-Fraktion und von Joana Cotar

Die AfD-Fraktion der 20. Wahlperiode, der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner und 31 weitere Abgeordnete der 20. Wahlperiode beantragen die Feststellung, dass die Ausgestaltung der Gesetzgebungsverfahren Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h; 20/15096), Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109 und 115; 20/15098) und Gesetz zur Errichtung eines Verteidigungsfonds für Deutschland und zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 87a; 20/15099), insbesondere die Anberaumung der zweiten und dritten Lesung für den 18. März 2025 durch die Antragsgegner das Recht der Antragstellenden auf Beteiligung und Mitwirkung, insbesondere auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung (Artikel 38 Absatz 1 Grundgesetz) sowie die Rechte des Deutschen Bundestages auf Parlamentsautonomie und Mitwirkung (Artikel 38 Absatz 1, Artikel 40 Grundgesetz) verletzt hat und dass „den Antragstellenden die notwendigen Auslagen durch die Antragsgegner erstattet werden“ (Aktenzeichen: 2 BvE 10 / 25).

Die fraktionslose Abgeordnete Joana Cotar will feststellen lassen, dass der Zeitplan für und die tatsächliche Durchführung der Beratung der Gesetzentwürfe zur Änderung des Grundgesetzes (20/15096, 20/15098, 20/15099) sie in ihren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz auf gleichberechtigte Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren verletzen (2 BvE 11 / 25).

Eilanträge von FDP- und von AfD-Abgeordneten

Die FDP-Abgeordneten Dr. Florian Toncar, Otto Fricke und Dr. Thorsten Lieb beantragen die Feststellung, „dass die Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens durch die Antragsgegner die Antragsteller in ihren verfassungsrechtlich durch Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz garantierten Rechten, insbesondere auf ordnungsgemäße Beratung und Erörterung des Gesetzentwurfs innerhalb angemessener Zeit und aufgrund angemessener Informationen, dadurch verletzt hat, dass Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens Verfassungsänderungen von erheblicher Bedeutung und weitreichenden Auswirkungen sind und unter Berücksichtigung der ebenfalls bedeutenden Änderung des ursprünglichen Entwurfs im Rahmen der Ausschussberatungen die aufgeworfenen Fragen eine ausführliche und gründliche inhaltliche Befassung erforderlich machen, die im Rahmen des gewählten Zeitplans aber nicht gewährleistet ist“ (Aktenzeichen: 2 BvE 12 / 25).

Die AfD-Abgeordneten Dr. Christian Wirth, Martin Sichert und Dr. Christina Baum wollen feststellen lassen, dass der Zeitplan für die tatsächliche Durchführung der Beratung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Grundgesetzes (20/15096) die Antragstellenden in ihren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz auf gleichberechtigte Mitwirkung an den Gesetzesverfahren verletzt (Aktenzeichen_ 2 BvE 13 / 25).  

„Entscheidung der jeweiligen Hauptsache vorbehalten“

In der Mitteilung des Gerichts heißt es: „Ungeachtet der Frage, ob die jeweiligen Anträge in der Hauptsache unzulässig oder offensichtlich unbegründet sind, enthält das jeweilige Vorbringen der Antragstellenden keine Gesichtspunkte, die bei der vorzunehmenden Folgenabwägung in Abweichung zum Beschluss des Senats vom 13. März 2025 die Gründe für den Erlass einer einstweiligen Anordnung überwiegen ließen.“

Die Entscheidung darüber, inwieweit „das Vorbringen der Antragstellenden“ zum Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens Anhaltspunkte für eine Verletzung ihrer Abgeordnetenrechte enthält, sei der jeweiligen Hauptsache vorbehalten. Eine speziell gelagerte Ausnahmekonstellation, in der eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten bereits im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung angezeigt wäre, liegt nach Auffassung des Zweiten Senats nicht vor. 

„Kein allgemeiner Grundsatz“

Nach Darstellung der Richterinnen und Richter gibt es keinen allgemeinen Grundsatz, wonach „allein wegen der drohenden Schaffung von irreversiblen Folgen durch die angegriffene Maßnahme eine Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes stets geboten wäre“. 

Vielmehr stelle die Frage, ob durch die angegriffene Maßnahme ein endgültiger und nicht wiedergutzumachender Schaden einträte oder nur unter ganz erheblichen Schwierigkeiten wieder ausräumbare vollendete Tatsachen geschaffen würden, einen der Gesichtspunkte dar, welcher im Rahmen der umfassenden – aber ohne Rücksicht auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorzunehmenden – Folgenabwägung zu berücksichtigen ist.

Beschlüsse vom 13. März

Bereits am Freitag, 14. März 2025, hatte der Zweite Senat Beschlüsse vom 13. März zu mehreren Anträgen veröffentlicht, die sich gegen die Einberufung des 20. Deutschen Bundestages zu Sondersitzungen am 13. und 18. März 2025 richteten. 

Es handelt sich um Beschlüsse zu Anträgen der Vor-Fraktion Die Linke im 21. Deutschen Bundestag und der der Vor-Fraktion angehörenden Abgeordneten Jan van Aken und Ines Schwerdtner (Aktenzeichen: 2 BvE 3 / 25); der AfD-Abgeordneten Dr. Christian Wirth, Martin Sichert und Dr. Christina Baum sowie der AfD-Abgeordneten der 21. Wahlperiode Knuth Meyer-Soltau, Ulrich von Zons und Christoph Grimm (beigetreten) (Aktenzeichen: 2 BvE 2 / 25); und der AfD-Fraktion der 20. Wahlperiode, des AfD-Abgeordneten Stephan Brandner und der AfD-Abgeordneten der 21. Wahlperiode Dr. Anna Rathert (Aktenzeichen: 2 BvE 5 / 25).

Darüber hinaus lehnte der Zweite Senat Eilanträge der fraktionslosen Bundestagsabgeordneten Joana Cotar ab (Aktenzeichen: 2 BvE 4 / 25), mit denen sie sich im Wesentlichen gegen die Anberaumung und Durchführung der beiden Sondersitzungen wendet.

„Anträge sind unbegründet“

Die Antragstellenden der Linken und der AfD halten die Einberufung des 20. Deutschen Bundestages vor allem deswegen für pflichtwidrig, weil vielmehr der neu gewählte Bundestag so schnell wie möglich einzuberufen sei. Dies dürfe nicht durch eine Einberufung des alten Bundestages blockiert werden, wenn der neue Bundestag – wie hier – bereits konstituierungsfähig sei.

Nach Darstellung des Zweiten Senats sind die Anträge unbegründet. Die Wahlperiode des alten Bundestages werde gemäß Artikel 39 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) erst durch den Zusammentritt des neuen Bundestages beendet. Bis dahin sei der alte Bundestag in seinen Handlungsmöglichkeiten nicht beschränkt. Wann der Zusammentritt erfolgt, entscheide allein der neue Bundestag. Er wird hieran durch die Einberufung des alten Bundestages nicht gehindert. 

Die Einberufung des alten Bundestages sei hier auch nicht pflichtwidrig, heißt es weiter. Wenn ein Drittel der Abgeordneten dessen Einberufung beantrage, sei die Bundestagspräsidentin hierzu nach Artikel 39 Absatz 3 Satz 3 GG verpflichtet. Inwieweit hingegen eine Pflicht besteht, der Konstituierung des neuen Bundestages den Vorzug zu geben, könne offenbleiben. Eine solche Pflicht bestünde allenfalls, wenn der neue Bundestag den Willen zum Zusammentritt gebildet und sich dafür auf einen Termin verständigt hätte. Daran fehle es hier, schreibt der Zweite Senat.

„Gründe für eine einstweilige Anordnung überwiegen nicht“

Zum Eilantrag der fraktionslosen Abgeordneten Cotar heißt es, ungeachtet der Frage, ob der Antrag in der Hauptsache unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, sei eine einstweilige Anordnung schon deshalb nicht zu erlassen, weil jedenfalls die vorzunehmende Folgenabwägung ergebe, dass die für einen Erlass sprechenden Gründe nicht überwiegen.

Erginge eine einstweilige Anordnung und hätte die Hauptsache keinen Erfolg, käme es zu einem erheblichen Eingriff in die Autonomie des Parlaments, wovon im einstweiligen Rechtsschutzverfahren grundsätzlich abzusehen sei, argumentieren die Karlsruher Richterinnen und Richter. Zudem würde dies voraussichtlich endgültig die Beschlussfassung des alten Bundestages verhindern, da diesem nur ein begrenzter Zeitraum bis zur Konstituierung des 21. Deutschen Bundestages (am 25. März 2025) zur Verfügung stehe. Abgeordnete des alten Bundestages würden ihr Recht auf Beschlussfassung unwiederbringlich verlieren.

„Abgeordnetenrechte wären irreversibel verletzt“

Erginge die einstweilige Anordnung nicht und hätte die Hauptsache Erfolg, wäre der Antragstellerin – und möglicherweise auch weiteren Abgeordneten – unwiederbringlich die Möglichkeit genommen, bei den Beratungen und der Beschlussfassung ihre Mitwirkungsrechte im verfassungsrechtlich garantierten Umfang wahrzunehmen, heißt es in der Mitteilung des Gerichts.

In beiden Fällen wären somit nach Auffassung des Zweiten Senats Abgeordnetenrechte irreversibel verletzt. Der Eingriff in die Verfahrensautonomie des Parlaments hätte aber besonderes Gewicht, weil die Gefahr bestünde, dass die Beschlussfassung über die eingebrachte Gesetzesvorlage wegen des Grundsatzes der Diskontinuität endgültig unmöglich wird. Der Grundsatz der Diskontinuität besagt, dass alle Gesetzentwürfe und andere Vorlagen, die vom alten Bundestag noch nicht beschlossen wurden, vom neuen Bundestag nicht mehr aufgerufen und beraten werden – es sei denn, sie würden wieder neu eingebracht. 

Der Bundestag hat in seiner Sondersitzung am Donnerstag, 13. März, Gesetzentwürfe von SPD und CDU/CSU (20/15096), Bündnis 90/die Grünen (20/15098) und der FDP (20/15099) zur Änderung des Grundgesetzes (Reform der Schuldenregel) sowie einen Antrag der Gruppe BSW (20/15107) in erster Lesung beraten. In einer zweiten Sondersitzung am Dienstag, 18. März 2025, soll über drei dieser Vorlagen (20/15096, 20/15099, 20/15107) abgestimmt werden. (vom/17.03.2025)