Experten: Bauleitplanung noch stärker digitalisieren
Berlin: (hib/VOM) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren und zur Änderung weiterer Vorschriften (20/5663) stößt bei Sachverständigen im Wesentlichen auf positive Resonanz. In der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen meldeten sie am Montag im Detail aber auch Änderungs- und Ergänzungsbedarf an.
Mit der Digitalisierung des Beteiligungsverfahrens will die Regierung das Verfahren zur Aufstellung von Bauleitplänen modernisieren und beschleunigen. Geplant ist, das digitale Beteiligungsverfahren als Regelverfahren für die Öffentlichkeitsbeteiligung sowie für die Beteiligung der Behörden einzuführen. In bestimmten Fällen soll eine erneute Veröffentlichung und Einholung von Stellungnahmen bei Planänderungen oder -ergänzungen unterbleiben können. Die Bauleitplanverfahren sollen auch dadurch beschleunigt werden, indem die Fristen zur Genehmigung bestimmter Bauleitpläne von drei Monaten auf einen Monat verkürzt werden.
Carsten Benke vom Zentralverband des Deutschen Handwerks sagte, die digitalisierte Beteiligung als Regelverfahren entspreche einer langfristigen Forderung des Handwerks, wobei man sich noch um die Einführung von Standards der Digitalisierung kümmern müsse. Für eine Übergangszeit könnten bewährte Verfahren wie Aushang oder Veröffentlichung im Amtsblatt noch wichtig sein, weil sonst die Gefahr bestünde, dass wichtige Planungen nicht oder zu spät bemerkt würden und eine zu späte Konfliktbewältigung die Folge wäre. Dies gelte aber nicht für die Träger öffentlicher Belange.
Tine Fuchs vom Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) nannte die Beschleunigung ein wichtiges Anliegen, um Wohnraum zu schaffen und den Umbau der Städte voranzutreiben. Die Vorschläge gehen ihr aber nicht weit genug. Allgemein gültige digitale Standards, maschinenlesbare Austauschformate, fehlten, um die Kommunikation mit den Behörden zu erleichtern. Wichtig sei zu erfahren, „an welcher Stelle das Verfahren steht“. Zudem empfahl sie, die Möglichkeit für Kommunen, Fristen aus wichtigem Grund verlängern zu können, zu streichen. Fuchs plädierte auch dafür, die Vier-Wochen-Fristen für die Behördenbeteiligung und die Öffentlichkeitsbeteiligung parallel statt hintereinander ablaufen zu lassen, um dadurch Zeit zu gewinnen.
Kai-Uwe Krause vom Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung in Hamburg forderte gesetzliche Rahmenbedingungen zur Digitalisierung des Planaufstellungsverfahrens. Die Formate seien nicht kompatibel. Es gehe darum, digitale Prozessketten zu etablieren, darin bestünde die „eigentliche Beschleunigung“. Die Länder seien bereits sehr aktiv, auch vorhandene Pläne und nicht nur die neuen digital zu erstellen. Ziel muss es seiner Ansicht nach sein, eine deutschlandweite Vernetzung und eine niederschwellige Information auf der Basis von Standards anzubieten.
Rolf Lührs, Geschäftsführer der Demos E-Partizipation GmbH, die sich damit beschäftigt, Tools für die digitale Planungsbeteiligung zur Verfügung zu stellen, wünschte sich ebenfalls, noch weitere Schritte zu gehen. PDF-Dateien als Planungsunterlagen seien zwar besser als die Planauslegung in den Ämtern, doch könne man sie nicht auswerten und durchsuchen wie etwa maschinenlesbare Formate. Lührs plädierte dafür, den Datenaustauschstandard Xplanung weitreichend zu nutzen, um digitale Informationen zur Verfügung zu haben. Eine Überforderung der Kommunen sah Lührs darin nicht.
Moritz Maikämper von der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) befürwortete, die Träger öffentlicher Belange ausschließlich digital einzubeziehen. Einiges spreche dafür, die Digitalisierung als Prozesskette zu denken. Den Bund sieht Maikämper in der Pflicht, die Standardsetzung sicherzustellen, auch um Kosten zu sparen. Aus seiner Sicht sollte es weiterhin möglich sein, Stellungnahmen auch auf analogem Weg abzugeben. Zweigleisigkeit sei bis auf Weiteres notwendig, um die demokratische Teilhabe sicher zu gewährleisten.
Judith Nurmann, bodenpolitische Sprecherin des Vereins Architects for Future, bezeichnete den Fachkräftemangel in den Behörden als „Sand im Getriebe“. Wichtig sei, dass das Gesetz so schlicht wie möglich und so konkret wie nötig wird. Schlüsselbegriffe sollten konkretisiert, „Interpretationslöcher“ geschlossen werden. Problematisch nannte sie die geplante Fristverkürzung von drei Monaten auf einen Monat. Sie teilte die Befürchtung, dass sich diese kontraproduktiv auswirkt, weil Genehmigungen vorsorglich versagt werden könnten, um eine „Genehmigungsfiktion“ zu vermeiden.
Auch aus Sicht von Marianna Roscher vom Deutschen Städte- und Gemeindebund erhöht die pauschale Fristverkürzung die Fehleranfälligkeit der Verfahren. Es gehe um deren Qualität und Rechtssicherheit von Verfahren. Sie empfahl, zunächst neue Personalstellen zu schaffen und die Ausbildung zu stärken. Kay Ruge, Stellvertreter des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Landkreistages, sah in der personellen Ausstattung ebenfalls den zentralen Baustein zur Prozessbeschleunigung.
Der Sachverständige Stefan Sellschopp befürwortete die Digitalisierung der Bauleitplanung, wandte sich aber gegen eine Einschränkung der Öffentlichkeitsbeteiligung. Nicht jeder Bürger habe Internetzugang. Fehlende Akzeptanz führe zu Unzufriedenheit und „gefühlter Verschlechterung der Lebensumstände“. Die geplante Fristverkürzung nannte Sellschopp „eher kontraproduktiv“.
Für Anne-Kathrin Tögel von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) bleibt der Gesetzentwurf hinter den Erwartungen zurück. Die Verkürzung der Frist zur Genehmigung von Flächennutzungsplänen bewertete sie positiv. Die Behörden sollten optional auf private Planungsbüros zurückgreifen können. Der Umstellung des förmlichen Beteiligungsverfahrens im Bauleitplanverfahren auf ein digitales Regelverfahren und der Beseitigung von Redundanzen bei der Änderung von Planverfahren stimmte sie ausdrücklich zu.