Wachstumschancengesetz im Parlament beraten
Der Bundestag hat am Freitag, 13. Oktober 2023, erstmals über den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“ (Wachstumschancengesetz, 20/8628) beraten. Nach der Aussprache überwiesen die Abgeordneten die Vorlage an die Ausschüsse, die Federführung bei den weiteren Beratungen übernimmt der Finanzausschuss die Federführung.
Staatssekretärin: Unser Land steht am Scheideweg
Die parlamentarische Staatssekretärin Katja Hessel (FDP) malte in ihrer Rede zunächst ein durchaus trübes Bild für die deutsche Wirtschaft. „Unser Land steht am Scheideweg, ob Wachstum oder Stagnation, ob Spitzengruppe oder Mittelmaß“, sagte sie. Deutschland müsse produktiver, innovativer und wettbewerbsfähiger werden. Nur mit Reformen werde sich wieder Wachstum einstellen.
Die Oppositionsfraktionen übten während der Debatte scharfe Kritik an dem sieben Milliarden Euro schweren Entlastungspaket. Doch auch Redner der Regierungsfraktionen kündigten Änderungen an.
Linke: Zu kleinteilig und detailliert
Ein wesentlicher Kritikpunkt der Opposition: Das Gesetz sei viel zu kleinteilig und detailliert. Von einem „Sammelsurium“ sprach Matthias W. Birkwald für die Fraktion Die Linke. Mit dem Gesetz sollten 22 verschiedene Gesetze und Verordnungen geändert werden, „die nichts miteinander zu tun“ hätten. Birkwald: „Das ist nicht seriös zu diskutieren. Deswegen lehnen wir Linke solche Omnibusgesetze ab.“
Birkwald fokussierte sich auf einen Aspekt, die Frage der Doppelbesteuerung der Renten, eine Folge des 2005 begonnen Umstiegs der Besteuerung der Renten auf eine nachgelagerte Besteuerung. Soll heißen: Künftig sollen Rentenbeiträge aus nicht versteuertem Einkommen bezahlt werden, dafür Renten besteuert werden. Der Umstellungsprozess ist bis 2050 angesetzt.
FDP: Es braucht bessere Standortbedingungen
Markus Herbrand (FDP) gestand zu, dass die derzeitige Wirtschaftsschwäche Deutschlands nicht nur auf konjunkturelle Defizite zurückzuführen ist. „Wir haben es mit hausgemachten strukturellen Defiziten zu tun“, sagte er.
Er verwies darauf, dass es seit dem Jahr 2008 keine strukturelle Unternehmenssteuerreform mehr gegeben hat. Seitdem hätten alle großen Wirtschaftsnationen ihre Steuersysteme reformiert, außer Deutschland. „Genau hier setzt der Gesetzentwurf an“, sagte Herbrand und ergänzte: „Damit die deutsche Wirtschaft wieder nachhaltig wächst und wettbewerbsfähig wird, braucht es bessere Standortbedingungen.“
Grüne: Müssen noch öfter über das Thema reden
Auch Redner anderer Fraktionen gingen auf diesen Aspekt ein. Sascha Müller sagte für Bündnis 90/Die Grünen jedoch: „So einfach, wie Kollege Birkwald sich das vorstellt, ist es leider nicht.“ Nötig sei mehr Beratungszeit, man müsse auch die Risiken für die öffentlichen Haushalte im Blick haben. „Ich fürchte, wir werden noch öfter über das Thema reden müssen“, so Müller.
SPD kündigt weitere Schritte an
Frauke Heiligenstadt erklärte für die SPD-Fraktion: „In jedem Fall werden wir die Doppelsteuerung der Renten angehen. Mit diesem Gesetz machen wir den ersten Schritt.“ Die Ampel-Regierung werde weitere Schritte folgen lassen.
Staatssekretärin stellt Investitionsanreize vor
Im Wachstumschancengesetz will die Ampel vor allem Investitionsanreize setzen. Staatsekretärin Hessel nannte mehrere Punkte:
1. Die Liquiditätslage von Unternehmen soll durch erweiterte Regelungen zur Verrechnung von Gewinnen und Verlusten über mehrere Jahre besser werden. 2. Unternehmen sollen eine Investitionsprämie für Klimaschutz in Höhe von 15 Prozent für neue bewegliche Anlagegüter, das nütze im Vergleich zu höheren steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten vor allem jungen Unternehmen, die noch wenig oder keine Gewinne erwirtschaften. 3. Unternehmen sollen Ausgaben für Forschung und Entwicklung in höherem Maß steuerlich absetzen können. 4. Bei Bauinvestitionen sollen die Abschreibungsmöglichkeiten auf sechs Prozent jährlich für neue Wohngebäude steigen.
Union: Ampel muss Ruder rumreißen
Für die CDU/CSU-Fraktion forderte Dr. Mathias Middelberg in seiner Antwort auf Hessel, die Ampel-Koalition müsse „das Ruder rumreißen, und zwar radikal“. Zwar enthalte der Gesetzentwurf richtige Anreize, bleibe aber zu oft auf halber Strecke liegen. „Ihre Investitionsprämie ist hyperbürokratisch und vom Volumen her völlig mickrig“, warf er der Regierung vor. Das Entlastungsvolumen insgesamt sei zu niedrig. Er verwies auf Subventionen für einzelne Fabriken zur Herstellung von Computerchips, die zehn oder fünf Milliarden Euro erhielten, fragte: „Jetzt wollen Sie uns vorrechnen, dass sieben Milliarden Euro Entlastung für die gesamte deutsche Volkswirtschaft einen Wachstumsschub auslösen? Das kann Ihnen doch keiner glauben.“
Middelbergs Fraktionskollege Fritz Güntzler sagte: „Wir brauchen jetzt nicht das Klein-Klein dieses WC-Gesetzes. Wir brauchen eine große Unternehmenssteuerreform.“
Grüne für höhere Investitionsprämie
Veränderungsbereitschaft signalisierte unter anderem Bernhard Daldrup (SPD). Bei der Investitionsprämie sei „Luft nach oben“. Auch Katharina Beck (Bündnis 90/Die Grünen) sprach sich für eine höhere Investitionsprämie aus: „Da arbeiten wird daran, das kann noch größer werden.“ Auch die Forschungsprämie lasse sich möglicherweise noch ausweiten.
Beck verwies aber auch auf die Haushaltslage. Wenn die Union mehr Entlastung wolle, als die im Entwurf für das Wachstumschancengesetz vorgesehenen sieben Milliarden Euro, dann passe das nicht zu Forderungen nach einer schwarzen Null im Haushalt. „Ich bin gespannt, wie wir zusammen vielleicht nochmal irgendwann seriös über Finanzpolitik sprechen können“, sagte sie in Richtung der Opposition.
AfD: Wie es richtig geht, zeigen die Amerikaner
Dort hatte auch Jörn Körnig für die AfD-Fraktion ein höheres Volumen gefordert. Er verwies auf den Inflation Reduction Act (IRA) der USA „Wie es richtig geht, zeigen die Amerikaner“, sagte er, und erklärte, Deutschland sei die einzige Industrienation weltweit, die schrumpfe. „Deutsche Unternehmen gehen nach Amerika, um zu überleben“, mahnte Körnig.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Mit dem Wachstumschancengesetz soll laut Bundesregierung die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland gestärkt werden. Als zentrales Projekt wird die Einführung einer Investitionsprämie zur Förderung der Transformation der Wirtschaft benannt. Durch diese Prämie, die für Energieeffizienzmaßnahmen gilt, sollen die Standortbedingungen mit steuerlichen Anreizen für Investitionen in saubere und klimafreundliche Technologien verbessert werden.
Das stärke die Produktivität und schütze das Klima, heißt es. Konkret will die Bundesregierung eigenen Angaben zufolge 15 Prozent der Aufwendungen für Energieeffizienzmaßnahmen von Unternehmen als direkte finanzielle Unterstützung bezuschussen.
Zusätzlicher steuerlicher Impuls für mehr Forschung
Durch das Gesetz soll außerdem ein zusätzlicher steuerlicher Impuls für mehr Forschung gesetzt werden, da Deutschland nur mit zukunftsweisenden Verfahren und innovativen Produkten Deutschland seinen Wohlstand sichern könne. Neben Personalkosten sollen künftig auch Sachkosten gefördert werden. Außerdem solle die maximale Bemessungsgrundlage verdreifacht werden, wodurch auch die Förderbeträge stiegen. Für kleine und mittlere Unternehmen solle sich darüber hinaus der Fördersatz von 25 auf 35 Prozent erhöhen.
Insgesamt will die Regierung das Steuersystem durch Änderungen an zentralen Stellen einfacher und moderner machen. Dazu ist unter anderem die befristete Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter, die ab dem 1. Oktober 2023 angeschafft werden, geplant – ebenso wie eine befristete Einführung einer degressiven Abschreibung für Wohngebäude in Höhe von sechs Prozent ab dem 1. Oktober 2023.
Verbesserungen beim steuerlichen Verlustabzug
Verbesserungen soll es beim steuerlichen Verlustabzug geben, zudem ist die Einführung einer Zinshöhenschranke sowie eine „Meldepflicht für nationale Steuergestaltungen“ geplant.
Schließlich plant die Bundesregierung die Anhebung der Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter-Grenze auf 1.000 Euro sowie die Einführung einer gesetzlichen Regelung zur verpflichtenden Verwendung von elektronischen Rechnungen zwischen inländischen Unternehmen. (bal/hau/13.10.2023)