Arbeits- und Sozialetat wächst auf 163 Milliarden Euro
Am Donnerstag, 8. September 2022, hat der Bundestag den Haushaltsplan des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstmal beraten. Auch diese Debatte stand ganz im Zeichen der Energiekrise und der damit drohenden Kosten, die auf die Bürger und die Gesellschaft insgesamt zukommen werden. Sozialer Zusammenhalt sei gerade in der aktuellen Situation so wichtig wie nie, hieß es von Seiten der Bundesregierung und der Koalition, die das dritte Entlastungspaket, aber auch die Bürgergeld-Reform verteidigten. Die Oppositionsfraktionen kritisierten eine zu wenig zielgenaue Entlastung und übten teils harsche Kritik an den Bürgergeld-Plänen.
Nach einem leichten Rückgang in diesem Jahr soll der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im kommenden Jahr um rund zwei Milliarden Euro steigen und damit der ausgabenstärkste Etat des Bundeshaushalts bleiben. Laut Haushaltsentwurf 2023 (20/3100) kann Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) im nächsten Jahr 163,33 Milliarden Euro (2022: 161,1 Milliarden Euro) ausgeben.
Rentenversicherung und Grundsicherung im Alter
Die größten und deutlich gestiegenen Ausgabenposten sind Kosten für die Rentenversicherung und die Zuschüsse des Bundes für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung: Dafür sieht der Entwurf insgesamt 121,28 Milliarden Euro (2022: 116,79 Milliarden Euro) vor.
Diese Summe setzt sich zusammen aus den Leistungen an die Rentenversicherung von 112,39 Milliarden Euro (2022: 108,3 Milliarden Euro). Für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung will der Bund 8,75 Milliarden Euro (2022: 8,35 Milliarden Euro) ausgeben.
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Ebenfalls ein Schwergewicht im Haushaltsplan sind die Kosten für arbeitsmarktpolitische Leistungen und Programme: Dafür plant der Bund einschließlich eines Darlehens an die Bundesagentur für Arbeit – zusätzlich zu den Mitteln der Bundesagentur für Arbeit – 40,96 Milliarden Euro ein und damit deutlich weniger als 2022 (42,35 Milliarden Euro).
40,59 Milliarden Euro (2022: 40,81 Milliarden Euro) entfallen auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Dazu gehören wiederum Leistungen in Höhe von 21,33 Milliarden Euro (2022: 21,09 Milliarden Euro) für das Arbeitslosengeld II. Für die Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung sind 10 Milliarden Euro eingeplant (2022: 9,8 Milliarden Euro). Die Leistungen für Eingliederung in Arbeit sollen sich auf 4,2 Milliarden Euro belaufen (2022: 4,81 Milliarden Euro).
Bundesregierung will vereinfachten Zugang zum Kurzarbeitergeld verlängern
Bundesarbeitsminister Heil betonte: „Die Ursache für die Probleme ist, dass Energie als Waffe eingesetzt wird, um den sozialen Frieden zu untergraben. Putin wird unsere Gesellschaft nicht spalten.“ Jetzt komme es darauf an, Arbeitsplätze zu sichern. Deshalb „werden wir den vereinfachten Zugang zum Kurzarbeitergeld in diesem Winter weiter verlängern und den Bundestag bitten, uns alle Handlungsoptionen für eine wirtschaftliche Eskalation im Bereich der Kurzarbeit zu geben“.
Äußere Sicherheit und innerer sozialer Friede seien zwei Seiten einer Medaille, sagte Heil und betonte unter Verweis auf Maßnahmen zur Fachkräftesicherung: „Wir brauchen aber nicht nur Krisenmanagement, sondern auch Fortschritt und langfristige Lösungen.“
Union: Gezieltere Entlastungen für die Mitte
Hermann Gröhe (CDU/CSU) sprach von einem „dramatischen Stresstest“, den das Land momentan durchmache. An die AfD und die von ihr angekündigten Herbst-Proteste gerichtet, sagte er: „Wer auf einen dramatischen Winter hofft, wer will, dass aus den Sorgen vieler Menschen Wut wird, der versagt politisch, der versagt moralisch.“
Gröhe betonte, seine Fraktion hätte sich eine gezieltere Einmalzahlung in den Entlastungspaketen gewünscht: „Mehr Geld für die, die bis weit in die Mitte unserer Gesellschaft hinein jeden Cent umdrehen müssen, keine Unterstützung für die, die sie nicht brauchen.“ Er kritisierte außerdem das geplante Bürgergeld. Es dürfe nicht zu einem bedingungslosen Grundeinkommen werden, warnte er.
Grüne: Es geht nicht darum, Sanktionen abzuschaffen
Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte wiederum die Art der Kritik aus Unionskreisen am geplanten Bürgergeld. Dieser läge ein zweifelhaftes Menschenbild zugrunde, sagte Kurth. Die Regierung habe keinesfalls vor, ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen und Sanktionen abschaffen, wie es die Union stets behaupte.
„Wir haben eine sechsmonatige Vertrauenszeit vereinbart. Es geht darum, dass man zunächst mal – nicht für ewig – auf der Basis von Vertrauen eine Arbeitsbeziehung zwischen Jobcenter, Fallmanagerinnen und -managern und Hilfebedürftigen beginnt.“
AfD: Skandalöse Realitätsverweigerung
Jürgen Pohl (AfD) kritisierte den Haushaltsplan als „Haushalt der Ideologen, Träumer und Kostgänger“ und diagnostizierte eine „skandalöse Realitätsverweigerung“. So seien Rentner nach wie vor vergessen, denn die „jämmerlichen 300 Euro“ im Entlastungspaket würden niemals reichen, um die Preissteigerungen auszugleichen.
„Die untersten 40 Prozent auf der Einkommensskala haben keine Rücklagen und werden für die verkorkste Energie- und Sanktionspolitik zur Kasse gebeten“, sagte Pohl.
FDP: Wir nutzen die Mittel effizient
Claudia Raffelhüschen (FDP) verteidigte den Haushaltsplan. So würde im Gesamtbudget des SGB II (Zweites Sozialgesetzbuch) zwar im Soll weniger zur Verfügung stehen als 2022. „Aufgrund der Resteregelung und des Passiv-Aktiv-Transfers bewegen wir uns aber weiterhin auf hohem Niveau und budgetieren bedarfsgerecht. Wir nutzen die uns zur Verfügung stehenden Mittel noch effizienter, und das ist gerade in den aktuellen Zeiten wirklich wichtig.
Im Vergleich zum Jahr 2019, also dem Vor-Corona-Niveau, und unter Einbeziehung der Ausgabereste pro erwerbstätigen Leistungsberechtigten stehen pro Kopf sogar rund 170 Euro mehr zur Verfügung“, rechnete sie vor.
Linke: Tropfen auf heißen Stein
Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) stellte fest: „Das Entlastungspaket ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Durch die galoppierende Inflation wird es aufgesogen. Wer zum Beispiel als Alleinerziehende – und das sind ja in der Regel Frauen – zwei Kinder zu versorgen hat, wird nicht einmal zur Hälfte entlastet. Wer soll eigentlich Ihrer Meinung nach die andere Hälfte bezahlen?“
Sie forderte, dass Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen ein Jahr lang monatlich 125 Euro plus 50 Euro für jedes Familienmitglied erhalten.
SPD: Individualisierte Beratung auf Augenhöhe
Kathrin Michel (SPD) verteidigte die geplante Bürgergeld-Reform zum 1. Januar: „Das ist ein echter Paradigmenwechsel. Wir starten mit einem Regelsatz von 500 Euro. Wir wollen, dass diese Reform ein Erfolg wird.“ Es gehe ganz konkret um Unterstützung für jene, die Hilfe bräuchten, um schnell wieder in Arbeit zu kommen. Es gehe nicht nur um eine Namensänderung oder Regelsatzerhöhung.
„Die Reform bedeutet unter anderem die Entfristung des sozialen Arbeitsmarktes, mehr gezielte Weiterbildung und vor allen Dingen individualisierte Betreuung auf Augenhöhe.“ (che/vom/09.09.2022)