Geschichte

Vor 25 Jahren: Zustimmung zum Bundeswehr-Einsatz im Kosovo

Fahrzeuge vom Typ Dingo mit der Aufschrift KFOR stehen mit geöffneten Türen in einer Reihe.

Der KFOR-Einsatz der Bundeswehr im Kosovo wurde vom Bundestag erstmals am 11. Juni 1999 gebilligt. (© Bundeswehr / Ines Blandau)

Vor 25 Jahren, am Freitag, 11. Juni 1999, stimmte der 14. Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit dem Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Rahmen der internationalen Friedenstruppe Kosovo Force (KFOR) zu. 

Im Anschluss an eine zweistündige Debatte folgte das Parlament dem Antrag der Bundesregierung „Deutsche Beteiligung an einer internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo zur Gewährleistung eines sicheren Umfeldes für die Flüchtlingsrückkehr und zur militärischen Absicherung einer Friedensregelung für das Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999“ (14/1133, 14/1136). 

In der namentlichen Abstimmung votierten insgesamt 505 Abgeordnete für den Antrag der Bundesregierung, 24 stimmten dagegen, neben der PDS auch jeweils zwei Abgeordnete von SPD und CDU/CSU. Elf Abgeordnete von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP enthielten sich der Stimme. 

Kampfeinsatz im Kosovo

Bereits am 16. Oktober 1998 hatte der Bundestag in einer emotionalen Debatte mit großer Mehrheit beschlossen, sich an einem möglichen Nato-Militäreinsatz zur Abwendung einer humanitären Katastrophe im Kosovo-Konflikt zu beteiligen. 

Als dann das Nato-Bündnis vom 24. März bis zum 10. Juni 1999 unter Beteiligung deutscher Tornados Luftangriffe auf militärische Ziele im Gebiet der früheren Republik Jugoslawien flog, bedeutete das für Deutschland eine historische Zäsur: Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte waren auch Bundeswehrsoldaten an Kampfeinsätzen im Ausland beteiligt. 

Friedensprozess für den Kosovo

Umso größer ist in dieser Debatte die Erleichterung darüber, dass mit der Zustimmung der jugoslawischen Regierung und des Parlaments der Republik Serbien am 3. Juni 1999 zum sogenannten Petersberg-Dokument zur Beendigung des Kosovo-Konflikts ein umfassender Friedensprozess für den Kosovo und ein Stabilisierungsprozess für die Gesamtregion beginnen konnte, an dessen Ende, darin ist man sich einig, die Ankoppelung Südosteuropas – einschließlich eines demokratischen Serbiens – an das Europa der Integration stehen muss. 

Mit ihrer Zustimmung zum Petersberg-Dokument hatte sich die aus Serbien und Montenegro bestehende Bundesrepublik Jugoslawien zur unverzüglichen und verifizierbaren Beendigung von Gewalt und Unterdrückung im Kosovo sowie zu einem überprüfbaren Rückzug aller militärischen, polizeilichen und paramilitärischen Kräfte der Bundesrepublik Jugoslawien innerhalb kürzester Zeit verpflichtet. 

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte am 10. Juni 1999 mit der Resolution 1244 (1999) die Mitgliedstaaten, relevante internationale Organisationen sowie den Generalsekretär autorisiert, internationale Sicherheits- und zivile Präsenzen mit allen erforderlichen Befugnissen im Kosovo zu etablieren, um die im Petersberg-Dokument gebilligten G8-Prinzipien umzusetzen. Erste Aufgabe der KFOR ist es, den Abzug der jugoslawischen Truppen und die Entmilitarisierung des Kosovos zu überwachen.

Zweistündige Debatte

Bundesaußenminister Joseph Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) brachte die Erleichterung und Freude über ein Ende der Kampfhandlungen zum Ausdruck: „Die Waffen schweigen. Der Frieden im Kosovo ist jetzt, nachdem die VN-Sicherheitsratsresolution verabschiedet wurde, erreichbar; er ist in Sicht. Der Abzug der serbischen Truppen aus dem Kosovo hat begonnen. Die Nato hat ihre Luftschläge nach elf Wochen ausgesetzt. Auf diesen Tag haben die Menschen im Kosovo und in Serbien, haben wir alle lange gewartet.“

Die Entwicklung zeige, dass die Politik der Bundesregierung, getragen von der überwiegenden Mehrheit des Bundestages, richtig gewesen sei, sagte Fischer.  Mit der Doppelstrategie einer Kombination aus militärischen Maßnahmen und gleichzeitigen diplomatischen Bemühungen habe man letztlich gemeinsam mit den Bündnispartnern das Blatt wenden können. Gleichzeitig machte er deutlich: „Deutschland hat mit seiner Beteiligung an den Nato-Luftschlägen eine große Verantwortung übernommen, gerade auch für die beklagenswerten zivilen Opfer und auch – das möchte ich hier betonen – für die unschuldigen zivilen Opfer auf serbischer Seite.“ 

Abschließend stellte der Außenminister klar: „Wir müssen in Jugoslawien nicht nur das Ende der Gewalt herbeiführen, dort nicht nur den Frieden gemeinsam mit unseren Verbündeten und den internationalen Organisationen schaffen, sondern diese Region auch dauerhaft nach Europa führen. Das ist unsere Verantwortung.“

Gefährlichster Einsatz für die Bundeswehr

Dem konnte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion sowie Obmann im Auswärtigen Ausschuss Karl Lamers nur zustimmen. Die Anwesenheit einer internationalen Sicherheitspräsenz sei die Voraussetzung für die Rückkehr der Vertriebenen. Diese wiederum sei eine Voraussetzung – keineswegs die einzige – für einen wirklichen Frieden. Dennoch sei es unzweifelhaft, darin seien sich schließlich alle einig, der gefährlichste von den bisher beschlossenen Einsätzen der Bundeswehr. Deshalb müsse man für politische Rahmenbedingungen sorgen, die eine Gefährdung so gering wie möglich machen: „Mit anderen Worten: Wir müssen dafür sorgen, dass im Kosovo und in der ganzen Region wirklich Frieden einkehrt.“

Dass dies erst der Anfang auf einem langen, dornenreichen Weg zu wirklichem Frieden sei, unterstrich auch der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Dr. Peter Struck. Man dürfe sich keinen Illusionen über die Gefahren und Probleme für die internationalen Kräfte im Kosovo – natürlich für alle Soldaten, nicht nur für die deutschen – hingeben, sagte Struck. Für die Bundeswehr sei es angesichts der Sicherheitslage die schwierigste und gefährlichste Aufgabe in ihrer Geschichte. Unsere Soldaten sollen angesichts des schwierigen Auftrages wissen: „Der Bundestag steht geschlossen hinter ihnen und ihren Familien. Wir wissen um die schwierige Aufgabe. Wir wissen um die Gefährdungen, die sie erwarten. Wir schicken sie nicht leichtfertig; wir teilen ihre Sorgen und Ängste.“

EU-Beitrittsperspektive eröffnen

Die Sicherheitsratsresolution biete eine tragfähige Grundlage für die Schaffung eines befriedeten Kosovos. Es sei richtig, die Regionen mittel- und langfristig mit einem Stabilitätspakt für Südosteuropa zu befrieden und an Europa heranzuführen. Es sei deshalb ausdrücklich zu begrüßen, den Ländern dieser Region die Perspektive der EU-Mitgliedschaft zu eröffnen und ihren wirtschaftlichen Ausbau zu fördern, sagte Struck im Namen seiner Fraktion.

Auch die FDP-Fraktion unterstützte den Antrag der Bundesregierung. Für seine Fraktion stellte Dr. Helmut Haussmann klar: Die Sicherheitsratsresolution müsse unverzüglich umgesetzt werden. Allen Staaten der Region müsse die Einbindung in die euroatlantischen Strukturen in Aussicht gestellt werden. Der Europäischen Union komme dabei eine entscheidende Bedeutung zu. „Wir fordern, dass mit Albanien, Mazedonien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina sofort Verhandlungen über Assoziationsabkommen mit der Europäischen Union aufgenommen werden.“ 

Zum umfassenden Konzept der Stabilisierung Südosteuropas gehöre unverändert die zügige Erweiterung der Europäischen Union um die mittel- und osteuropäischen Beitrittskandidaten. „Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Krise auf dem Balkan sollte die deutsche EU-Ratspräsidentschaft den Mut aufbringen, nunmehr ein konkretes Zieldatum für die Beitritte der in ihren Reformen am weitesten vorangeschrittenen Länder wie Polen, Ungarn und Slowenien zu nennen, um damit auch allen anderen Kandidaten eine klare zeitliche Perspektive zu geben“, sagte Haussmann. 

Ablehnung bei der PDS

Auch die PDS-Fraktion begrüßte die Chance auf ein Ende von Vertreibung, Mord und anderen Menschenrechtsverletzungen im Kosovo. Dennoch könne man, wie es Dr. Gregor Gysi für seine Fraktion ausdrückte, dem Antrag der Bundesregierung nicht zustimmen, weil dadurch ein ihrer Ansicht nach völkerrechtswidriger Krieg nachträglich bestätigt würde. 

Gleichzeitig brachte auch er die Hoffnung zum Ausdruck, „dass wir Stabilität in dieser Region durch Wiederaufbau erreichen. Dazu gehört aber auch Serbien, das wir nicht vor der europäischen Tür stehen lassen dürfen.“

Längster Einsatz der Bundeswehr

Seit dem 12. Juni 1999 beteiligen sich deutsche Truppen am KFOR-Einsatz, der auf der UN-Resolution 1244 vom 10. Juni 1999 basiert. Nach dem Antrag der Bundesregierung und dem Beschluss des Bundestages sollten für diese Operation bis zu 8.500 Soldatinnen und Soldaten im Rahmen der Nato-geführten multinationalen Friedenstruppe für das Kosovo mit entsprechender Ausrüstung eingesetzt werden können.

Am 8. Juni 2000 stimmte das Parlament der Fortsetzung der deutschen KFOR-Beteiligung um ein Jahr zu. Der Einsatz ist grundsätzlich zeitlich unbegrenzt, doch hatte die Bundesregierung am 7. Juni 2000 in einer Sitzung des Auswärtigen Ausschusses zugesichert, dass sie für die Fortdauer des Mandats alle zwölf Monate den Deutschen Bundestag befassen werde. Ferner werde die Bundesregierung den Deutschen Bundestag erneut konstitutiv mit der Verlängerung des Einsatzes befassen, wenn eine der Fraktionen dies wünschen sollte. Das Mandat erlischt, wenn das Mandat der Vereinten Nationen endet oder der Einsatzbeschluss der Nato nicht verlängert wird. Dieser Fortsetzungsbeschluss wurde bisher jährlich um ein weiteres Jahr erneuert.

Aktuelles Mandat

Bis heute ist die Bundeswehr an der Nato-geführten internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo (KFOR) beteiligt. Es ist der am längsten laufende Auslandseinsatz in der Geschichte der Bundeswehr. 

Auch nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovos am 17. Februar 2008 blieb die KFOR im Land; Grundlage ist nach wie vor die Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates. Sowohl Kosovo als auch Serbien haben laut Bundesregierung stets deutlich gemacht, dass sie die Fortführung der Präsenz von KFOR basierend auf der Grundlage der Sicherheitsratsresolution 1244 (1999) weiterhin wünschen. Neue Aufgabe der Nato-Kräfte ist es, die Entwicklung von professionellen, demokratischen und multiethnischen Sicherheitsstrukturen zu überwachen. 

Das aktuelle Mandat sieht die Entsendung von bis zu 400 Soldatinnen und Soldaten vor. Die Kosten für die einsatzbedingten Zusatzausgaben beziffert die Bundesregierung auf insgesamt rund 6,1 Millionen Euro. (klz/04.06.2024)