Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Das Grundgesetz sollte laut Präambel „dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung“ geben. Um den provisorischen Charakter zu betonen, wurde auf die Bezeichnung „Verfassung“ verzichtet. Dem gesamten deutschen Volk sollte die Möglichkeit offen gehalten werden, „in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands“ zu vollenden.
Im Zentrum stehen die in Artikel 1 bis 19 aufgeführten Grundrechte. Gleich im ersten Artikel des Grundgesetzes wird formuliert: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ In den weiteren Grundrechtsartikeln werden unter anderem die Freiheit der Meinung, der Presse, des Glaubens und des Gewissens garantiert, das Postgeheimnis und die Unverletzlichkeit der Wohnung zugesichert, das Versammlungsrecht und das Recht auf Asyl gewährleistet. Das Grundgesetz kann nur mit Zweidrittelmehrheit des Deutschen Bundestages und des Bundesrates verändert werden. Die in Artikel 1 und Artikel 20 niedergelegten Prinzipien sind vor jeglicher Änderung geschützt.
Im Grundgesetz wurden Lehren aus der deutschen Geschichte und insbesondere aus dem Scheitern der Weimarer Republik gezogen. Anders als der mit vielen Befugnissen ausgestattete Reichspräsident hat der Bundespräsident vor allem repräsentative Aufgaben. Er wird nicht direkt vom Volk, sondern durch die Bundesversammlung gewählt. Um die Handlungsfähigkeit politischer Institutionen auch in Krisensituationen zu gewährleisten, kann der Bundeskanzler während einer Legislaturperiode vom Parlament nur durch ein konstruktives Misstrauensvotum bei gleichzeitiger Wahl eines Nachfolgers abgelöst werden. Der Föderalismus wurde gestärkt, indem der von den Vertretern der Landesregierungen gebildete Bundesrat an allen die Bundesländer betreffenden Gesetzen mitwirkt. Die Parteien werden im Grundgesetz als Träger der politischen Willensbildung des Volkes bezeichnet und erhalten damit besonderes Gewicht.
Der Deutsche Bundestag
Der Deutsche Bundestag tagte erstmals am 7. September 1949. Er wählte am 3. November 1949 Bonn zum vorläufigen Sitz von Parlament und Regierung. Auch Bundespräsident und Bundesrat hatten dort ihren Sitz. Da eine baldige Wiedervereinigung und die Rückkehr in die alte Hauptstadt Berlin erwartet wurden, galt Bonn lange als Provisorium. Erster Präsident des Deutschen Bundestages wurde Erich Köhler, erster Bundeskanzler Konrad Adenauer.
Der Deutsche Bundestag steht als Parlament im Mittelpunkt des politischen Lebens und ist das oberste demokratische Staatsorgan in Deutschland. Die Mitglieder des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl (Art. 38 GG) für vier Jahre vom Volk gewählt. Die Wahl des Bundeskanzlers, die Kontrolle der Bundesregierung, die Gesetzgebung des Bundes und die Feststellung des Bundeshaushalts zählen zu seinen wichtigsten Aufgaben. Er wirkt bei der Wahl des Bundespräsidenten sowie der Richter am Bundesverfassungsgericht mit. Eine wichtige Funktion bei der parlamentarischen Arbeit kommt den Ausschüssen zu. Hier beraten und überarbeiten Abgeordnete aller Fraktionen Gesetzesentwürfe und bereiten die Entscheidung des Plenums vor.
Die Bundestagsabgeordneten vertreten das ganze Volk. Sie sind „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ (Art. 38). Bei Abstimmungen und Wahlen orientieren sie sich in der Regel an Empfehlungen und Beschlüssen ihrer Fraktionen. Die zunehmende Gleichberechtigung von Mann und Frau in Deutschland kommt auch im steigenden Anteil weiblicher Bundestagsabgeordneter seit 1949 zum Ausdruck. Der Deutsche Bundestag wählte 1972 Annemarie Renger (SPD) zur ersten Bundestagspräsidentin und 2005 Angela Merkel (CDU) zur ersten Bundeskanzlerin.
Das Bundesverfassungsgericht
Das 1951 gegründete Bundesverfassungsgericht ist von allen anderen Verfassungsorganen unabhängig. Es besteht aus zwei Senaten mit je acht Richtern, die je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat auf zwölf Jahre gewählt werden. Eine Wiederwahl ist nicht möglich.
Das Bundesverfassungsgericht wacht darüber, dass Parlamente, Regierungen und Gerichte in Deutschland das Grundgesetz einhalten. Auf Antrag entscheidet es u. a. über die Verfassungswidrigkeit von Parteien, über die Vereinbarkeit von Bundes oder Landesgesetzen mit dem Grundgesetz und über Verfassungsbeschwerden, die jede Bürgerin und jeder Bürger beim Bundesverfassungsgericht einreichen kann. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes binden die übrigen Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.
Seit seiner Gründung hat das Gericht dazu beigetragen, der freiheitlichdemokratischen Grundordnung Ansehen und Wirkung zu verschaffen. Dabei bezeichnete das Gericht das politische System der Bundesrepublik Deutschland als „wehrhafte Demokratie“: Die freiheitlichdemokratische Grundordnung wird geschützt und kann nicht auf legalem Wege oder mit legalen Mitteln aufgehoben werden.
Auf dieser Basis entschied das Bundesverfassungsgericht auch in Verfahren, bei denen es sein alleiniges Recht zum Verbot von Parteien ausübte. So wurde die rechtsextreme Sozialistische Reichspartei (SRP) 1952 und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 1956 verboten, weil sie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit abschaffen wollten. Ein Verbotsverfahren gegen die NPD scheiterte 2003 aus verfahrensrechtlichen Gründen.