Petentin: „Landwirte brauchen Planungssicherheit“
Berlin: (hib/HAU) Zeitgleich mit den Bauernprotesten vor dem Brandenburger Tor hat sich der Petitionsausschuss am Montag mit der Forderung nach Beibehaltung der Agrardieselrückvergütung und der Kfz-Steuerbefreiung für Land- und Forstwirte befasst. Grundlage der öffentlichen Sitzung war die dahingehende Petition der Öko-Landwirtin Marie von Schnehen (ID 161196), die auf der Petitionsplattform des Bundestages mehr als 75.000-mal mitgezeichnet wurde. Vertreterinnen der Bundesregierung bestätigten bei der Sitzung, dass - anders als ursprünglich geplant - die Kfz-Steuerbefreiung für Land- und Forstwirte erhalten bleiben und die Agrardieselrückvergütung schrittweise abgebaut werden soll.
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Claudia Müller (Bündnis 90/Die Grünen), sagte auf Nachfrage, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) sei in die ursprüngliche Planung, im Rahmen der Kürzung „klimaschädlicher Subventionen“ die Agrardieselrückvergütung und die Kfz-Steuerbefreiung für Land- und Forstwirte zu streichen, nicht eingebunden gewesen. Özdemir habe sich klar positioniert, „dass dies nicht um Sinne unseres Hauses ist“. Im BMEL sei man daher sehr froh darüber, „dass Teile der Kürzungen zurückgenommen wurden“, sagte Müller. Diese zeige auch, dass die Bundesregierung Konsequenzen aus der „berechtigten Kritik“ der Bauern gezogen habe.
Die Petentin hatte zu Beginn der Sitzung die Kürzungen kritisiert. Die landwirtschaftlichen Betriebe leisteten einen hohen Beitrag zur Ernährungssicherheit in Deutschland, sagte sie. Landwirtinnen und Landwirte müssten ihr Einkommen erwirtschaften und seien nicht durch Tarifverträge mit Inflationsschutz und geregelten Arbeitszeiten abgesichert, so Schnehen. Sie pflegten die Kulturlandschaft, sorgten für den sozio-ökonomischen Zusammenhalt auf dem Land und trügen den Umbau auf erneuerbare Energien mit. Dennoch, so die Petentin, sei allein im vergangenen Jahr massiv bei den landwirtschaftlichen Betrieben gekürzt und seien Auflagen ausgeweitet worden. Die Streichung bei der Agrardieselrückvergütung stelle eine überproportionale Belastung für die Branche dar, befand sie. Bei einem Anteil von 0,7 Prozent an der Bruttowertschöpfung solle sie „2,6 Prozent der Haushaltslücke stopfen“.
Planungssicherheit sei am allerwichtigsten für Landwirte, sagte Schnehen. Innerhalb der Landwirtschaft wären Bio-Bauern und -Bäuerinnen durch die Kürzungen besonders betroffen, da sie überwiegend mechanisch Unkräuter beseitigten. Ein Rückgang der Biobetriebe und zunehmender Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wären die Folge. Dem selbsternannten Ziel der Ampel-Koalition, bis zum Jahr 2030 den Anteil an Ökolandbau auf 30 Prozent auszubauen liefe dies komplett entgegen.
Für die Produktion von Lebensmitteln seien die Landwirte weiterhin auf den Gebrauch von Diesel angewiesen, betonte die Petentin. Das Getreide könne „nur mit dem Traktor gesät und mit dem Mähdrescher geerntet werden“. Ein Lenkungseffekt sei also derzeit mit der Kürzung nicht erzielbar.
BEML-Staatssekretärin Müller räumte ein, dass elektrische Antriebsformen bei großen Maschinen perspektivisch nicht möglich seien. Für leichte Fahrzeuge (bis 150 PS), die aber nur einen kleinen Teil ausmachten, gebe es Entwicklungen, die ab 2030 elektrische Antriebsformen für Neufahrzeuge teils möglich machen könnten. Bei großen Fahrzeugen gehe es eher um Pflanzenöl-Kraftstoffe (HVO) oder Bio-Diesel. „Diese Umstellungen werden aber ihre Zeit brauchen, weil sie Investitionen bedürfen“, sagte Müller. Dieser Prozess müsse nun aktiv politisch begleitet werden.
Aus Sicht der die Petentin begleitenden Landwirtin Marie Hoffmann fehlt derzeit der wirtschaftliche Anreiz zur Nutzung von HVO. Der Preis liege 15 Cent über dem Dieselpreis. Da es für HVO keine Rückerstattung gebe, belaufe sich die Differenz sogar aus 36 Cent pro Liter.
Einschätzungen, dass die geplanten Maßnahmen bei den Landwirten nicht so sehr in Gewicht fallen würden, trat Hoffmann entgegen. Die steigenden Produktionskosten könnten nicht an die Verbraucher weitergegeben werden. Der Preis für Brotweizen sei seit 1950 gleich geblieben, hieß es unter Verweis auf eine Grafik des BMEL. Das gefährdet die Liquidität und die Investitionsfähigkeit der Betriebe.
Die Petentin bemühte sich, Klarheit um den in Pressemeldungen oft angeführten „Gewinn“ der Landwirte zu schaffen. Es handle sich um das Unternehmensergebnis, sagte sie. Daraus müssten nichtentlohnte mitarbeitende Familienarbeitskräfte sowie Altenteile und Krankenversicherungsbeiträge finanziert werden und gleichzeitig Investitionen getätigt und Rücklagen gebildet werden. Die Agrardieselrückvergütung mache vier Prozent des Unternehmensergebnisses aus, so Schnehen. „Vier Prozent, die den Handlungsspielraum, in nachhaltige Sachen zu investieren, verkleinern.“