Experten fordern Ergänzungen beim Wärmeplanungsgesetz
Berlin: (hib/NKI) Eine enge Verzahnung mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG), mehr finanzielle Mittel und weniger Bürokratie werden für die kommunale Wärmeplanung zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (WPG) angemahnt. Die meisten der insgesamt elf Sachverständigen, die am Montagnachmittag an einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen teilnahmen, forderten eine Reihe von Ergänzungen zum von der Bundesregierung vorgelegten Gesetz (20/8654). So sollten etwa die Fristen zur Erstellung der Wärmepläne jeweils bis zum Jahresende 2026 beziehungsweise 2028 verlängert werden. Mit dem WPG dürfe kein „Bürokratiemonster“ geschaffen werden, das alle Gebäude mitsamt Heiztechnik und Verbräuchen in einem einzigen Bestandskataster erfasse. Der Fokus auf Wasserstoff wurde kritisch gesehen. Darüber hinaus gab es auch Forderungen, die mehr Tempo bei der Umsetzung des WPG anmahnten.
Die Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände in Deutschland halten das Gesetz für die kommunale Wärmeplanung (WPG) „für das richtige Instrument, um die Herausforderungen einer flächendeckenden klimaneutralen Wärmeversorgung bis 2045 strategisch anzugehen“. Eva Bode vom Deutschen Städte- und Gemeindebund, Christine Wilcken vom Deutschen Städtetag und Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag begrüßten deshalb, dass die kommunale Wärmeplanung zur Grundlage gemacht werde und die Vorgaben für Heizungen des Gebäudeenergiegesetzes an die kommunale Wärmeplanung geknüpft werden sollen. Die Verzahnung führe allerdings dazu, dass auch Änderungen im bereits beschlossenen GEG zwingend notwendig würden: Die Errichtung von Wärmenetzen und die Erzeugung von Wärme aus erneuerbaren Energien solle als „überragendes öffentliches Interesse“ im WPG geregelt werden. Die Fristen zur Erstellung der Wärmepläne sollten zumindest jeweils bis zum Jahresende 2026 beziehungsweise 2028 verlängert werden. Und die Einwohnergrenze, unterhalb der die Länder ein vereinfachtes Verfahren vorsehen können, sollte auf 20.000 Einwohner angehoben werden. Zudem seien die vorgesehenen Länderkompetenzen, Wärmepläne prüfen, bewerten und genehmigen zu können, „nicht sachdienlich“ und führten „zu mehr Bürokratie und Verzögerungen“, so Bode. „Um Technologieoffenheit tatsächlich zu gewährleisten, bedarf es keiner Beschränkung bei der Nutzung von Biomasse.“
Eine enge Verzahnung beider Gesetze mahnte auch Michaela Steinhauser vom Zentralverband des Deutschen (ZDH) Handwerks an. „Die Betriebe und deren Kundschaft brauchen dringend Planungssicherheit“, so Steinhauser. Dazu gehöre eine synchrone und widerspruchsfreie Ausgestaltung des Wärmeplanungsgesetzes (WPG) und des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Die Klärung der Fragen zur gebietsbezogenen Wärmeplanung müsse den objektbezogenen Regelungen des GEGs vorausgehen. Unablässig für das Gesetz sei, dass „die Wärmeplanung mit breiter Partizipation der Wirtschaft und der Bürgerschaft zustande kommt“, sagte Steinhauser. Die Beteiligung dürfe sich nicht nur in Information erschöpfen, sondern müsse auch entscheidungsvorbereitend angelegt sein. Dies diene nicht nur der Steigerung der Akzeptanz, sondern auch der Qualitätssicherung bei der Planung.
„Die Bundesregierung hat sich für die Transformation der Wärmenetze anspruchsvolle Ziele gesetzt“, sagte Ingbert Liebing vom Verband Kommunaler Unternehmen (VKU). Die Förderrichtlinie sei bislang nur mit Mitteln in Höhe von insgesamt knapp drei Milliarden Euro ausgestattet und habe eine begrenzte Laufzeit bis 2028. Die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) stelle hierfür den zentralen Fördermechanismus dar. Um „eine auskömmliche und kontinuierliche Förderung zu gewährleisten“, solle die BEW in das Gesetz zur Kommunalen Wärmeplanung überführt werden und mit ausreichenden Finanzmitteln in Höhe von mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr ausgestattet werden, so die Forderungen des Verbandes.
Kai H. Warnecke vom Eigentümerverband Haus & Grund warnte davor, „die Wärmeplanung zum Bürokratiemonster zu machen“. Er kritisierte die Absicht, alle Gebäude mitsamt Heiztechnik und Verbräuchen in einem Bestandskataster zu erfassen. Schon heute sei es möglich, anhand bekannter Daten zu den Wohngebäuden wie Baujahr, Wohn- und Nutzfläche hinlänglich genaue Angaben zum Energieverbrauch zu treffen und auf Basis vorliegender Bebauungspläne eine in die Zukunft gerichtete Wärmeplanung zu erstellen. Warnecke forderte die Bundesregierung deshalb auf, die Regelungen zur Datenerhebung und zur Informationspflicht mit Blick auf die knappen Kapazitäten an qualifiziertem Personal in den Planungsämtern der Städte und Gemeinden „maximal zu reduzieren“. Zudem forderte er, „die Maßnahmen und Fristen des Wärmeplanungsgesetzes (WPG) mit denen der vom Bundestag am 8. September 2023 beschlossenen Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) abzustimmen“. Mit dem vorliegenden Entwurf zum WPG sei dies nur in geringem Maß gelungen. Um die Anforderungen an neue Heizungen der ab 2024 geltenden GEG-Novelle erfüllen und die vorgesehenen Optionen tatsächlich nutzen zu können, reichten die Vorlage einer Wärmeplanung und die Ausweisung von Wärmeversorgungsgebieten nicht aus.
Tilman Wilhelm vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) warnte vor einer vorschnellen Stilllegung des Gasverteilnetzes. Zwar habe der Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur große Bedeutung und werde die Ansiedlung neuer Industrie- und Gewerbebetriebe in Zukunft „von erheblicher Bedeutung sein“, doch es brauche „eine weitsichtige Planung“. Aus Sicht des DVGW sei es unverständlich, warum die Auswirkungen auf das lokale Stromverteilnetz durch eine verstärkte E-Mobilität sowie durch den vermehrten Anschluss elektrischer Wärmepumpen im Gesetzentwurf unberücksichtigt bleibe. Verschiedene Unternehmen im Querverbund gingen von einer Notwendigkeit zur Verdreifachung bis Vervierfachung des lokalen Stromverteilnetzes aus, wenn in der Wärmeplanung in größerem Umfang der Einbau von elektrischen Wärmepumpen zuzüglich zum Ausbau der Ladeinfrastruktur obligatorisch werde. „Die Gasnetze können den Netzausbau im Stromverteilnetz im Sinne einer volkswirtschaftlichen kostenoptimalen Energiewende im erheblichen Maße reduzieren“, sagte Wilhelm. Dem sollte das WPG Rechnung tragen, indem eine integrierte Betrachtung aller Energieinfrastrukturen zur kostenoptimalen Umsetzung der lokalen Energiewende im Gesetz verankert werde.
Heftige Kritik kam von der Deutschen Umwelt Hilfe (DUH). In dem vorliegenden Gesetzesentwurf werde das Erneuerbare-Energien-Ziel für Bestandsnetze - Fernwärme - von 50 Prozent auf 30 Prozent bis zum Jahr 2030 abgesenkt. „Diese Änderung lehnt die DUH entschieden ab“, sagte Elisabeth Staudt für die Organisation. Das Gesetzesvorhaben sei weder mit den Klimazielen der Bundesrepublik noch mit dem Koalitionsvertrag noch mit der EU-Energieeffizienzrichtlinie vereinbar. Auch halte es die DUH für „äußerst fragwürdig“, wie innerhalb von nur zehn Jahren ein sprunghafter Anstieg auf 80 Prozent erneuerbarer Energien bei der Wärmeerzeugung gelingen könne. Abgelehnt werden auch die zahlreichen Ausnahmen wie beispielsweise die Fristverlängerung, wenn der Betreiber einen anderen Plan hat oder das Netz ansonsten aus Kraft-Wärme-Kopplung gespeist ist. „Es fehlt im ganzen Gesetz eine klare Differenzierung beziehungsweise Priorisierung zwischen Wärmenetzen und Wasserstoffnetzen“, sagte Staudt. Während die Versorgung mit erneuerbaren Wärmenetzen einen zentralen Baustein der klimaneutralen Wärmeversorgung darstelle, sei der Einsatz von Wasserstoff als „absolut ineffiziente Einzelfalllösung“ zu betrachten.
Maik Günther von den Stadtwerken München hielt es für erforderlich, die „Wärmewende stärker zu beschleunigen“. Damit das gelingen könne, müssten Leitungsbaumaßnahmen nicht nur auf bundesgesetzlicher Ebene entsprechend priorisiert werden, sondern auch in der konkreten Umsetzung bei der Abwägung stadtplanerischer Vorhaben. Gerade dort sei die entsprechende Priorisierung notwendig. „Erneuerbare Wärmeerzeugung und der hierfür erforderliche Wärmenetzausbau ist als im überragenden öffentlichen Interesse im Wärmeplanungsgesetz zu verankern“, erklärte Günther.
Auch Simon Müller, Agora Energiewende, kritisierte das Tempo des Vorhabens. Zwar nannte Müller das Gesetz „einen wichtigen Schritt zur strategischen Wärmeplanung“, die konkrete Ausgestaltung greife aber zu kurz. Er forderte deshalb, die Finanzierung und die Ressourcenausstattung zum Umbau der Wärmesysteme auf kommunaler Ebene sicherzustellen. Zudem forderte Müller eine „zügige Weiterentwicklung der Kommunalen Wärmeplanung hin zu einer kommunalen Energie-Verteil-Strategie“.
Helmut Waniczek, Energieexperte, sprach sich komplett gegen das Gesetz zur Kommunalen Wärmeplanung aus. „Dem vorliegenden Entwurf liegt der Glaube zu Grunde, dass man nur ambitionierte Ziele formulieren muss, dann richtet sich die Realität schon danach“, sagte Waniczek. Er warnte vor einem „Umsetzungszwang“. Zudem sehe der Gesetzentwurf Wasserstoff als wesentliches Heizgas vor, „aber dieser Wasserstoff wird aller Voraussicht nach nicht zur Verfügung stehen“. Wasserstoff sei für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors aufgrund der zu geringen Verfügbarkeit sowohl im Jahr 2030 als auch 2045 „kaum von Bedeutung“.