Parlament

Portraitfotos zeigen ehemalige politische Häftlinge in der DDR

Zehn Monate lang war er nur eine Nummer. Ohne Namen, ohne Persönlichkeit. Denn Platz für Identität und Würde gab es bei der Staatssicherheit nicht. Das musste André Wagenzik schmerzlich erfahren, als er im August 1983 von Mitarbeitern der Stasi festgenommen wurde. Was folgte, war eine zehnmonatige Haft unter unmenschlichen Bedingungen, geprägt von Willkür und physischer und psychischer Gewalt. Erfahrungen, die Wagenzik mit Tausenden Menschen teilt, die aus politischen Gründen in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) inhaftiert wurden. 

„Lieber Herr Wagenzik, Sie geben den Menschen ein Gesicht und einen Namen, nachdem sie im Gefängnis außerhalb der Vernehmungen nur mit einer Nummer angesprochen wurden“, sagte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner am Dienstag, 8. April 2025, im Paul-Löbe-Haus vor rund 250 geladenen Gästen. Anlass war die Eröffnung der Fotoausstellung von André Wagenzik, die in Zusammenarbeit mit der Bundesstiftung Aufarbeitung und der SED-Opferbeauftragen beim Deutschen Bundestag, Evelyn Zupke, vorbereitet wurde. Unter dem Titel „Staatssicherheitsinhaftierung / Portrait 2023-2024“ zeigt Wagenzik in seiner Ausstellung einhundert Schwarz-weiß-Portraits von ehemaligen politischen Häftlingen in der DDR, deren Schicksale von Stasi-Willkür, Zwangsarbeit und zerstörten Lebensläufen geprägt sind. 

Klöckner: Wir vergessen nicht

Eine Kollage mit vielen schwarz-weiß Portraits.

Ausschnitt aus einer Übersicht der 100 Porträtaufnahmen von politischen Häftlingen der DDR. (© André Wagenzik)

„Den Blicken der 100 Augenpaare, die auf den Portraits die Besucher ansehen, kann man nicht ausweichen. Sie stehen stellvertretend für die vielen Menschen, die aus politischen Gründen von der Staatssicherheit der DDR inhaftiert wurden. Menschen, die in der DDR unter Einsatz ihrer eigenen Freiheiten für die Grundlagen unserer Demokratie gekämpft haben. Deshalb gehört diese Ausstellung hierher, in den Deutschen Bundestag, in das Herz unserer Demokratie!“, betonte Klöckner und richtete ihre Worte auch an die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen im Publikum: „Wir vergessen nicht.“ 

Doch es sei auch klar, dass die Aufarbeitung niemals abgeschlossen sein werde. Daher müsse die Erinnerung an die nächste Generation weitergeben werden auch mit Hilfe der Sozialen Medien. „Ich bin überzeugt: Wir dürfen Instagram, TikTok und Co. nicht den undemokratischen Kräften überlassen. Wir müssen als Demokraten dort präsent sein und Social Media für politische Bildung nutzen“, sagte Klöckner. „Lassen Sie sich von den einhundert Augenpaaren dazu inspirieren, für unsere Freiheit und für unsere Demokratie einzustehen.“

Gewalt und Psychoterror in Stasi-Gefängnissen

Zwischen 1949 und 1989 wurden in der DDR etwa 250.000 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert. Die systematische Verfolgung von tatsächlichen und vermeintlichen Gegnern der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) sowie von politisch unerwünschten Personen war ein gängiges Mittel, mit dem die Partei ihre sozialistische Diktatur gegen Widerstände durchsetzte, stabilisierte und absicherte. In den Gefängnissen der DDR wurden schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verübt.

In den 16 von der Staatssicherheit (MfS) betriebenen Untersuchungsgefängnissen waren politische Häftlinge willkürlicher und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt. Ab den 1950er-Jahren setzte die Geheimpolizei zunächst körperliche Gewalt ein, um die Gefangenen zu brechen, und griff später immer häufiger auf psychische Folter zurück, um ihren Widerstand systematisch zu zerstören. Die Häftlinge wurden nicht mit ihren Namen, sondern nur mit ihrer Zellennummer angesprochen, um ihre Identität zu vernichten und ihre Würde zu entziehen.

Besuch der Ausstellung

Die Ausstellung wird vom 9. April bis zum 7. Mai 2025 in der Halle des Paul-Löbe-Hauses gezeigt. Sie kann montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr besucht werden. Öffentliche Führungen durch Zeitzeuginnen und Zeitzeugen werden an folgenden Tagen angeboten: Freitag, 11. April, 14 Uhr; Mittwoch, 16. April, 14 Uhr; Mittwoch, 23. April, 10 Uhr sowie Mittwoch, 30. April, 10 Uhr. 

Für den Besuch der Ausstellung ist spätestens zwei Werktage vor dem gewünschten Besuchstermin über dieses Anmeldeformular eine Anmeldung notwendig. Aus organisatorischen Gründen ist ein Besuchsbeginn jeweils nur zur vollen Stunde möglich. Spätester Besuchsbeginn ist jeweils 16 Uhr. (mtt/09.04.2025)