Kampfsportverbände plagen finanzielle Probleme
Berlin: (hib/HAU) Die Kampfsportverbände in Deutschland plagen finanzielle Probleme. Das wurde bei einer öffentlichen Sitzung des Sportausschusses am Mittwochnachmittag deutlich. Dabei kritisierte der Sportdirektor des Deutschen Boxsport-Verbandes, Michael Müller, dass der Bund seit 2017 keine Gehaltsanpassung beim Leistungssportpersonal mehr vorgenommen habe. Egbert von Horn, Vizepräsident Leistungssport beim Deutschen Judo-Bund, sagte, angesichts der aktuellen Kostenexplosionen könnten nicht mehr alle Athleten auf Spitzenverbandskosten zu den olympischen Qualifikationsturnieren geschickt werden. Jens-Peter Nettekoven, Präsident des Deutschen Ringer-Bundes, verlangte mehr Bundesmittel für die technische Ausstattung der Bundesstützpunkte.
Box-Sportdirektor Müller forderte die Anhebung der Gehaltsobergrenzen beim Leistungssportpersonal. „Am besten sollten sie ganz wegfallen“, fügte er hinzu. Müller zufolge könnten deutsche Top-Trainer nicht mehr im Verband gehalten werden, weil das Ausland mehr biete. „Darüber hinaus brauchen wir aber auch frisches Blut aus dem Ausland“, sagte Müller. Ausländische Spitzentrainer seien aber mit der derzeitigen Gehaltsobergrenze nicht finanzierbar. Das Leistungssportpersonal des deutschen Spitzensportes profitiere leider auch nicht von der unlängst im öffentlichen Dienst erreichten Einkommenssteigerungen.
Der Präsident des Deutschen Karate Verbandes, Reinhard Schmidt-Eckhardt, kritisierte die zu geringe Wahrnehmung der Nicht-Olympischen Verbände, wozu auch der Deutschen Karate Verband zähle. Schmidt-Eckhardt verwies auf die hohe Bedeutung seines Verbandes für die Inklusion und zählte erreichte Erfolge auf. Bei der Europameisterschaft im März in Spanien habe Deutschland in der Nationenwertung den ersten Platz belegt. Um aber an der Weltspitze mithalten zu können, brauche es eine höhere Förderung. Aktuell könne gerade im Nachwuchsbereich die Teilnahme an Wettkämpfen durch den Verband nicht gefördert werden.
Auf Schwierigkeiten mit dem für die Leistungssportförderung relevanten Potenzialanalyse-System (PotAS) wies Stefan Klawiter, Präsident der Deutschen Taekwondo Union, hin. So schlage für seinen Verband negativ zu Buche, dass er keinen wissenschaftlichen Berater habe. „Es wird uns aber auch kein wissenschaftlicher Berater genehmigt“, sagte er. Insofern beiße sich da die Katze in den Schwanz.
Judo liefere bei Olympischen Spielen regelmäßig Medaillen, sagte Judo-Bund-Vertreter Egbert von Horn. Vor dem Medaillengewinn stehe aber ein zweijähriger Qualifikationsweg. „Zwei Jahre müssen unsere Spitzenathleten durch die Welt reisen, um bei mindestens sechs Grand Slams so viel Punkte zu erreichen, dass sie in die TOP-17 der Welt kommen“, sagte Horn. Infolge der aktuellen Kostenexplosion sei aber das für die Athleten zur Verfügung stehenden Budget schon nach einem halben Jahr aufgebracht gewesen. Die Athleten müssten dies nun auf eigene oder auf Kosten der Landesverbände oder Vereine bewerkstelligen.
Angesichts des eingeleiteten Generationenwechsels blicke man beim Deutschen Ringer-Bund vor allem auf die Olympischen Spiele 2028, hoffe aber gleichwohl auf die ein oder andere positive Überraschung schon in Paris 2024, sagte Verbandspräsident Nettekoven. Mit Blick auf die acht Bundesstützpunkte sagte Nettekoven, der Verband erhalte eine Sportstättenfinanzierung von 44.000 Euro jährlich. Für benötigte neue Ringermatten in den Stützpunkten reiche das beispielsweise nicht. Hier brauche es mehr Unterstützung. Mit Blick auf die Ausrichtung einer Sportgroßveranstaltung im Ringen in Deutschland, sagte Nettekoven, es müssten 2,5 Millionen Euro auf den Tisch gelegt werden, um etwa eine Weltmeisterschaft zu bekommen. Bleibe der Bund bei seiner Förderpraxis in Höhe von 150.000 Euro für solche Veranstaltungen, „werden wir im Ringen keine Sportgroßveranstaltung in Deutschland sehen“. Hier brauche es einen Paradigmenwechsel.
Verbesserungspotenzial mit Blick auf die Rolle der Athletensprecherinnen und Athletensprecher in den Kampfsportverbänden sieht der Verein Athleten Deutschland. Sie sollten als zusätzliche Ressource statt als Belastung verstanden werden, forderte der Geschäftsführer von Athleten Deutschland, Johannes Herber. Die Athletenvertretungen müssten bei Jahresplanungen und den Personalplanungsgesprächen der Verbände beteiligt werden - ebenso wie bei den Strukturgesprächen mit Bundesinnenministerium (BMI) und Deutschem Olympischen Sportbund (DOSB).
Der für Sport zuständige BMI-Staatssekretär, Mahmut Özdemir (SPD), sagte während der Sitzung, mit der Sportministerkonferenz sei die Frage der besseren Bezahlung des Leistungssportpersonals erörtert worden. „Wir als BMI versuchen kurzfristig, Inflationsausgleiche zu erreichen“, sagte Özdemir. Geprüft werde auch die Weitergabe der Tarifanpassung im öffentlichen Dienst ab dem Jahr 2024.