Menschenrechtsorganisation kritisiert deutsche Landpolitik
Berlin: (hib/JOH) Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) hat nach Auffassung von Roman Herre von der Menschenrechtsorganisation FIAN in den vergangenen Jahrzehnten einen zu einseitigen Fokus auf formalisierte Landrechte gelegt. Obwohl für marginalisierte Gruppen traditionelle Landrechte und Gewohnheitsrechte oft eine überragende Rolle spielten, würden sie vielerorts sukzessive durch Formalisierung abgeschafft, betonte er am Mittwochmorgen in einer öffentlichen Sitzung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zum Thema „Land governance - traditionelle versus formalisierte Landrechtssysteme und die Rolle der deutschen Entwicklungszusammenarbeit“. Er bezeichnete die deutsche EZ zudem als „hoch intransparent“, was es erschwere, sich von ihrer Landpolitik in der Praxis ein Bild zu machen.
Herre zufolge begleitet die FIAN die EZ in diesem Bereich seit mehr als 20 Jahren. Einblicke würden teilweise massive Probleme aufzeigen, unter anderem würden Menschenrechte nicht ausreichend priorisiert.
An Beispielen erläuterte Herre negative Auswirkungen. So würden die von der deutschen EZ positiv hervorgehobenen Wildtier-Management-Gebiete in Tansania von den Maasai als starker Einschnitt in ihre traditionellen Landrechte angesehen. Formalisierungsprozesse führten hier zu Landverlust und Vertreibungen. Kritisch wertete Herre auch die Rolle der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), einer hundertprozentigen Tochter der KfW Bankengruppe. Er verwies auf eine Recherche der unabhängigen Journalistengruppe correctiv, wonach die DEG seit vielen Jahren Miteigentümerin eines Unternehmens in Paraguay sei, das die Abholzung mehrerer Tausend Hektar Wald verantworte. FIAN habe schon 2016 im Bundestag darauf hingewiesen, dass es eine Leerstelle bei der Überwachung von Entwaldung durch EZ-finanzierte Unternehmen gebe, betonte Herre.
Er sprach sich unter anderem dafür aus, die deutsche EZ transparenter zu gestalten. Ihre Landpolitik sollte sich an den UN-Landleitlinien orientieren und diese umsetzen, sie sollte außerdem in das Evaluierungsprogramm des DEval aufgenommen werden.
Der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Nils Annen, sprach im Ausschuss von einer „schwierigen Abwägung“. Formalisierte Landrechte könnten in bestimmten Kontexten der richtige Weg sein, in einem anderen die Berücksichtigung des traditionellen Umgangs mit Eigentum. Das müsse jeweils im Einzelfall entschieden werden. Er vertrat aber die Ansicht, dass traditionelle Landrechte marginalisierten Gruppen, wie Indigenen und Frauen, oft wenig Schutz vor Vertreibungen und Enteignungen böten. Daher setze sich das BMZ dafür ein, dass sie „zu ihrem Recht kommen“. Klar sei aber auch, dass nicht alle Konflikte „allein aus Berlin“ gelöst werden könnten.
Die Abgeordneten befragten Annen wiederholt zur Kritik an der DEG. Der Parlamentarische Staatssekretär sagte, er kenne das konkrete Projekt in Paraguay nicht, aber Fehler seien nie auszuschließen. Er verwies auf den unabhängigen Beschwerdemechanismus der DEG, an den sich jeder wenden könne. Darüber hinaus versuche die deutsche EZ, aus jedem Projekt zu lernen. Annen betonte die Bedeutung von Investitionen in wenig entwickelten Ländern. Dafür sei die DEG „das richtige Instrument“.