Der Bundestag hat am Freitag, 23. Juni 2023, Anträge der Fraktionen von CDU/CSU (20/4887), Die Linke (20/5980) und AfD (20/5361) zum Assoziierungsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten abgelehnt. Alle drei Vorlagen wies das Parlament auf Grundlage von Empfehlungen des Wirtschaftsausschusses (20/7311, 20/7323, 20/7392) gegen das Votum der jeweils antragstellenden Fraktion zurück. Erstmals berieten die Abgeordneten außerdem einen Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Mitsprache- und Entscheidungsrechte der EU-Mitgliedstaaten und nationalen Parlamente beim EU-Mercosur-Abkommen sichern“ (20/7345). Die Vorlage wird federführend im Wirtschaftsausschuss weiterberaten.
Grüne wollen „Handelspolitik auf Augenhöhe“
Maik Außendorf (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, man mache „Handelspolitik auf Augenhöhe“. Handel müsse mehr sein als bloßer Warenaustausch. Es habe sich auch in der Anhörung der Sachverständigen gezeigt, dass es bei den Themen Nachhaltigkeit und Waldschutz noch Handlungsbedarf gebe.
Die EU-Kommission habe die Aufgabe, auf Südamerika zuzugehen: „Es ist angesichts der geopolitischen Lage wichtig, die Beziehung auf allen Ebenen zu intensivieren.“ Es brauche ein eigenständiges Waldschutzkapitel oder eine Neufassung der Zusatzvereinbarung zum Waldschutz, betonte Außendorf.
CDU/CSU: Die EU wartet auf Deutschland
Julia Klöckner (CDU/CSU) kritisierte, dass SPD und Grüne das Handelsabkommen mit den USA, TTIP, verhindert hätten. Nun verzögere man auch bei dem Mercosur-Abkommen. „Sie haben nichts gelernt aus TTIP, legen immer noch einen drauf“, sagte Klöckner in Richtung der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen.
„Wenn wir nicht mit den Mercosur-Staaten zusammenkommen, mit wem denn dann?“, fragte die Christdemokratin. Deutschland sei nicht die grüne Partei, aber in der EU warte man erneut auf die Nachverhandlungen Deutschlands.
SPD: Einigung bis Ende des Jahres
Markus Töns (SPD) entgegnete, dass es ein Mythos sei zu glauben, dass alles in Ordnung wäre, hätte man TTIP abgeschlossen. Nicht nur Deutschland habe das verhindert; die Texte beider Seiten hätten vor Misstrauen gestrotzt. Die Verhandlungen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten hätten 20 Jahre gedauert, das sei eine lange Zeit.
Nun gebe es mit dem brasilianischen Präsidenten ein „window of opportunity“, eine Möglichkeit abzuschließen, so Töns. „Ich glaube, wir können die demokratischen Partner in den Mercosur-Staaten nicht mehr länger warten lassen.“ In dem Punkt stimme er mit der Unionsfraktion überein, sagte Töns. „Es wird eine Einigung bis Ende des Jahres geben, davon bin ich zutiefst überzeugt.“
AfD: Abkommen müssen Wohlstand für die Bürger bringen
Dr. Malte Kaufmann (AfD) sagte, dass Freihandelsabkommen etwas Gutes seien, „wenn sie Wohlstand für die Bürger unseres Landes bringen“. Er unterstellte der Unionsfraktion, sich mit der Forderung nach einer schnellen Ratifikation den Grünen anzubiedern.
Ähnliches habe bereits die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) mit dem Green Deal gemacht. „Geht es hier im Kern wirklich um Wohlstandsmehrung? Oder soll hier nur eine linksgrüne Ideologie in Europa verbreitet werden?“, fragte Kaufmann.
FDP: Scheitern ist keine Option
Carl-Julius Cronenberg (FDP) befand, dass mehr Wohlstand und mehr Wachstum und mehr Umweltschutz zusammengehörten. Das Abkommen müsse deshalb besser jetzt als gar nicht abgeschlossen werden. „Scheitern ist keine Option“, sagte der Liberale im Plenum.
Zu den Verhandlungen mit den Mercosur-Staaten sagte Cronenberg: „Eine Partnerschaft gelingt auf Augenhöhe oder sie gelingt nicht.“ Man müsse deshalb nun zeigen, dass es Deutschland ernst sei mit einer Partnerschaft auf Augenhöhe.
Linke: Abholzung ist nicht in unserem Interesse
Alexander Ulrich (Die Linke) sagte, die Linke wolle das Abkommen nachverhandeln beziehungsweise neu verhandeln. „Wir müssen uns Gedanken darüber machen, was im Interesse Deutschlands ist“, so Ulrich.
Es könne nicht im deutschen Interesse sein, dass der Regenwald abgeholzt wird oder landwirtschaftliche Produkte klimaschädlich importiert würden, während die Landwirtschaft in Deutschland leidet. Er sei froh, dass auch andere europäische Parlamente wie das französische nun massive Bedenken gegen das Abkommen geäußert haben, so Ulrich.
Regierung: Wirtschaft des Mercosur und EU resilienter machen
Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen), Parlamentarische Staatssekretärin, sagte in Richtung der Unionsfaktion, dass bereits das halbe Kabinett nach Südamerika gereist sei, um die Verhandlungen voranzubringen. „Wer war denn in den letzten Jahren von der Union da?“, fragte Brantner. Mau sehe es da aus, beantwortete sie die Frage.
Mit dem Abkommen werde man die Wirtschaft des Mercosur und der EU nachhaltiger und resilienter machen. „Wir werden beweisen, dass Demokratien in dieser schwierigen geopolitischen Zeit zusammenarbeiten können“, schloss Brantner.
Antrag der CDU/CSU
Wie es im Unionsantrag (20/4887) heißt, muss Deutschland geopolitisch bedeutsame Partnerschaften festigen und ausbauen. Nur in Zusammenarbeit mit „Wertepartnern“ werde der Erhalt der internationalen regelbasierten Ordnung und die Stärkung freiheitlich-demokratischer Gesellschaften in einer multipolaren Welt möglich sein. Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung deshalb auf, auf europäischer Ebene und in bilateralen Gesprächen mit den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) mit Nachdruck für eine baldige Ratifikation des EU-Mercosur-Assoziierungsabkommens einzutreten.
Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft soll nach dem Willen der Unionsfraktion dabei unterstützt werden, dass die EU-Kommission den Entwurf eines Ratifikationsgesetzes für das Inkrafttreten des EU-Mercosur-Abkommens vorlegt und dass das „geopolitisch sehr bedeutsame Abkommen“ nicht durch Rufe nach Zusatzvereinbarungen und Nachverhandlungen aufs Spiel gesetzt wird.
Antrag der Linken
Die Linke fordert in ihrem Antrag (20/5980), der abgestimmt werden soll, die Bundesregierung dazu auf, der Unterzeichnung des EU-Mercosur-Abkommens durch die EU-Kommission in seiner jetzigen Form nicht zuzustimmen und sich dafür einzusetzen, dass der Ratifizierungsprozess des vorliegenden Abkommens gestoppt wird.
Weiterhin fordern die Abgeordneten, dass sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für Neuverhandlungen des Abkommens einsetzt. Ziel solle sein, Arbeits-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards und die Rechte der indigenen Bevölkerung samt einer staatlichen Kontrollaufsicht verbindlich im Abkommen festzuschreiben. Gefordert wird zudem, dass sich die Bundesregierung für einen fairen Welthandel mit eindeutigen und einklagbaren sozialen und ökologischen Standards einsetzt.
Antrag der AfD
Das zwischen der Europäische Union (EU) und den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay geplante Freihandelsabkommen gewährleistet der europäischen und deutschen Landwirtschaft aus Sicht der AfD-Fraktion „keine fairen Wettbewerbsbedingungen“. Die Abgeordneten sehen in dem Abkommen die Gefahr, dass sich die „ohnehin schon schwierige wirtschaftliche Situation in der deutschen Landwirtschaft weiter verschlechtert und die Existenz tausender bäuerlicher Familienbetriebe gefährdet“ sei.
In einem Antrag (20/5361) fordert die Fraktion deshalb, das Abkommen nicht zu ratifizieren, „solange es Zollkontingente beziehungsweise Freihandelsquoten für Zucker, Ethanol, Rindfleisch und Geflügelfleisch beinhaltet“. Vor allem bei diesen Agrarprodukten seien die Mercosur-Staaten sehr wettbewerbsfähig, heißt es in dem Antrag. Die AfD-Fraktion befürchtet deshalb eine Benachteiligung der heimischen Landwirtschaft.
Neuer Antrag der Linken
Die Fraktion Die Linke will die Mitsprache- und Entscheidungsrechte der EU-Mitgliedstaaten und der nationalen Parlamente beim EU-Mercosur-Abkommen sichern. In ihrem Antrag (20/7345) fordert sie die Bundesregierung auf, sich auf EU-Ebene umgehend und nachdrücklich dafür einzusetzen, dass der Handelsteil des Abkommens nicht nachträglich vom Rest des Abkommens getrennt wird. So werde dafür gesorgt, dass neben dem Rat der EU und dem Europäischen Parlament auch alle nationalen Parlamente über das komplette Abkommen entscheiden können.
Über das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay wird seit rund 20 Jahren verhandelt. Der Linksfraktion zufolge lehnen es zahlreiche Gewerkschaften, Umweltverbände und Menschenrechtsorganisationen in der EU und in den Mercosur-Staaten ab. Sie befürchteten bei dessen Umsetzung schwerwiegende Folgen für das Klima, die Biodiversität und die Menschen- beziehungsweise Arbeitnehmerrechte. Außerdem würde es die Agrar- und Mobilitätswende ausbremsen und die Industrialisierung in Südamerika verhindern.
Die EU-Kommission beabsichtige, das Abkommen aufzuteilen, um so die Ratifizierung des Handelsteils voranzutreiben, schreibt die Linksfraktion. Dieses Aufteilen („Splitting“) würde den Handelsteil vom politischen Teil trennen. Die Ratifizierung des Handelsteils bedürfe dann nur der Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der Ministerinnen und Minister im Rat der Europäischen Union und des Europäischen Parlaments, nicht aber der nationalen Parlamente, wie das bei einem gemischten Abkommen erforderlich wäre, betonen die Abgeordneten. (vom/emu/23.06.2023)