Schlagabtausch zum Karlsruher Urteil zur Umwidmung von Corona-Mitteln
Die Bundesregierung will an der Schuldenbremse festhalten und auch keine Steuern erhöhen. Dies versicherte Finanzminister Christian Lindner (FDP) in einer Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages am Donnerstag, 16. November 2023. In der von der CDU/CSU-Fraktion verlangten Debatte ging es um das am Mittwoch ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 (20/300, 20/351, 20/400, 20/530, 20/401) mit dem Grundgesetzes unvereinbar und damit nichtig ist (Aktenzeichen: 2 BvF 1 / 22).
Mit dem Gesetz war eine im Etat 2021 nicht benötigte Kreditermächtigung für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie von 60 Milliarden Euro rückwirkend auf den „Energie- und Klimafonds“ (EKF, heute Klima- und Transformationsfonds, KTF) übertragen worden, um sie für künftige Haushaltsjahre nutzbar zu machen.
Union warnt vor neuem Verfassungsbruch
Nach dem Urteil habe die Bundesregierung sofort die Konsequenzen gezogen, sagte Lindner. Die Kreditermächtigungen von 60 Milliarden Euro seien gelöscht worden. Es sei eine Haushaltssperre verhängt worden, und es werde einen neuen Haushaltsplan für den KTF geben. Das Urteil werde sorgfältig ausgewertet.
Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Friedrich Merz, kritisierte, dass die Koalition die Beratungen zum Bundeshaushalt 2024 einfach fortsetze, „als ob es die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts überhaupt nicht gegeben hätte“. Merz stellte fest, dass das Bundesverfassungsgericht nach dem Urteil zum Heizungsgesetz jetzt ein weiteres Mal der Regierung verfassungswidriges Verhalten bescheinigt habe.
Nach Darstellung des CDU/CSU-Fraktionschefs wird die Regierung als Konsequenz aus dem Urteil für 2024 einen Nachtragshaushalt vorlegen müssen. Wer aber schon vor der Verabschiedung eines regulären Haushalts wisse, dass ein Nachtragshaushalt kommen müsse, „der verstößt erneut gegen Grundsätze der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit“. Und diese Grundsätze hätten spätestens mit dem Urteil Verfassungsrang. Merz verlangte daher, die Prioritäten im Haushaltsentwurf 2024 neu zu ordnen und zu einer verfassungskonformen Etatgesetzgebung zurückzukehren.
SPD: Haushalt wird gelingen
Achim Post (SPD-Fraktion) entgegnete, dass die Bundesregierung erklärt habe, das Urteil zu beachten und umzusetzen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD-Fraktion), Wirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) und Finanzminister Lindner hätten „besonnen und klar“ auf den Richterspruch reagiert.
Jetzt müsse das Urteil grundlegend analysiert werden. Schnellschüsse seien nicht seriös und der Tragweite der Entscheidung nicht angemessen. Post gab das „klare Signal“, dass Regierung und Staat handlungsfähig seien. Es bleibe beim Zeitplan des Haushalts. „Es wird gelingen“, zeigte sich Post überzeugt.
AfD: Haushalt wird verfassungsrechtlich angreifbar sein
Dr. Peter Boehringer (AfD) zeigte sich nicht überrascht von dem Urteil. Dass das Gesetz gegen zentrale Grundsätze des Haushaltsrechts und gegen das Grundgesetz verstoße, habe seine Fraktion schon bei der Verabschiedung gesagt.
Die verfassungswidrige Verbuchung von Schulden in Sonderhaushalten müsse beendet werden. Der Trick der „überjährigen Rücklagenbildung“ sei generell verfassungswidrig. Der Haushalt 2024 werde vom Tag seiner Verabschiedung an verfassungsrechtlich angreifbar sein.
Grüne: Menschen wollen, dass die Transformation gelingt
Wie Post kündigte auch Andreas Audretsch (Bündnis 90/Die Grünen) an, dass die Haushaltsberatungen „seriös und verantwortungsvoll“ abgeschlossen werden würden. Merz warf er vor, nicht einen einzigen Lösungsvorschlag gemacht zu haben. Als Beispiel für die Ausgaben des Fonds nannte er einen Betrag von zwei Milliarden Euro für ThyssenKrupp, um dem Unternehmen die Produktion von klimaneutralen Stahl zu ermöglichen.
„Wir brauchen mehr dieser Investitionen“, sagte Audretsch. Die Menschen hätten den Wunsch, dass die Transformationen gelinge und dass das Geld dafür zur Verfügung gestellt werde.
Linke: Lindner steht da wie ein begossener Pudel
Die Bundesregierung stehe auf einem „finanzpolitischen Trümmerfeld“ und habe eine „historische Pleite“ erlebt, sagte Dr. Dietmar Bartsch (Die Linke). Finanzminister Lindner stehe da wie ein „begossener Pudel“.
Diesen Etat hätte Lindner nie zulassen dürfen: „Diese peinliche Pleite hätten Sie sich sparen können“. Die Koalition habe sich in einen „finanzpolitischen Irrgarten“ geflüchtet. Bartsch verlangte eine Steuerreform und sage, dass die Schuldenbremse Investitionen lähme. (hle/16.11.2023)