Tourismus

Sharing-Potenziale im ländlichen Tourismus

Zeit: Mittwoch, 20. März 2024, 15 bis 16.15 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.600

Im Tourismus in ländlichen Gebieten besteht ein großes Potenzial für Sharing-Projekte bei Mobilität und Unterkünften. Es müsse aber auch auf die Wirtschaftlichkeit geachtet werden, machten mehrere Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Tourismus am am Mittwoch, 20. März 2024, zur Sharing-Economy im Tourismus deutlich.

Ridepooling und Carsharing

Der Bundesverband Taxi und Mietwagen machte sich für Festpreise bei der Nutzung von Taxis stark: „Der Preis wäre für den Fahrgast transparent, verlässlich und planbar. So wären Taxifahrten auch als Teil von Mobilitätsketten vorab buchbar, also etwa eine Anreise mit der Bahn und dann eine Beförderung vom Bahnhof zum Hotel mit dem Taxi zu einem vorab feststehenden Preis“, erklärte Verbandsgeschäftsführer Michael Oppermann in seiner Stellungnahme. Gerade im ländlichen Raum sollten verstärkt „Pooling-Verkehre“ unter Beteiligung von Taxi-Unternehmen eingerichtet werden. Das könne helfen, das „Taxi-Sterben“ in ländlichen Gebieten aufzuhalten, weil dort oft die wirtschaftlichen Grundlagen für Taxi-Betriebe nicht mehr vorhanden seien. Eine Einbeziehung der Taxis in die Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sei eine Möglichkeit, aber andererseits sei der ÖPNV extrem reguliert: „Das macht das Ganze schwierig.“ Der „große Charme“ von ÖPNV-Taxis liege darin, dass vorhandene Flotten genutzt werden könnten und keine Parallelstrukturen aufgebaut werden müssten.

Claus Doll vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung machte auf das sogenannte „Ridepooling“ aufmerksam: Ziel sei es, einerseits komfortable und niedrigschwellige Mobilitätsangebote als Alternative zum privaten Pkw zu schaffen, diese aber durch Bündeln von Fahrten kosteneffizient und nachhaltig zu gestalten. Ridepooling-Angebote könnten privatwirtschaftlich organisiert oder als ergänzendes Angebot zum ÖPNV von den Kommunen oder öffentlichen Verkehrsunternehmen betrieben werden. Ridepooling und Carsharing hätten zusammen bis 2030 das Potenzial, bundesweit ein Prozent der Wege abzudecken. 2020 habe deren Anteil knapp 0,6 Prozent im Carsharing und 0,1 Prozent im Ridepooling betragen. Wichtig sei der Ausbau der Datennetze.

Auf den Hinweis, dass die Nutzungszahlen in ländlichen Räumen doch recht niedrig seien, antwortete Doll, es gehe auch darum, Mobilität für diejenigen herzustellen, die kein Auto hätten. Sharing-Angebote könnten im Tourismus durch Hinweise auf den Internetportalen bereits bei der Buchung erfolgen und damit stärker genutzt werden. Dadurch könnten An- und Abreisen mit dem Auto vermieden werden. Durch frühzeitige Hinweise auf Fahrrad-Mietmöglichkeiten könnte die Zahl von mitgenommen Fahrrädern in Bahnen reduziert und der Bahnverkehr damit entlastet werden.

Maximale Auslastung von Fahrzeugen

Olaf Zinne vom der Enterprise Autovermietung machte auf ein Beispiel eines ländlichen Carsharing-Angebots im Bereich Elektromobilität aufmerksam: In Herzebrock-Clarholz (Nordrhein-Westfalen) habe man die geteilte Nutzung eines elektrifizierten Fahrzeugs der Gemeinde eingeführt. Mittels einer Softwarelösung stehe das Fahrzeug primär den Mitarbeitern der Verwaltung zur Verfügung. Am Wochenende oder nach den Geschäftszeiten könnten Dritte das Fahrzeug nutzen. Durch Angebote wie in Herzebrock-Clarhofz könne eine maximale Auslastung der Fahrzeuge erreicht werden.

Nach Darstellung des Autovermieters Sixt ist geteilte Mobilität schon seit langem ein attraktives touristisches Angebot. Man stelle schon länger fest, dass sich die Nachfrage von klassischen Kurzzeitmieten (wenige Tage) erweitert auf wenige Minuten (Carsharing) bis zu einigen Monaten (Autoabo). In ländlichen Regionen gebe es aber wirtschaftliche Einschränkungen: „Es lohnt sich als gewinnorientiertes Geschäftsmodell also nicht, in einem Ferienort mit zwei Fahrzeugen zu starten“, so Philipp Neuenfeldt (Sixt SE) in seiner Stellungnahme. In kleineren Gemeinden gebe es jedoch andere Betriebsmöglichkeiten. Neuenfeldt nannte etwa genossenschaftliche Modelle.

Ellen Madeker von Airbnb machte auf die Bedeutung des „Homesharing“ aufmerksam. 307 Millionen Übernachtungen pro Jahr fänden in privaten und gewerblichen Ferienunterkünften statt. Die Übernachtungen in Ferienhäusern und Ferienwohnungen hätten damit einen Marktanteil von 44 Prozent an allen touristischen Übernachtungen in Deutschland. In Zeiten von Inflation und stark gestiegenen Lebenshaltungskosten sei es für viele Menschen wichtiger denn je, sich etwas dazu zu verdienen. In Berlin hätten in einer Umfrage 40 Prozent der Befragten angegeben, gelegentlich zu vermieten, um die steigenden Lebenshaltungskosten zu bewältigen und sich etwas dazu zu verdienen. Airbnb stelle ein gestiegenes Interesse an ländlichen Räumen fest und fördere dies auch. Dadurch würden Gastronomie und Einzelhandel gestärkt.

Folgewirkungen der privaten Kurzzeitvermietung 

Dagegen werden für Tobias Warnecke vom Hotelverband Deutschland die negativen Folgewirkungen der enorm wachsenden privaten Kurzzeitvermietung auf die wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit von Destinationen zunehmend sichtbar. In städtischen Räumen steige dadurch die Wohnraumknappheit, erklärte Warnecke in seiner Stellungnahme. In ländlichen Gebieten würden Gemeinden in Gebieten mit vielen Kurzzeitmieteinheiten über regelmäßigen Leerstand und mangelnde Einbindung in das Gemeindeleben klagen. Traditionelle Beherbergungsbetriebe würden hingegen durch eigene Gastronomie und Freizeitangebote einen Mehrwert für die lokale Bevölkerung schaffen.

Der Taxi-Verband machte auf ein weiteres Problem in Großstädten aufmerksam: Dort sei das größte Problem der „unfaire Wettbewerb“ durch große internationale Mietwagenfirmen, die Preisdumping betreiben und teilweise sogar illegal operieren würden. „Dass die Verbraucher riskieren, in einem von ihnen vermittelten Auto unversichert unterwegs zu sein, stört die Betreiber nicht“, heißt es in der Stellungnahme des Verbandes. Dass große Carsharing-Anbieter auf dem Land erfolgreich sein könnten, schließt das Taxigewerbe aus: Deren Geschäftsmodell, den etablierten Markt zu unterbieten, funktioniere außerhalb von Großstädten nicht. (hle/20.03.2024)