Social Media-Moderatoren berichten von Arbeitsbedingungen
Berlin: (hib/LBR) Die Arbeitsbedingungen von Content-Moderatoren, die für große Social Media-Plattformen tätig sind, müssen besser werden: Ihr Alltag, auch in Deutschland, sei oft geprägt von einer Kultur der Angst und Geheimhaltung und dem Anschauen vieler Beiträge extremer Gewalt gepaart mit fehlender psychologischer Betreuung. Das berichteten die Content-Moderatoren Cengiz Haksöz und der Whistleblower Daniel Motaung dem Digitalausschuss am Mittwochnachmittag in öffentlicher Sitzung.
Zur Arbeit von Content-Moderatoren gehört es, gefährliche Inhalte, etwa Kinderpornographie oder extreme Gewalt, von den Nutzern der Social Media-Plattformen fernzuhalten. Weltweit sind dafür Tausende Mitarbeiter, vor allem bei externen Dienstleistern, beschäftigt. Sie prüfen die Inhalte auf Profilen und in privater Kommunikation auf verschiedensten Sprachen und löschen diese gegebenenfalls.
Vor allem der Konzern Meta ist wegen des Umgangs mit Moderatoren wiederholt in die Kritik geraten. Der ehemalige Moderator Daniel Motaung, der in 2019 bei einem Subunternehmer in Kenia für Meta Content prüfte, hatte 2022 Klage gegen die Arbeitsbedingungen eingereicht. Er sei entlassen worden, nachdem er versucht habe, in Nairobi eine Gewerkschaft zu gründen, um bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen, berichtete er dem Ausschuss. Motaung sagte, es habe sich um seinen ersten Job nach dem Studium gehandelt und er habe nicht gewusst, was ihn dort genau erwarte. Bei seinem ersten Video habe er direkt eine Enthauptung sehen müssen. Die Arbeit habe ihn krank gemacht, er leide bis heute. Der Mangel an psychologischer Unterstützung und das Outsourcing habe System, es gehe um das Vermeiden von Verantwortung, betonte er.
Das berichtete auch Moderator Cengiz Haksöz. Er arbeitet für den Dienstleister Telus in Essen, der ebenfalls Metas Plattformen „sauber“ halten soll. Am Ende entscheide keine Künstliche Intelligenz (KI), sondern ein Mensch, sagte er. Manche Mitarbeiter trainierten auch die KI. Nach fünf Jahren in dem Job hätten „Kopf, Körper und Herz“ 4.000 Stunden Material, das Gewalt zeige, durchgemacht. Er sei ein gebrochener Mensch, sagte er. Auch Kollegen hätten wegen ihrer Arbeit massive psychische Probleme bekommen: Zum Abschied nach einer Schicht sage man nicht „Tschüss“, sondern wünsche sich „Gute Besserung“, verdeutlichte Haksöz. In Essen werde in acht verschiedenen Sprachen gearbeitet. Zu Beginn gebe es eine Art Training zu Grundprinzipien, Regeln und Maßnahmen der Plattform. Viele der Mitarbeiter hätten eine akademische Ausbildung oder seien Studenten, sprächen aber nicht gut genug Deutsch oder seien wegen ihren Aufenthaltsgenehmigungen abhängig von der Arbeit, berichtete er.
300 Content-Moderatoren hätten sich zusammengeschlossen und ein Manifest mit acht Forderungen geschrieben, erklärte er dem Ausschuss. Sie fordern unter anderem: Statt sogenannter „Wellbeing-Coaches“, ehemalige Moderatoren, die an die Vorgesetzten berichteten, eine unabhängige psychologische Unterstützung rund um die Uhr, ein Verbot von Geheimhaltungsklauseln und eine bessere Bezahlung. Nach fünf Jahren sollen in Kürze nun die ersten Wahlen zu einem Betriebsrat stattfinden, berichtete Haksöz von einem Lichtblick.
Über die Rolle von Gewerkschaften und Betriebsräten gab Julia Kloiber von der Organisation Superrr Lab, die sich für bessere Arbeitsbedingungen für die Moderatoren einsetzt, Auskunft. Im Fall von TikTok etwa gebe es, nachdem Verdi das Mandat übernommen habe, inzwischen einen Betriebsrat. Sie plädierte hinsichtlich Gesundheitsschutz-Standards für diese „neue“ Berufsgruppe für einen Blick auf Berufsgruppen, die mit ähnlichem Material zu tun hätten, etwa Polizisten.
Die Content-Moderatoren seien „die Putzkräfte unserer Demokratie“ - die Social Media-Plattformen wüssten über die extrem belastende Arbeit und externalisierten die Schäden, betonte auch Kloiber. Sie plädierte für mehr Informationen, um das System der Dienstleister zu verstehen und empfahl, empirische Studien in Auftrag zu geben.