Experten für sicheren Austausch von Gesundheitsdaten
Berlin: (hib/PK) Gesundheitsforscher versprechen sich von der Initiative der EU-Kommission für eine grenzüberschreitende Nutzung medizinischer Daten große Fortschritte. Die Experten erläuterten am Mittwoch im Gesundheitsausschuss die Vorteile, die sich aus dem im Mai 2022 auf den Weg gebrachten Projekt des europäischen Raums für Gesundheitsdaten (European Health Data Space - EHDS) ergeben könnten.
Der Digital-Experte Marcel Weigand von der UPD Patientenberatung Deutschland sprach von einer bedeutenden Initiative zugunsten der Patientenversorgung. Schon heute seien grenzüberschreitende Gesundheitsdienste in mehreren EU-Ländern nutzbar. Deutschland stehe hingegen zurück und müsse aufschließen. Auch in der Versorgungsforschung brächten größere Datenmengen Vorteile. Nötig seien aber Sicherheit, Verlässlichkeit und Transparenz.
Zudem müssten Patienten die Hoheit über ihre Daten behalten, nur dann sei eine Akzeptanz in der Bevölkerung zu erwarten, sagte Weigand. Rechtssicherheit sei nötig hinsichtlich der Anonymisierung und Pseudonymisierung sowie der Interoperabilität. Auf keinen Fall dürfe mit bürokratischem Klein-Klein die europäische Idee der digitalen Gesundheitsversorgung ausgebremst werden.
Der Gesundheitsforscher Ferdinand Gerlach von der Universität Frankfurt am Main machte die praktischen Vorteile eines europäischen Gesundheitsdatenraums deutlich. Es gehe um Leben und Gesundheit, wenn Ärzte in ganz Europa Zugriff auf medizinische Daten auch ausländischer Patienten hätten. So müssten Ärzte vor einer Behandlung wissen, ob ein Patient etwa allergisch sei oder Blutverdünner nehme.
Auch bei aktuell festgestellten Arzneimittelrisiken sei die effektive Weitergabe dieser Informationen wichtig. Insbesondere Patienten mit seltenen Erkrankungen profitieren vom europäischen Gesundheitsdatenraum, fügte Gerlach hinzu. Denn für Forschungen fehlten oft genügend Fälle. Der Nutzen eines EHDS sei groß und konkret.
Christof von Kalle vom Berliner Institut für Gesundheitsforschung an der Charité sagte, es gehe um Datenräume, über die Patienten Verfügungsgewalt hätten, die aber auch vollständig sein müssten. Zudem müssten die genutzten Softwareprodukte interoperabel gestaltet sein. Hersteller sollten dazu verpflichtet werden, solche Übergangspunkte ohne zusätzliche Kosten anzubieten.
Der Kryptographie-Experte Dominique Schröder von der Universität Erlangen-Nürnberg versicherte, die Verarbeitung großer Datenmengen stehe nicht im Widerspruch zur Privatsphäre und dem Datenschutz. Bei dem EU-Vorhaben sollte die IT-Sicherheit von Beginn an eingebunden werden.
Die Datenschutzrechtsexpertin Fruzsina Molnar-Gabor von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften plädierte ebenfalls für die breite Verfügbarkeit gesundheitsbezogener Daten. Allerdings müssten auch hohe datenschutzrechtliche Anforderungen erfüllt werden. Die EU sei von einer digitalen Vernetzung und Interoperabilität derzeit weit entfernt, die Datensysteme seien zu unterschiedlich und national nicht verknüpft.