Parlament

Bundestag trauert um früheren FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt

Der Bundestag hat sich zu Beginn der Plenarsitzung am Donnerstag, 26. September 2024, zu Ehren des am 13. September im Alter von 80 Jahren verstorbenen früheren FDP-Abgeordneten Dr. Wolfgang Gerhardt von den Plätzen erhoben. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas würdigte Gerhardt, der dem Bundestag von 1994 bis 2013 angehört hatte und der von 1998 bis 2006 Vorsitzender der FDP-Fraktion war, als großen Liberalen, leidenschaftlichen Parlamentarier und überzeugten Europäer, dessen Lebensthema die Freiheit gewesen sei: „Wolfgang Gerhardt war ein großer Liberaler, ein leidenschaftlicher Parlamentarier und ein überzeugter Europäer.“ 

Freiheit und Verantwortung als liberale Prinzipien

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas steht an ihrem Platz im Plenarsaal und spricht ins Mikrofon.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas würdigte zu Beginn der Plenarsitzung den am 13. September verstorbenen früheren FDP-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Gerhardt. (© DBT/Dominik Butzmann/photothek)

Freiheit sei für ihn undenkbar gewesen ohne die Bereitschaft des Einzelnen, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen und Leistung zu erbringen. Die beiden liberalen Prinzipien Freiheit und Verantwortung hätten für ihn untrennbar zusammengehört. Bas erinnerte daran, dass Wolfgang Gerhardt 1978 als Abgeordneter in den Hessischen Landtag einzog und später Wissenschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident in der hessischen Landesregierung war. 

Im Bundestag habe er als FDP-Fraktionsvorsitzender wichtige Debatten angestoßen und mit dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) 1999 den Kompromiss zum Staatsangehörigkeitsrecht ausgehandelt: „Ein Meilenstein.“ Im selben Jahr habe er in der ersten Bundestagssitzung nach dem Parlamentsumzug von Bonn nach Berlin eine eindringliche Rede zur deutschen Einheit gehalten und appelliert: „Was jetzt notwendig ist, das ist das neue Bürgerbewusstsein in unserem Land, weil wir das Zusammenwachsen wollen, weil wir die Einheit als Glück begreifen ... Das sind keine Bedrohungen, das sind Chancen.“ Ein Herzensanliegen sei dem Erziehungswissenschaftler eine gute Bildungspolitik als Grundlage für Chancengerechtigkeit gewesen.

Transatlantiker und Meister der leisen Töne

Wolfgang Gerhardt in einer Sitzung des Auswärtigen Ausschusses.

Wolfgang Gerhardt war von 1998 bis 2006 Vorsitzender der FDP-Fraktion (© DBT / Marco Urban)

Darüber hinaus sei Wolfgang Gerhardt ein „engagierter Transatlantiker“ gewesen, der für ein starkes Europäisches Parlament und für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik gestritten habe. Bereits 2016 habe er vor einer „imperialen Nostalgie“ Russlands gewarnt. Er sei stolz gewesen auf eine liberale Außenpolitik, die über Jahrzehnte das Bild Deutschlands in der Welt mitgeprägt und wichtige Weichenstellungen herbeigeführt habe.

Die Bundestagspräsidentin nannte Gerhardt einen „Meister der leisen Töne“, dessen Reden frei von Polemik, sachlich und argumentativ gewesen seien. Persönlich habe er eine „Kultur des Zurücknehmens“ gepflegt, mit der er „vorbildlich Ruhe in hitzige Debatten brachte“. Gerhardts Vermächtnis sei die Überzeugung, „dass wir mit harter politischer Arbeit und wertebasierter Haltung die Menschen für unsere liberale Demokratie begeistern können“. Er habe sich „um unser Land verdient gemacht“. (vom/26.09.2024)