Parlament

Sommer 1999: Der Bundestag verlegt seinen Dienstsitz nach Berlin

Mit einem Hammer in der Hand steht Peter Struck an einer Glastür hinter einer großen Umzugskiste mit der Aufschrift Bonn-Berlin, die von fünf Personen in das Berliner Reichstagsgebäude geschoben wird.

Der ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck (im Hintergrund rechts) begleitet am 28. Juli 1999 den Einzug im Berliner Reichstagsgebäude. (© picture-alliance / dpa | Andreas Altwein)

Seit 25 Jahren wird Deutschland von Berlin aus regiert. Vorausgegangen war die größte Umzugsaktion in der Geschichte der Bundesrepublik. In der parlamentarischen Sommerpause 1999 zog der Deutsche Bundestag bis zum 31. Juli mit großem logistischem Aufwand von Bonn nach Berlin. Das gesamte Parlament mit damals 5.299 Arbeitsplätzen, rund 150.000 Möbelstücken, 38 Kilometern Büchern und elf Kilometern Akten zog innerhalb von vier Wochen vom Rhein an die Spree. Dabei sollte die Funktionsfähigkeit des höchsten Verfassungsorgans erhalten bleiben.

Im Juli 1999 rollten die Züge

Das geschah mit einigem Vorlauf, denn bereits am 14. Januar 1994 war unter Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) der zeitliche Rahmen für den Umzug abgesteckt worden, im April 1998 begannen die Planungen für den Umzug. Dann war es soweit: Zwischen dem 5. und 31. Juli 1999 rollten 24 Züge mit Umzugsgut in die Hauptstadt.

Aus 81 verstreuten Liegenschaften in Bonn wurden 50.000 Kubikmeter Mobiliar nach Berlin gebracht und dort auf 18 Gebäude verteilt. Zu transportieren waren 50.200 Bücherkartons, 1.184 Fernsehgeräte, 837 Kühlschränke, 13.835 Stühle und 584 Tresore mit sicherheitsrelevantem Inhalt. Vom Umzug betroffen waren 669 Abgeordnete, 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abgeordneten, 854 Fraktionsmitarbeiter und 2.276 Verwaltungsangehörige. Eine besondere Herausforderung war, dass alle Büros wieder so eingerichtet werden mussten, wie sie abgebaut worden waren.

Jedes Möbelstück registriert

Erschwert wurde der Umzug dadurch, dass an vielen Liegenschaften in Berlin noch gebaut wurde und dadurch häufig improvisiert werden musste. Damit das gelang wurde das gesamte Umzugsgut zuvor akribisch inventarisiert. Jedes Möbelstück, vom Drehstuhl bis zum Wandregal, erhielt einen Aufkleber mit Pin-Code. Über eine Umzugsdatenbank wurde registriert, welches Möbelstück in welchem Raum auf welcher Etage nach Berlin gehörte oder in Bonn bleiben sollte.

Die Vorarbeiten und eine auf Tage und Stunden abgestimmte Terminplanung waren Voraussetzung für das Gelingen des Umzugs, der per Lkw zum Kölner Güterbahnhof Eifeltor und nachts auf dem Schienenweg zum Lehrter Bahnhof in Berlin ging, als auch für die Verteilung im neuen Parlamentsviertel. Schäden und Verluste hielten sich in dabei Grenzen. Selbst ein als verloren gemeldeter Umzugskarton mit wichtigen Akten fand sich nach Zweckentfremdung als Türstopper wieder. Als am Morgen des 10. Mai 2004 in der Bibliotheksrotunde im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus in Berlin der Betrieb aufgenommen wurde, fand der Umzug des Bundestages von Bonn an die Spree seinen endgültigen Abschluss. (sp/bs/eis/10.07.2024)