Auswärtiges

Zweifel an Reformplänen für VN-Sicherheitsrat

Zeit: Montag, 29. Januar 2024, 13.30 bis 16 Uhr
Ort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3.101

Experten blicken skeptisch auf Pläne für eine Reform des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. In einer öffentlichen Anhörung des Auswärtigen Ausschusses trugen die Sachverständigen aber am Montag, 29. Januar 2024, auch Vorschläge vor, wie die Staatenorganisation abseits solcher Pläne wieder handlungsfähiger für Friedenssicherung und Konfliktlösungen werden könnte und welchen Einfluss Deutschland dabei womöglich geltend machen kann. 

Allianzen in der VN-Generalversammlung

Ekkehard Griep von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) wandte sich gegen die Fokussierung auf eine Reform des blockierten UN-Sicherheitsrates. Ob Menschenrechte oder Friedensmissionen, ob Pariser Klimaabkommen oder die Nachhaltigkeitsagenda 2030 - all diese Erfolge seien im Rahmen der Vereinten Nationen und unterhalb der Hürde von Änderungen der VN-Charta möglich gewesen. Der auf Vorschlag der SPD-Fraktion geladene Experte sprach sich dafür aus, Allianzen in der VN-Generalversammlung zu suchen. Dort sei die Staatengemeinschaft anders als im Sicherheitsrat in der Lage gewesen, mit großer Mehrheit Resolutionen gegen den Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beschließen. 

Nicole Deitelhoff vom Peace Research Institute Frankfurt - Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung hielt eine Reform des Sicherheitsrates für wenig realistisch. Dessen Vetos ließen sich aber gewissermaßen entwerten, wenn die Generalversammlung gestärkt würde: mit regelmäßigen Entschließungen auch in puncto Frieden und Sicherheit und auch zu Abrüstung und Rüstungskontrolle, so die Expertin, die auf Vorschlag der FDP-Fraktion eingeladen worden war. Sie verwies allerdings auch darauf, dass es zwar gelungen sei, eine deutliche Mehrheit in der Generalversammlung für eine Verurteilung von Russlands Krieg zu organisieren, die meisten dieser Länder aber bei den Sanktionen gegen den Aggressor nicht mitmachten.

Revitalisierung der Generalsversammlung

Auch Marianne Beisheim von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) machte eine Revitalisierung der Generalsversammlung als Ort der Kommunikation aus, an dem Mittelmächte und kleinere Länder ihre Positionen einbringen könnten. Gleichwohl würden afrikanische Länder weiter darauf drängen, die Reform des UN-Sicherheitsrates auf die Agenda zu nehmen, weil für sie einfach nicht akzeptabel sei, dort nicht permanent vertreten zu sein, so die auf Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingeladene Expertin. 

Der Politikwissenschaftler Stephan Bierling von der Universität Regensburg warb für mehr Realismus. Der VN-Sicherheitsrat sei „unreformierbar“, keines der fünf ständigen Mitglieder (China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA) werde das eigene Vetorecht aufgeben oder anderen Ländern ein solches Recht zugestehen. Wer auf die Aufwertung der Generalversammlung setze, gebe damit andererseits womöglich prochinesischen und antiisraelischen Kräften noch mehr Raum. Bierling, der auf Vorschlag der Unionsfraktion eingeladen worden war, sprach sich für eine Stärkung der Unterorganisationen der Vereinten Nationen aus. Hier seien westliche Staaten die größten Geldgeber und hätten die Hebel in der Hand, auf die Personalpolitik Einfluss zu nehmen und Fehlentwicklungen im VN-System zu begegnen.

Der Völkerrechtler Gerd Seidel, Emeritus der Humboldt-Universität zu Berlin, sagte, dass man sich vor idealisierenden Vorstellungen der Leistungsfähigkeit der Vereinten Nationen hüten müsse: Sie sei nun mal eine schwergängige Organisation mit 193 Staaten. Trotzdem habe sie immer wieder ihre Anpassungsfähigkeit unter Beweis gestellt, bei der Etablierung von Menschenrechtskonventionen und Vertragsorganen zu ihrer Überprüfung wie bei der Etablierung von Organisationen zum Schutz der Umwelt, sagte der auf Vorschlag der AfD-Fraktion geladene Experte. (ahe/29.01.2024)