Anhörung zu den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen
Berlin: (hib/EMU) In einer öffentlichen Anhörung hat sich der Wirtschaftsausschuss am Mittwoch mit den Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Deutschland beschäftigt. Grundlage der Anhörung war ein Antrag (20/9323) der CDU/CSU-Fraktion, die darin eine Kommission zur Überprüfung der sicherheitsrelevanten Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China fordert. Diese soll nach dem Willen der Unionsfraktion prüfen, „wie angesichts eines sich ändernden handels- und geopolitischen Umfelds und trotz eines globalen Wettbewerbs die Sicherheit und Verlässlichkeit unserer Wertschöpfungsketten, unserer Energie- und Rohstoffimporte im Rahmen der nationalen und europäischen Sicherheit verbessert werden können“. Außerdem sollen bestehende Investitionen und Investitionsmöglichkeiten von chinesischen Investoren in die kritische Infrastruktur Deutschlands untersucht werden.
Die sechs geladenen Sachverständigen waren sich einig, dass die wirtschaftliche Abhängigkeit von China nicht so groß ist, wie oft angenommen und kommuniziert werde. Wenn man einen nüchternen Blick auf die Daten werfe, werde deutlich, dass nur etwa neun Prozent des deutschen Außenhandels mit China liefen, sagte etwa Julian Hinz. Der Direktor für den Bereich Handelspolitik an der Universität Bielefeld und dem Kiel Institut für Weltwirtschaft, der auf Einladung der CDU/CSU-Fraktion sprach, sagte: „China ist als Handelspartner natürlich wichtig, wird aber häufig überschätzt“. Wenn man vom Extremszenario, dem Kappen aller Handelsbeziehungen, ausgehe, dann wäre das nicht katastrophal„, so Hinz. Dies bedeute im Umkehrschluss jedoch nicht, dass man in eine solche Situation hineinschlittern sollte.
Dort, wo es keine strategischen Abhängigkeiten gebe, könne die Mehrheit der Wirtschaftsbeziehungen weiter problemfrei weiterlaufen, befand auch Mikko Huotari, Direktor MERICS Mercator Institute for China Studies, der auf Einladung der SPD-Fraktion bei der Anhörung sprach. Wenn es nicht um beispielsweise den Bereich der Rohstoffe gehe, seien die Beziehungen weiterhin positiv zu bewerten, so Huotari. Doch: “Der Handlungsdruck ist gewachsen, wir haben noch einen weiten Weg vor uns.„ Er erwarte zudem, dass die USA in den kommenden Jahren zu Deutschlands wichtigstem Handelspartner würden.
Tim Nicholas Rühlig , China Fellow bei der Generaldirektion I.D.E.A. in Brüssel, nannte vier zentrale Risikoansätze beim Handel mit China. Diese seien die Wertschöpfungsresilienz, die Fragen nationaler Sicherheit (etwa beim Mobilfunkstandard 5G), der Schutz von Werten und Normen und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Der auf Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen geladene Sachverständige stimmte seinen Vorrednern zwar zu, dass der Handel mit China “in weiten Teilen unproblematisch„ sei, aber es wichtig sei, dort klare Grenzen zu ziehen, wo es kritisch werde. “Wir sind in den vergangenen Jahren mit einer kooperativen Politik sehr gut gefahren„, so Rühlig, “Voraussetzung ist, dass alle Seiten ein Interesse an einem Austausch haben.„
Von einer “veränderten Sachlage zur China-Politik„ sprach der Abteilungsleiter Internationale Märkte des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Friedolin Strack. Diese spiegele sich wider in der China-Strategie der Bundesregierung, aber auch in der geänderten Haltung der Unionsfraktion zum Thema, so Strack (Vorschlag FDP-Fraktion). Der BDI stehe hinter dem Ansatz des De-Risiking, glaube aber, dass man sich mit dem Ansatz, Unternehmen in eine Art Transparenzsystem zwingen zu wollen, keinen Gefallen tue. “Im Rohstoffbereich haben die Unternehmen bereits angefangen, Lieferketten zu diversifizieren. Wohl wissend, dass damit die Kosten steigen, aber dass es Abhängigkeiten verringert„, sagte Strack im Ausschuss.
Die von der Unionsfraktion geforderte Kommission könnte bei der Systematisierung bereits vorhandener Studien zu kritischen Abhängigkeiten helfen, befand Cora Francisca Jungbluth. Die Senior Expert China and Asia-Pacific der Bertelsmann Stiftung sprach auf Einladung der CDU/CSU-Fraktion bei der Anhörung. Weiter sagte sie, dass China bereits selbst eine De-Risiking-Strategie betreibe. “Die nennen es 'Made in China 2025' und das Ziel ist es, die Abhängigkeit von ausländischen Produkten zu reduzieren und gleichzeitig die Abhängigkeit des Auslands zu erhöhen„, so Jungbluth.
Für einen stärkeren Fokus auf den Standort Deutschland sprach sich der Sachverständige Thomas König aus. Der Leiter des Referats China im Asien-Pazifik-Ausschuss der deutschen Wirtschaft der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK; Vorschlag SPD). Die DIHK halte die Einsetzung der Kommission zwar nicht für unbedingt notwendig, wolle aber die Standortpolitik Deutschlands verbessern und die Dringlichkeit des Themas anerkennen, sagte König. “Wir müssen wirtschaftsnah handeln, denn ein erhöhter bürokratischer Aufwand für Unternehmen ist nicht förderlich. Wir müssen vielmehr Bürokratie abbauen, damit Deutschland wettbewerbsfähig bleibt.„
Die hib-Meldung zum Unions-Antrag: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-979204