Mehr verfügbare Organe durch Lebendspenden
Berlin: (hib/PK) Gesundheits- und Rechtsexperten sehen in der erweiterten Zulassung von Organlebendspenden eine Möglichkeit, die Zahl der verfügbaren Spenderorgane zu erhöhen. Die sogenannte Überkreuz-Lebendspende zwischen geeigneten Spendern und Empfängern sei allerdings auch mit medizinischen Risiken für Spender und Empfänger verbunden, machten Sachverständige in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses über einen Antrag (20/4565) der AfD-Fraktion deutlich. Die Experten äußerten sich am Mittwoch in der Anhörung und in schriftlichen Stellungnahmen.
Die AfD-Fraktion fordert in ihrem Antrag, sogenannte Cross-over-Lebendspenden zu erlauben und damit die Überlebenschancen von Dialysepatienten zu verbessern. Die Alternative zum Warten auf ein postmortal entnommenes Organ sei die Lebendspende. Die in Deutschland erlaubte Nierenlebendspende an nahestehende Personen scheitere oft an Unverträglichkeiten. Abhilfe würde die Überkreuz-Lebendspende schaffen, bei der zwei geeignete Spender-Empfänger-Paare die gespendeten Organe untereinander tauschen könnten.
Ralf Zietz von der Interessengemeinschaft Nierenlebendspende erläuterte mögliche Nebenwirkungen bei Spendern. Die Hälfte der Spender sei nach der Spende selbst nierenkrank. Manche Spender litten zudem auch längerfristig unter dem sogenannten Fatigue-Syndrom. Risiken und mögliche Folgen der Nierenlebendspende erlaubten im Grunde keine Ausweitung der Spende. Die Verbundenheit zwischen Spender und Empfänger sei Voraussetzung, um mögliche Folgen emotional abzufedern. Zietz hob in der Anhörung den nötigen Spenderschutz hervor und forderte eine gezielte Aufklärung.
Aus rechtlicher Sicht spricht nach Ansicht des Juristen Thomas Gutmann von der Universität Münster nichts gegen die Zulassung der Überkreuz-Lebendspende. Gutmann plädierte dafür, die Beschränkung des Spenderkreises nach Paragraf 8 Absatz 1 Satz 2 Transplantationsgesetz (TPG) zu streichen. Die Cross-over-Lebendspende gehöre heute international zum Behandlungsstandard. Es gebe keine Hinweise darauf, dass eine Streichung des Paragrafen das Risiko des Organhandels erhöhen würde. Befürchtungen, wonach durch Cross-over-Lebendspenden, Poolspenden und nicht gerichtete (altruistische) Lebendspenden verdeckte kommerzielle Vermittlungstätigkeiten entstünden, hätten sich in keinem westlichen Staat bestätigt.
Nach Angaben des Nephrologen Klemens Budde von der Berliner Charité warten derzeit mehr als 11.000 Patienten auf eine Spenderniere. Daher müssten auch Nieren von gesunden Verwandten und Bekannten für Transplantationen herangezogen werden. Finde sich dort kein geeigneter Spender, könne eine Überkreuz-Lebendspende eine Alternative darstellen. Solche Überkreuz-Lebendspenden würden seit geraumer Zeit in vielen europäischen Ländern genutzt und seien gesetzlich geregelt.
Nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes schränkt die erforderliche persönliche Verbundenheit die Lebendspende erheblich ein. In rund 40 Prozent der Fälle sei die Spender- und Empfängerkonstellation nicht kompatibel. Allerdings entstünden durch Lebendspenden gesundheitliche Risiken bei gesunden Menschen. Auch würde bei einer Cross-over-Lebendspende aus einer überschaubaren Paarentscheidung eine weniger übersichtliche Gruppenentscheidung. Das hätte datentechnische, organisatorische und leistungsrechtliche Folgewirkungen.
Das Video zur Anhörung (nach Bereitstellung), die Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a14_gesundheit/oeffentliche_anhoerungen/931020-931020