Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit
Berlin: (hib/MWO) Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Forderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten vorgelegt (20/8095). Ziel der darin vorgeschlagenen Neuregelungen sei es, schreibt sie, den Einsatz von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit sowie in den Fachgerichtsbarkeiten (Verwaltungsgerichtsbarkeit, Finanzgerichtsbarkeit, Arbeitsgerichtsbarkeit, Sozialgerichtsbarkeit) weiter zu fördern.
Um das Potential, das die heute verfügbare Technik für eine bürgerfreundliche und flexible Verfahrensgestaltung biete, noch besser zu nutzen, solle mit dem Entwurf auch über die mündliche Verhandlung hinaus in weiteren zivilprozessualen Verfahrenssituationen und bei anderen gerichtlichen Terminen der Einsatz von Videokonferenztechnik die physische Präsenz an einem bestimmten Ort entbehrlich gemacht werden. Vor dem Hintergrund der zunehmend vorhandenen Videokonferenztechnik mit Aufzeichnungsfunktion solle die vorläufige Protokollaufzeichnung künftig nicht nur in Ton, sondern auch in Bild und Ton möglich sein.
Um die Möglichkeiten des Einsatzes von Videokonferenztechnik in den Verfahrensordnungen über die geltende Rechtslage hinaus zu erweitern, solle in erster Linie der Paragraf 128a der Zivilprozessordnung (ZPO) neugefasst werden. Danach solle künftig das Gericht (in Person der Vorsitzenden oder des Vorsitzenden) eine Videoverhandlung nicht mehr nur gestatten, sondern auch anordnen können. Dies erleichtere die Terminierung von mündlichen Verhandlungen und könne so zu einer Verfahrensbeschleunigung beitragen.
Laut Entwurf sollen die Regelungen zur vorläufigen Protokollaufzeichnung zudem erweitert werden. Zusätzlich zu der bereits zulässigen Tonaufzeichnung solle die Möglichkeit für das Gericht geschaffen werden, auch eine Bild-Ton-Aufzeichnung anzufertigen. Diese Aufzeichnungen sollen wie bisher die Grundlage für die Anfertigung des Protokolls über die mündliche Verhandlung und die Beweisaufnahme sein. Schließlich solle die Möglichkeit geschaffen werden, sogenannte vollvirtuelle Videoverhandlungen in der Zivilgerichtsbarkeit zu erproben, bei der sich auch die oder der Vorsitzende nicht mehr im Sitzungssaal aufhält und eine Videoverhandlung beispielsweise auch aus dem heimischen Arbeitszimmer leiten kann. Um auch in diesen Fällen bei öffentlichen Verhandlungen die Öffentlichkeit zu gewährleisten, müsse eine solche Videoverhandlung zusätzlich in einen öffentlich zugänglichen Raum im Gericht in Bild und Ton übertragen werden.
Der Bundesrat spricht sich in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf unter anderem dafür aus, die Entscheidung über den Einsatz von Videokonferenztechnik allein in das pflichtgemäße - nicht begrenzte - Ermessen des Gerichts zu stellen und auf eine Begründungspflicht für den Fall ablehnender Entscheidungen zu verzichten. Die mündliche Verhandlung sei das Herzstück eines jeden Gerichtsprozesses, schreibt der Bundesrat, sie sei gleichsam die Visitenkarte der Justiz. Daher komme ihrer Gestaltung eine herausragende Bedeutung zu, nicht nur im Hinblick auf die Außenwirkung der Gerichte, sondern gerade auch zur Erreichung des Ziels eines jeden Gerichtsverfahrens, nämlich der Wahrheitsfindung im Rahmen der jeweiligen Verfahrensordnung. Die Entscheidung, ob sich ein konkretes Verfahren für eine Videoverhandlung eignet, müsse daher allein im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegen. Eine Begrenzung dieses Ermessens durch den Gesetzgeber auf ein Regel-Ausnahmeverhältnis mittels Soll-Vorschrift sei daher bereits aus grundsätzlichen Erwägungen abzulehnen.
In ihrer Gegenäußerung lehnt die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrates ab. Die Kritik an der „Soll-Vorschrift“, wonach bei übereinstimmenden Antragen auf Videoverhandlung das Entscheidungsermessen des Vorsitzenden dahingehend eingeschränkt werden solle, dass eine Videoverhandlung in der Regel anzuordnen ist und nur ausnahmsweise abgelehnt werden kann, sei bereits im Rahmen der Länder- und Verbändebeteiligung zum Referentenentwurf geäußert worden. Nach dem Regierungsentwurf komme es nunmehr nur dann zur Ermessenseinschränkung, wenn alle Prozessbevollmächtigten ihre Teilnahme per Video beantragen. Gleichwohl bestehe auch in dieser Konstellation keine Verpflichtung des Gerichts zur Durchführung der Videoverhandlung