Digitales- und Verkehrs-Etat schrumpft um rund eine Milliarde Euro
Der Bundestag hat sich am Dienstag, 6. September 2022, in erster Lesung eineinhalb Stunden lang mit dem Etatentwurf 2023 beschäftigt. Obwohl die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland unter großen Problemen leidet, muss Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) im kommenden Jahr mit einem geringeren Etat des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr auskommen als im laufenden Jahr. So sollen die Ausgaben 2023 im Einzelplan 12 des Bundeshaushaltes (20/3100) mit 35,04 Milliarden Euro um rund eine Milliarde Euro niedriger ausfallen als in diesem Jahr. Als Einnahmen sind 8,65 Milliarden Euro anvisiert gegenüber 7,98 Milliarden Euro 2022. Davon sollen 8,02 Milliarden Euro auf die Lkw-Maut entfallen (2022: 7,36 Milliarden Euro).
Minister kündigt Nachfolgemodell fürs Neun-Euro-Ticket an
Minister Volker Wissing sieht in seinem Haushaltsentwurf trotzdem ein Zeichen für eine „verantwortliche, vernünftige und zuverlässige“ Politik. So würden die Investitionen in die Schiene um 500 Millionen Euro erhöht, führte er während der ersten Lesung des Haushaltsentwurfs an. Die Verkehrsinfrastruktur leiste einen wichtigen Beitrag für die Sicherheit Deutschlands, dies hätten auch die Belastungen durch den Ukraine-Krieg gezeigt. Vor allem aber müssten die Planungsverfahren beschleunigt werden. 18 Jahre für die Realisierung einer Schienentrasse seien zu lang.
Wissing kündigte zum Jahresbeginn 2023 die Einführung eines Nachfolgemodells für das Neun-Euro-Ticket an. Dafür wolle der Bund 1,5 Milliarden Euro bereitstellen, aber die Bundesländer müssten sich auch an den Kosten beteiligen, führte Wissing aus.
AfD: Erhaltung der Substanz höchste Priorität einräumen
Die Oppositionsfraktionen zeigten sich allerdings nicht überzeugt von den Ausführungen Wissings und seinem Etatentwurf. Markus Bühl (AfD) warf der alten und der neuen Bundesregierung vor, durch eine „ideologische Verkehrswende“ für die Probleme bei der Verkehrsinfrastruktur verantwortlich zu sein. Die Erhaltung der Substanz müsse im Verkehrsetat die höchste Priorität eingeräumt werden. 80 Prozent des gesamten Verkehrs würden über die Straße abgewickelt, dies müsse sich auch im Haushalt spiegeln, argumentierte Bühl.
Die größte Belastung für die Bürger in Deutschland seien die hohen Kraftstoffpreise, diese seien „unerträglich“. Der im Sommer für drei Monate eingeführte Tankrabatt sei ein „kurzfristiges Strohfeuer“ gewesen, von dem in erster Linie die Mineralölkonzerne profitiert hätten. In Polen seien hingegen die Benzinpreise deutlich niedriger, da dort die die Besteuerung geringer ausfalle. Die Koalition hingegen wolle Benzin immer stärker besteuern, monierte Bühl.
Linke: Gelegenheit für Nachfolge des Neun-Euro-Tickets verpasst
Bernd Rixinger (Die Linke) warf der Regierungskoalition vor, sie habe die Gelegenheit verpasst, rechtzeitig ein Nachfolgemodell für das Neun-Euro-Ticket auf den Weg zu bringen. Alle entsprechenden Anträge und Vorschläge seiner Fraktion seien von der Koalition vor der Sommerpause abgelehnt worden. Jetzt plötzlich würden sich die Grünen für ähnliche Vorschläge einsetzen. Die gemachten Vorschläge für ein bundesweit gültiges ÖPNV-Ticket zwischen 49 und 69 Euro pro Monat seien jedoch viel zu teuer.
„Sie lassen den Elfmeter liegen und schießen lieber ein Eigentor“, sagte Rixinger in Richtung der Koalitionsfraktionen. Er verwies auf das Beispiel Spanien: Dort sei der öffentliche Personennahverkehr kostenfrei gestellt worden, finanziert werde dies durch eine Übergewinnsteuer.
CDU/CSU: Digitalstrategie der Bundesregierung ist enttäuschend
Die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Nadine Schön (CDU/CSU) hielt der Regierungskoalition vor, sie habe ihre Versprechungen in der Digitalpolitik nicht eingehalten. Wissing habe zwar im Namen seines Ministeriums das Digitale vor den Verkehr gezogen, allerdings „steht dies für nichts“. Die von der Bundesregierung präsentierte Digitalstrategie sei enttäuschend ausgefallen und zeichne sich vor allem durch „überschaubare Ambitionen“ aus. „Selbst die Grünen halten sie nicht für gut“, sagte Schön.
Laut Umfragen seien 71 Prozent der Bundesbürger unzufrieden mit der Digitalpolitik der Regierung. Das angekündigte Digitalbudget sei erneut verschoben worden und komme nun frühestens 2023 – drei Jahre nach dem Regierungswechsel.
FDP: Prestigeprojekte auf ihre Realisierbarkeit prüfen
Vertreter der Regierungskoalition verteidigten den Etatentwurf und Minister Wissing. Dieser habe ein „schweres Erbe angetreten“, bescheinigten Metin Hakvedi (SPD), Dr. Paula Piechotta (Bündnis 90/Die Grünen) und Frank Schäffler (FDP). Die neue Regierung könne nicht in kurzer Zeit den Investitionsstau im Verkehrssektor von 16 Jahren Kanzlerschaft Dr. Angela Merkel (CDU) ausgleichen.
Die Koalition habe deshalb erst einmal geprüft, wie der Bedarfsplan im Verkehrssektor aussieht, führte Schäffler aus. Dieser falle um 65 Milliarden Euro höher aus: 20 Milliarden Euro entfielen auf die Schiene, fünf Milliarden Euro auf die Wasserstraßen und 40 Milliarden Euro für das Straßennetz. Deshalb müssten große Verkehrsprojekte und vor allem Prestigeprojekte auf ihre Realisierbarkeit geprüft werden.
SPD: Im Schienennetz fehlen rund 70.000 Weichen
Metin Hakvedi monierte, dass allein im deutschen Schienennetz rund 70.000 Weichen fehlten. Diese seien in der Vergangenheit „den Privatisierungsfantasien“ aus Kostengründen abgebaut worden.
In der Folge könnten Züge im Personen- und im Güterverkehr nicht umgeleitet werden. „Ohne Weichen stehen die Züge“, sagte Hakvedi. Die Einführung „Digitaler automatischer Kopplungen“ (DAK) werde weitere erhebliche finanzielle Mittel erfordern.
Grüne verweisen auf Bedeutung der Wasserstraßen
Paula Piechotta verwies auf die Bedeutung der Wasserstraßen für die Verkehrsinfrastruktur. Angesichts historischer Pegel-Tiefstände am Rhein und anderen wichtigen Wasserstraßen werde das Problem bei der Logistik weiter verschärft, dies sei nicht resilient.
Angesichts steigender Baukosten müssten in allen Bereichen der Verkehrsinfrastruktur priorisiert werden, die Mobilität müsse wieder krisenfest werden.
Leichter Ausgabenanstieg bei Bundesfernstraßen
Die Investitionen sollen 21,45 Milliarden Euro betragen gegenüber 21,89 Milliarden Euro in diesem Jahr. Die geplanten Zuweisungen und Zuschüsse sinken von 10,71 Milliarden Euro auf 10,1 Milliarden Euro, die Personalausgaben steigen von 1,92 auf 1,95 Milliarden Euro und die sächlichen Verwaltungsausgaben verharren bei zwei Milliarden Euro.
Auf die Bundesfernstraßen entfallen Ausgaben von 12,7 Milliarden Euro (2022: 12,51 Milliarden Euro), davon 1,19 Milliarden Euro auf Ausgaben im Zusammenhang mit der Lkw-Maut (2022: 1,03 Milliarden Euro).
Weniger Geld für Bundesschienenwege
Für die Bundesschienenwege sind 8,96 Milliarden Euro vorgesehen (2022: 9,59 Milliarden Euro). Darin enthalten sind Baukostenzuschüsse für Investitionen in Höhe von zwei Milliarden Euro (2022: 1,9 Milliarden Euro) und der Infrastrukturbeitrag des Bundes für die Erhaltung der Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes mit 4,67 Milliarden Euro (2022: 5,29 Milliarden Euro).
Das Eigenkapital der Deutschen Bahn AG soll wie in diesem Jahr wieder mit 1,13 Milliarden Euro aufgestockt werden. Deutliche Kürzungen sind hingegen bei der Förderung des Schienenverkehrs geplant: der Etatansatz sinkt von 1,09 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 494,78 Millionen Euro.
Eine Milliarde für den Verkehr in den Gemeinden
Eine Milliarde Euro soll wie in diesem Jahr bereitgestellt werden, um die Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden zu verbessern. Die Bundeswasserstraßen sollen mit 1,35 Milliarden Euro bedacht werden im Vergleich zu 1,7 Milliarden Euro 2022.
Für den Ausbau der digitalen Infrastruktur sind 1,2 Milliarden Euro vorgesehen, nahezu eine Verdreifachung gegenüber den Ausgaben 2022 (456,16 Millionen Euro). Aufgestockt werden soll bei den Ausgaben für Luft- und Raumfahrt, und zwar von 438,42 Millionen Euro auf 626,24 Millionen Euro. (aw/vom/06.09.2022)