Der Bundestag hat am Donnerstag, 16. November 2023, den Entwurf der Bundesregierung für ein Bundesklimaanpassungsgesetz (20/8764) beschlossen. Das Rahmengesetz verpflichtet Bund, Länder und Kommunen zur Erarbeitung von Klimaanpassungsstrategien und –konzepten. Die Abgeordneten haben mit der Mehrheit von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen von CDU/CSU und AfD bei Enthaltung der Fraktion Die Linke für den stellenweise durch den Umweltausschuss geänderten Entwurf gestimmt. Dazu lag den Abgeordneten eine Beschlussempfehlung (20/9342) vor, in deren Rahmen eine Entschließung angenommen wurde. Darüber hinaus lag zur Abstimmung ein Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit (20/9371) vor. Abgelehnt haben die Parlamentarier hingegen einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Klimaschutz international weiter stärken und nicht national konterkarieren“ (20/9316) mit der Mehrheit der übrigen Fraktionen.
Ministerin Lemke: Klimaanpassung ist essentiell
Zum Auftakt der Debatte hatte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) vor den Gefahren der Klimakrise gewarnt: Aufgabe der Politik sei es, die zunehmend gravierenden Auswirkungen zu begrenzen. „Klimaanpassung ist essentiell“, betonte Lemke. Mit dem Bundes-Klimaanpassungsgesetz habe die Bundesregierung erstmalig dafür einen strategischen Rahmen und eine gesetzliche Grundlage geschaffen.
Die Bundesregierung verpflichte sich mit dem Gesetz, eine „vorsorgende Anpassungsstrategie“ mit messbaren Zielen zu verfolgen. Ländern und Kommunen würden zudem dabei unterstützt, konkrete Risiken vor Ort zu identifizieren und Strategien und Konzepte zur Anpassung zu erarbeiten, erklärte die Ministerin. Über konkrete Maßnahmen müsse vor Ort entschieden werden. Deren Kosten seien hoch, räumte die Ministerin ein, allerdings sei der Preis unterlassener Klimaanpassung noch höher. „Wir haben keine Wahl, wenn es um die Finanzierung von Gegenmaßnahmen geht.“
Union kritisiert Gesetz als bürokratischen Torso ohne Inhalt
Steffen Bilger (CDU/CSU) griff die Bundesregierung hart an: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimafonds liege die Klimapolitik der Ampel in Trümmern. In diese „desaströse Bilanz“ reihe sich auch das Klimaanpassungsgesetz ein, es sei ein „bürokratischer Torso ohne Inhalt“, kritisierte Bilger.
Die Bundesregierung gebe keine Antworten, auf welche konkreten Maßnahmen sie setze und wie sie diese finanzieren wolle. Stattdessen enthalte der Gesetztext viel unnötige Bürokratie und juristisch angreifbare und unklare Formulierungen wie etwa im geplanten Berücksichtigungsgebot. Die eigentliche Strategie komme zudem zu spät. Noch zwei Jahre Zeit wolle sich die Ampel für die Erarbeitung lassen, monierte der Unionsabgeordnete.
AfD: Kommunen können Kosten nicht stemmen
Auch Andreas Bleck (AfD) sparte nicht mit Kritik: Zwar seien sich die Fraktionen, wie auch die in einer Anhörung zum Gesetzentwurf befragten Sachverständigen, ungewöhnlich einig in ihrem Zuspruch für dessen Zielsetzung gewesen.
Doch die konkrete Ausgestaltung sei vielfach beanstandet worden. Hauptkritikpunkt sei die fehlende Finanzierung gewesen: Kommunen könnten die Kosten und den personellen Aufwand der Klimaanpassung nicht stemmen, sagte Bleck und forderte: „Der Bund muss eine solide und verbindliche Finanzierung sicherstellen, bevor er die Länder und Kommunen zur Klimafolgenanpassung verpflichtet“. Statt Geld in „sinnlose Klimaschutzmaßnahmen“ solle besser in Klimaanpassungsmaßnahmen und in den Bevölkerungsschutz investiert werden.
Linke: Es muss schneller gehandelt werden
Ralph Lenkert (Die Linke) warf der Ampel vor, mit dem Gesetz „wortgewandt“ Entscheidungen bis zur Vorlage der Strategie in 2025 zu vertagen. Es müsse schneller gehandelt werden, drängte der Abgeordnete und verwies auf den steigenden Flächenverbrauch in Deutschland.
Mehr bebaute Flächen heizten sich schneller auf, ließen Wasser nicht versickern und verhinderten die Grundwasserneubildung. „Und trotzdem bekommen Kommunen mehr Fördermittel für das Pflastern von Flächen als für neune Grünanlagen.“ Das müsse sich ändern, so Lenkert und forderte zudem auf mehr Geld für einen ökologischen Waldumbau und die Umsetzung der geplanten Wasserstrategie.
Grüne betonen Klimaanpassung als Teil der Daseinsvorsorge
Redner der Koalitionsfraktionen wiesen solche Vorhaltungen zurück: Union und AfD wollten lieber das Problem aussitzen, als handeln. Doch diese Haltung habe Deutschland beim Thema Klimaschutz erst in die gegenwärtige Lage bracht, konterte Harald Ebner (Bündnis 90/Die Grünen). Er unterstrich stattdessen die Klimaanpassung als „existenziellen Teil der Daseinsvorsorge“. Mit dem Gesetz schaffe die Ampel erstmalig den Rahmen, um sich gegen die Klimafolgen zu stemmen.
Auch durchaus Konkretes enthalte das Gesetz, so Ebner mit Blick auf das Berücksichtigungsgebot: Träger öffentlicher Belange müssten künftig bei allen Planungen und Entscheidungen die Klimaanpassung berücksichtigen, damit weitere Schäden vermieden würden. Auch der zunehmenden Versiegelung der Landschaft trete das Gesetz damit entgegen.
SPD: Klimaanpassung ist Gemeinschaftsaufgabe
Axel Echeverria (SPD) betonte, mit der Verabschiedung des Klimaanpassungsgesetzes komme der Bundestag der Pflicht nach, gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland herzustellen. Das Rahmengesetz schreibe Klimaanpassung vor, ohne ein „Korsett zu schnüren“. Länder und Kommunen hätten die Freiheit, entsprechend der Gegebenheiten und örtlichen Risikoanalysen passende Klimaanpassungsmaßnahmen zu ergreifen.
Gleichzeitig müsse dafür gesorgt werden, dass sich alle Kommunen Klimaanpassung leisten könnte, mahnte der SPD-Politiker. Schon jetzt seien viele Städte und Gemeinden knapp bei Kasse. Bund und Länder müssten daher über die Finanzierung über eine Gemeinschaftsaufgabe Klimaanpassung sicherstellen, so sein Plädoyer.
FDP: Klimaanpassung rettet Leben und Existenzen
Muhanad Al-Halak (FDP) bezeichnete das Gesetz als „ernstes, faires Angebot“ an alle Verantwortungsträge in Deutschland. Alle seien in der Pflicht. Angesichts vielfältiger politischer und finanzieller Herausforderungen dürfe die Klimaanpassung vernachlässigt werden, Sturzfluten, Hitze und Dürre kosteten Leben und Existenzen.
Die Anstrengung, die Klimaanpassung bedeute, sei es Wert, verwüstete Landschaften und Milliarden an Folgekosten ließen sich vermeiden. An die Länder gewandt, appellierte Al-Halak zudem, die Kommunen besser zu finanziell auszustatten. „Ihr könnt sie nicht am Tropf verdursten lassen und dann auf den Bund zeigen.“
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Mit dem Bundesklimaanpassungsgesetz will die Bundesregierung Bund, Ländern und Kommunen verbindliche Klimaanpassungsstrategien und -maßnahmen vorschreiben. Damit werde erstmals ein strategischer Rahmen für eine vorsorgende Klimaanpassung auf allen Verwaltungsebenen in Deutschland geschaffen, heißt es in dem Gesetzentwurf.
Konkret verpflichtet sich die Bundesregierung, eine „vorsorgende Klimaanpassungsstrategie“ vorzulegen und umzusetzen. Diese Strategie solle alle vier Jahre „unter Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse“ fortgeschrieben werden und messbare Ziele und Indikatoren für die Zielerreichung enthalten. Die Ziele seien zudem mit geeigneten Maßnahmen auf Bundesebene zu unterlegen, so die Regierung. Auch Empfehlungen für Maßnahmen der Länder sowie ein verpflichtendes Monitoring soll die Strategie demnach enthalten.
Klimaangepasste Bundesliegenschaften
Mit „klimaangepassten Bundesliegenschaften“ will die Bundesregierung eigenen Aussagen zufolge eine Vorbildfunktion einnehmen. Ein Berücksichtigungsgebot soll regeln, dass alle Träger öffentlicher Aufgaben bei ihren Planungen und Entscheidungen das Ziel des Gesetzes fachübergreifend und integriert berücksichtigen müssen.
Für die Länder sieht der Entwurf zudem vor, dass sie eigene vorsorgende Klimaanpassungsstrategien mit Maßnahmenplänen vorlegen und umsetzen, um die Auswirkungen und Risiken durch die Folgen des Klimawandels zu begrenzen. Grundlage hierfür müssten neben Klimarisikoanalysen auch Analysen der bereits eingetretenen Auswirkungen des Klimawandels in den einzelnen Ländern auf Grundlage von möglichst regionalen Daten sein, heißt es im Entwurf.
Kommunale Klimaanpassungskonzepte
Für das Gebiet jeder Gemeinde und jedes Kreises soll darüber hinaus ein integriertes Klimaanpassungskonzept aufgestellt werden. Die Länder können dem Entwurf zufolge aber bestimmen, dass für das Gebiet einer Gemeinde unterhalb einer von den Ländern zu bestimmenden Größe kein Klimaanpassungskonzept aufgestellt werden muss, solange ihr Gebiet durch ein Klimaanpassungskonzept für das Gebiet eines Kreises abgedeckt ist.
Länder, die von der letztgenannten Option keinen Gebrauch machen, sollen dem Entwurf zufolge bestimmen können, dass für das Gebiet von Landkreisen oder Kreisen kein Klimaanpassungskonzept aufgestellt werden muss. Juristische Personen des öffentlichen Rechts unter Aufsicht des Bundes sollen Klimaanpassungskonzepte aufstellen und die darin vorgesehenen Maßnahmen umsetzen.
Änderungen im Ausschuss
Im Parlamentarischen Prozess wurden im Umweltausschuss noch ein Änderungsantrag und ein Entschließungsantrag der Ampelfraktionen angenommen, mit dem die im Regierungsentwurf genannten Cluster und Handlungsfelder für Klimaanpassungsmaßnahmen erweitert werden. So sieht das Gesetz nun auch ein „Cluster mit übergreifenden Handlungsfeldern, wie beispielsweise vulnerable Gruppen oder Arbeitsschutz“ vor, für das sich insbesondere die SPD eingesetzt hatte. Bestimmte Berufsgruppen, die im Freien arbeiteten, seien von steigenden Temperaturen besonders betroffen, erklärte ein Vertreter der Fraktion dazu im Ausschuss.
Des Weiteren wurden bei den vorrangigen Maßnahmen auch solche ergänzt, die Synergien zu Maßnahmen des resilienten Wasserhaushalts und der blau-grünen Infrastruktur aufweisen. Dafür hatten sich Sachverständige bei einer öffentlichen Anhörung im Umweltausschuss ausgesprochen. Weitere Änderungen betreffen unter anderem die Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit, die Betonung der Klimarisikoanalyse als „systematische Grundlage für die Klimaanpassung“ sowie eine Konkretisierung des Berücksichtigungsgebots. Danach sollen künftig Träger öffentlicher Aufgaben bei ihren Planungen und Entscheidungen auch die Klimaanpassung berücksichtigen. Ein Jahr mehr Zeit sollen auch die Länder zur Erarbeitung ihrer Klimaanpassungsstrategien bekommen: Erst bis spätestens zum 31. Januar 2027 sollen sie diese vorlegen müssen.
Entschließung geplant
In ihrem Entschließungsantrag dringen die Koalitionsfraktionen zudem darauf, eine gemeinsamen Finanzierung von Bund und Ländern zur Klimavorsorge und Klimaanpassung anzustreben und sie mit ausreichend finanziellen Mitteln ausstatten. Ein Anliegen, auf das die zuständige Umwelt-Staatssekretärin Bettina Hoffmann (Bündnis 90/Die Grünen) im Ausschuss bereits reagierte: In der Umweltministerkonferenz werde die Bundesumweltministerin mit den Länder-Kolleginnen und -kollegen über die Finanzierungsfrage beraten, kündigte Hoffmann an.
Die Schaffung einer Gemeinschaftsaufgabe Klimaanpassung, wie sie Sachverständige und Vertreter der kommunalen Spitzenvertreter auch in der Anhörung gefordert hatten, halte auch sie für wichtig. Klimaanpassung sei schließlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Antrag der CDU/CSU
Die Union attestiert der Bundesregierung eine bescheiden ausfallende Klimaschutz-Halbzeitbilanz. In ihrem Antrag (20/9316) „Klimaschutz international weiter stärken und nicht national konterkarieren“ fordern die Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion die Bundesregierung auf, sich in enger Abstimmung innerhalb Europas weiterhin dafür einzusetzen, dass die Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention angesichts massiver globaler Herausforderungen und Konflikte besser kooperieren und mehr Anstrengungen unternehmen, um den Klimawandel zu begrenzen;die Klimaaußenpolitik-Strategie der Bundesregierung zügig zu verabschieden und das Klimakabinett zu reaktivieren und sich in kommenden Verhandlungen weiterhin mit Nachdruck für einen globalen Emissionshandel mit einem globalen CO2-Preis einzusetzen.
Neben anderen Forderungen rufen die Abgeordneten die Regierung dazu auf, die Verbindlichkeit des Klimaschutzgesetzes, mit der Pflicht zur Nachsteuerung nach Verfehlen eines Jahresziels zu erhalten, davon abzusehen, das Klimaschutzgesetz durch Verschieben von Reduktionspflichten in die kommende Legislaturperiode zu entkernen und damit einen verlässlichen Pfad zur Klimaneutralität 2045 sicher zu stellen. Dem marktwirtschaftlichen Instrument der CO2-Bepreisung samt sozialem Ausgleich solle dafür eine herausragende Rolle gegeben werden, zudem müsse sofort ein gesetzeskonformes Klimaschutzprogramm vorgelegt werden. (sas/vom/mis/sas/16.11.2023)