Regierung zur langfristigen Stromversorgungssicherheit
Berlin: (hib/MIS) Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat einen Bericht zum Stand und zur Entwicklung der Versorgungssicherheit im Bereich der Versorgung mit Elektrizität vorgelegt. Der Bericht und die daraus resultierenden Handlungsempfehlungen nehmen das Stromsystem der Jahre 2025 bis 2031 in den Blick. Sie betrachten also die langfristige Perspektive der Versorgungssicherheit, nicht die krisenbedingten Maßnahmen für diesen und kommenden Winter. Zu diesem Bericht nimmt die Bundesregierung Stellung und formuliert in ihrer Unterrichtung (20/5555) eigene Handlungsempfehlungen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit mit Elektrizität.
Der vorliegende Bericht der Bundesnetzagentur zeige, dass die sichere Versorgung mit Elektrizität im Zeitraum 2025 bis 2031 in den gewählten Szenarien gewährleistet sei, heißt es in der Unterrichtung. Die sichere Versorgung aller Verbraucher gelte unter den angenommenen Bedingungen sowohl im Hinblick auf ausreichende Erzeugungskapazitäten als auch im Hinblick auf ausreichende Netzkapazitäten. Dazu müsse aber eine Reihe von weiteren erzeugungs- und netzseitigen Entwicklungen realisiert werden.
Folgende Punkte, die eine zentrale Rolle für die Stromversorgungsicherheit spielen, wurden im Bericht der Bundesnetzagentur herausgearbeitet und werden in den Handlungsempfehlungen entsprechend aufgegriffen:
1. Als Ausgangspunkt hat die Bundesnetzagentur den deutlichen Ausbau der erneuerbaren Energien (Wind Onshore, Wind Offshore und Photovoltaik) in Deutschland von ca. 123 GW (2021) auf 360 GW (2030) bzw. 386 GW (2031) gemäß Osterpaket unterstellt. Die nötige Ausbaugeschwindigkeit ist damit mehr als dreimal so hoch wie in den Vorjahren.
2. Für steuerbare Kapazitäten nennt der Bericht, dass bei entsprechender Investitionssicherheit ein Zubau von Gaskraftwerken (Wasserstoff (H2)-ready), die Erschließung von „Netzersatzanlagen“ und die Bereitstellung von Lastreduktions- und Lastverschiebepotenzial bis 2030 bzw. 2031 in Deutschland die Versorgungssicherheit zu den geringsten Kosten gewährleisten würde. Die bereits im EEG angelegten Anreize für insgesamt 9 GW Wasserstoffkraftwerke sollten zudem zügig umgesetzt werden. Investitionen in Gaskraftwerke (die zukünftig auch H2-ready sein sollen) sind unter der Voraussetzung weiterhin sinnvoll, dass entsprechende LNG-Kapazitäten geschaffen werden und sich die Preise normalisieren.
3. Ein wichtiger Aspekt für das Engpassmanagement (Redispatch) als Teil der netzseitigen Versorgungssicherheit ist die geografische Lage von Erzeugern und Verbrauchern und damit deren Verknüpfungspunkte mit dem Netz. Insbesondere die Lage von großen Erzeugern wie zum Beispiel konventionellen Kraftwerken und großen Lasten, wie beispielsweise Elektrolyseuren, wirkt sich maßgeblich auf die Netzbelastungen und auf die Potenziale zur Behebung von Engpässen aus.
4. Zur Gewährleistung der Systemsicherheit müssen Aufgaben bzw. Systemdienstleistungen (SDL), die bisher konventionelle Kraftwerke erbracht haben, schrittweise durch erneuerbare Energien (EE), Speicher, Netztechnik und gegebenenfalls Wasserstoff-Kraftwerke übernommen werden. Zudem gilt es, den Systembetrieb auf immer höhere Anteile EE auszurichten. Da die EE im Vergleich zu konventionellen Großkraftwerken in der Regel im Verteilnetz und über Leistungselektronik an das Stromnetz angeschlossen sind, ergeben sich andere Anforderungen und Möglichkeiten für SDL und den Netzbetrieb. Außerdem bedarf es deutlich engerer Kooperationen zwischen Netzbetreibern (VNB/ÜNB und VNB/VNB). Insgesamt macht dieser „elektrotechnische Wandel“ (vom Synchrongenerator zur Leistungselektronik) neue Lösungen für Netzbetrieb/ Systemstabilität möglich und gleichzeitig erforderlich.
5. Der europäische Binnenmarkt eröffnet wichtige Ausgleichseffekte für das Stromsystem. Die Analysen gehen von einem funktionierenden Elektrizitätsbinnenmarkt aus, in dem Strom grenzüberschreitend gehandelt und ausgetauscht wird. Das bedeutet konkret, dass Deutschland gemäß den europäischen Vorgaben die entsprechenden (Mindest-)Austauschkapazitäten an den Grenzkuppelstellen bereitstellt und die Nachbarn auch entsprechend dieser Verpflichtung nachkommen. Wichtig ist mit Blick auf die Transportfähigkeit des Netzes auch die Einführung des grenzüberschreitenden Redispatch in den kommenden Jahren, welcher ebenfalls durch europäisches Recht vorgegeben ist.
6. Die Modellberechnungen zeigen zudem, dass auch in einem von hoher Preisvolatilität geprägten Markt die Verdienstmöglichkeiten grundsätzlich hoch genug sind, damit im Hinblick auf die Versorgungssicherheit genügend Anlagen betrieben und gebaut werden. Für Investitionen aus dem Markt heraus ist es jedoch notwendig, dass Investoren stabile Rahmenbedingungen vorfinden und diesem ausreichend Vertrauen entgegenbringen, um solch langfristige Projekte wie Kraftwerksneubauten zu realisieren.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine Reihe erzeugungs- und netzseitiger Entwicklungen realisiert und die entsprechenden, vielfach bereits begonnenen Anstrengungen weitergeführt werden müssen. Vor diesem Hintergrund legt die Bundesregierung dem Bundestag mit der Unterrichtung weitere Handlungsempfehlungen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit im Stromsystem vor.