Kürzungen im Etat des Auswärtiges Amtes geplant
Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) hat angesichts geplanter Kürzungen der Mittel für Friedenssicherung oder bei der humanitären Hilfe im nächsten Bundeshaushalt davor gewarnt, die Menschen in der Ukraine und anderen Teilen der Welt zu vernachlässigen. In einer der größten außenpolitischen Krisen dürfe nicht im Außenbereich und bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gekürzt werden, sagte sie am Mittwoch, 7. September 2022, in der ersten Beratung über den Haushalt 2023 des Auswärtigen Amtes.
Vielmehr müsse man konstruktiv überlegen, wie man in diesen Zeiten klare Prioritäten setzen könne „bei der humanitären Hilfe, aber eben auch weiter bei der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik“.
Weniger Geld für die Friedenssicherung
Der Etat des Auswärtigen Amts soll im kommenden Jahr geringer ausfallen als in diesem Jahr. Laut Regierungsentwurf (20/3100) sind im Einzelplan 05 Ausgaben von 6,4 Milliarden Euro vorgesehen, was gegenüber 2022 (7,11 Milliarden Euro) einen Rückgang bedeutet. Für die Sicherung von Frieden und Stabilität soll Baerbock 3,43 Milliarden Euro ausgeben können. In diesem Jahr standen dafür noch 4,07 Milliarden Euro zur Verfügung. Kürzungen sind auch bei der humanitären Hilfe und der Krisenprävention geplant, der Ansatz soll von drei Milliarden Euro auf 2,52 Milliarden Euro schrumpfen.
Für die bilaterale Zusammenarbeit und die Pflege der Auslandsbeziehungen sieht der Etat 147,62 Millionen Euro vor (2022: 164,96 Millionen Euro). 972,6 Millionen Euro sollen für die Pflege der kulturellen Beziehungen zum Ausland bereitgestellt werden (2022: 1,03 Milliarden Euro).
Ministerin: Unsere größte Stärke ist Zusammenhalt
Angesichts der Debatte über Unterstützung für die Bürgerinnen und Bürger wegen der hohen Energiepreise warnte Baerbock zudem davor, die Lage in Deutschland gegen die Hilfe für die Menschen in der Ukraine oder in Afrika auszuspielen.
Die Solidarität mit den aus der Ukraine Geflüchteten sei „unsere gemeinsame Stärke“, sagte sie. „Lassen Sie uns es dem russischen Regime nicht so einfach machen, in diesen Momenten unsere größte Stärke anzugreifen. Und das ist unser Zusammenhalt.“
Union: Die Ukraine kämpft unseren Kampf
Auch Jürgen Hardt (CDU/CSU) ging auf die Sorgen angesichts steigender Energiepreise und wachsender Inflation ein. Es sei ein Trugschluss zu glauben, man hätte „Ruhe und Frieden und billiges Gas“, wenn man auf den russischen Präsidenten zugehen würde. „Putin würde sich dadurch ermutigt fühlen, fortzuschreiten“ und weitere Nachbarn anzugreifen. Es sei nicht nur moralisch gerechtfertigt, die Ukraine massiv zu unterstützen, sondern auch eine pragmatische Entscheidung, weil die Ukrainer „tatsächlich eben auch unseren Kampf kämpfen“.
Hardt übte in diesem Zusammenhang Kritik an „widersprüchlichen Aussagen“ der Bundesregierung in Bezug auf ausbleibende Waffenlieferungen. Mit Blick auf eine mögliche Aufstockung der Mittel für die humanitäre Hilfe signalisierte er der Koalition Verhandlungsbereitschaft.
SPD: Putin ist null an Verhandlungen interessiert
Gabriela Heinrich (SPD) zeigte sich „nicht so glücklich“ mit einigen Ansätzen im Etat, insbesondere bei der humanitären Hilfe. Die deutsche Außenpolitik müsse in vielen Regionen die blanke Not lindern. Die Mittel dafür seien in den vergangenen Jahren zwar massiv erhöht worden, „und das war richtig“. Das Geld habe aber trotzdem nicht gereicht.
Im Sinne einer Stärkung der Zivilgesellschaft in den Partnerländern werde man außerdem darauf drängen, die Mittel für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik wieder auf die sogenannte „Kulturmilliarde“ zu erhöhen. Mit Blick auf den russischen Überfall auf die Ukraine betonte Heinrich, dass für ihre Fraktion Diplomatie immer Vorrang habe. Putin sei aber aktuell „null an Verhandlungen interessiert“ und sei es auch nie gewesen.
AfD: Regierung hat sich verzockt
Dr. Michael Espendiller (AfD) warf der Bundesregierung vor, sich mit ihrer Sanktionspolitik gegenüber Russland „verzockt“ zu haben: Man mache „auf dicke Hose“ und rede einem Öl- und Gasembargo das Wort, „und dann ist das Geschrei groß, wenn tatsächlich kein russisches Gas mehr kommt“.
Die Sanktionen führten hierzulande zu steigenden Preisen an den Tankstellen, beim Einkaufen, bei Strom- und Gasabschlägen der Versorger, und sie bescherten Russland durch die Rohstoff-Verknappung auch noch höhere Einnahmen als zuvor.
FDP: Wir dürfen uns dem Protektionismus nicht ergeben
Alexander Graf Lambsdorff (FDP) erinnerte indes daran, dass die Wirtschaft bereits vor dem Krieg in der Ukraine durch eine „borniert-harte Zero-Covid-Politik Chinas, durch die Disruption in den Lieferketten schwer gestört“ gewesen sei, hinzu käme Protektionismus als eine Ursache.
„Wir dürfen uns dem Protektionismus nicht ergeben.“ Man müsse Handelsabkommen wie Ceta mit Kanada und Mercosur mit Südamerika voranbringen und weitere solche Abkommen schließen, „denn die Globalisierung ist die Grundlage des Wohlstands unseres Landes“.
Linke moniert „Flickschusterei“ der Bundesregierung
Dr. Gregor Gysi (Die Linke) monierte, dass im Krieg zwischen Russland und der Ukraine ausgerechnet die Türkei als Vermittler auftrete, die völkerrechtswidrige Kriege in Syrien und im Irak führe und Griechenland bedrohe. „Wäre die Vermittlungsrolle nicht eigentlich eine Aufgabe des Bundeskanzlers Scholz und des französischen Präsidenten Macron?“
Gysi kritisierte zudem die Hilfen der Bundesregierung angesichts steigender Preise bei Lebensmittel und Energie als „unzureichend und Flickschusterei“. Es wäre wichtig, über bestimmte Sanktionen neu nachzudenken und andererseits die Energieversorgung der Bevölkerung in vollem Umfang zu sichern.
Grüne gegen Kürzungen bei humanitärer Hilfe
Jamila Schäfer (Bündnis 90/Die Grünen) wandte sich gegen die vorgesehenen Kürzungen bei humanitärer Hilfe und auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik.
Diese Mittel seien „nicht einfach nur Geschenke an andere Länder. Diese Gelder sorgen für ein Mindestmaß an Menschlichkeit“ – nach Naturkatastrophen wie derzeit in Pakistan, bei Hungerkrisen wie derzeit in Somalia, durch Unterstützung der Zivilbevölkerung in der Ukraine. (ahe/vom/07.09.2022)