24.09.2024 Familie, Senioren, Frauen und Jugend — Anhörung — hib 620/2024

Kritik an Weiterentwicklung des KiTa-Qualitätsgesetzes

Berlin: (hib/HAU) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Fortsetzung und Weiterentwicklung des KiTa-Qualitäts- und Teilhabeverbesserungsgesetzes (20/12771) wird von Sachverständigen als nicht ausreichend empfunden, um die im Koalitionsvertrag angekündigte Qualitätsentwicklung mit bundesweiten Standards zu erreichen. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montag deutlich. Positiv vermerkten die Sachverständigen, dass sich der Bund mit jeweils zwei Milliarden Euro im Jahr 2025 und in Jahr 2026 an den Kita-Kosten der Länder beteiligen will. Kritik gab es aber an der Höhe der Fördersumme und dem eingeschränkten Förderzeitraum, der keine langfristigen Planungen ermögliche.

Der Gesetzentwurf sei für die Beschäftigten in den Kitas eine Enttäuschung, befand Elke Alsago von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Bundesweit gleichwertige Standards ließen sich auf dieser Grundlage nicht herstellen. Notwendig sei eine Fördersumme von mindestens sechs Milliarden Euro und eine auf Dauer gestellte Finanzierung - „verbunden mit einem Stufenplan zur Erreichung von Standards insbesondere beim Personalschlüssel“, sagte sie.

Karola Becker vom Internationalen Bund, einem der großen freien Kita-Träger, bemängelte die Unterteilung von Bundesinvestitionen in die frühkindliche Bildung durch maximal Zwei-Jahres-Verträge „ohne Zusicherung von Kontinuität“. Immer wieder zeitlich begrenzte Unterstützungspakete verunsicherten das Personal und erhöhten die ohnehin bereits hohe Fluktuation der Kolleginnen und Kollegen in den Teams, sagte sie.

Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsmann-Stiftung sagte, die Fortsetzung der Bundesförderung für zwei Jahre sei „besser als nichts“. Es sei aber zu wenig, „um nicht zu sagen inakzeptabel“. Gut sei aus Steuerungsperspektive, dass das Handlungsfeld Fachkräftesicherung und -gewinnung fokussiert werde. „Allerdings besteht eine hohe Unverbindlichkeit der Maßnahmen mangels bundeseinheitlicher Standards“, sagte Bock-Famulla.

Matthias Dantlgraber vom Familienbund der Katholiken hält mindestens eine Inflationsanpassung in Höhe von 2,4 Milliarden zusätzlich für erforderlich, „um das ursprüngliche Niveau der Förderung zu erhalten“. Dantlgraber begrüßte ebenfalls die im Gesetz enthaltene Priorisierung auf Fachkräfte und Qualitätsentwicklung. Verbindlicher festgelegt werden müsse aber, dass die Länder die Mittel auch so einsetzen müssen, „dass sich die Qualität in der Kindertagesbetreuung auch tatsächlich angleicht“.

Aus Sicht von Barbara Dorn von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) geht der Entwurf in die richtige Richtung. Es sei gut, dass der Einsatz der Bundesgelder für eine pauschale Beitragsfreiheit mit dem Gesetz ausgeschlossen werde. Damit profitierten die Kinder direkt von einer besseren Qualität.

Professorin Rahel Dreyer von der Alice Salomon Hochschule Berlin sieht durch den Gesetzentwurf dringende Probleme adressiert. Angesichts der aktuellen Herausforderungen und erheblichen Handlungsbedarfe reiche jedoch eine Aufrechterhaltung des Status quo nicht aus. „Nur durch eine kontinuierliche finanzielle Förderung des Bundes und mit einheitlichen Qualitätsstandards kann sichergestellt werden, dass alle Kinder - unabhängig von ihrer sozialen Herkunft - gleiche Chancen auf hochwertige Bildung, Betreuung und Erziehung erhalten“, sagte sie.

Ein Rückzug des Bundes aus der Finanzierung wäre laut Niels Espenhorst vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband eine Katastrophe gewesen. „Insofern ist es gut, dass der Worst Case nicht eingetreten ist.“ Der aktuelle Schritt sei aber zu klein, auch wenn die inhaltliche Fokussierung zu begrüßen sei, sagte Espenhorst. Die öffentlichen Ausgaben für Kitas stiegen jährlich um acht Prozent, machte er deutlich. Ohne eine Dynamisierung schmelze daher der Anteil des Bundes „wie Schnee im Frühling“.

Heiko Krause vom Bundesverband für Kindertagespflege gelangte zu der Einschätzung, dass das Ziel, einheitliche und verbindliche bundesweite Standards gesetzlich festzuschreiben, nicht erreicht werde. Trotz der Bemühungen des Bundes um eine stärkere Vereinheitlichung und Vergleichbarkeit auch im Bereich der Kindertagespflege seien die Rahmenbedingungen in den einzelnen Bundesländern höchst unterschiedlich. „Wir nehmen sogar ein stärkeres Auseinanderdriften der Rahmenbedingungen wahr“, sagte Krause.

Irina Prüm von der Bundeselternvertretung für Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege kritisierte die im Entwurf vorgesehene Streichung des Handlungsfeldes 10, in dem die Zusammenarbeit mit den Eltern verbessert werden sollte. Es fehlten immer noch gesetzlich verankerte Landeselternvertretungen, bemängelte Prüm. Auch die Elterngremien auf Stadt-, Kreis- und Jugendamtsebene seien noch nicht flächendeckend vorhanden und würden noch nicht ausreichend unterstützt.

Waltraud Weegmann von Deutschen Kitaverband sagte, der Entwurf bleibe hinter der Erwartungshaltung der Kita-Träger zur Vorlage eines wirklichen Qualitätsentwicklungsgesetzes zurück. Entscheidend in der gesamten Qualitätsdebatte sei, „was am Ende beim Kind ankommt“. Um dem Anspruch an eine möglichst hochwertige frühkindliche Bildung gerecht zu werden und gleichzeitig dem Fachkräftemangel zu begegnen, sehe der Deutsche Kitaverband großes Potenzial in multiprofessionellen Teams, sagte Weegmann. Der Gesetzentwurf sollte ihrer Ansicht nach dem Wechsel hin zu multiprofessionellen Teams und der in der Praxis teilweise bereits gängigen Entwicklung mehr Rechnung tragen.

Durch den quantitativen und qualitativen Kitaausbau seien auch die Kosten in den letzten Jahren enorm angestiegen, sagte Ursula Krickl vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Sie hätten 2009 noch bei 15,5 Milliarden Euro gelegen. 2023 seien es mehr als 43 Milliarden Euro gewesen. Voraussetzung des Ausbaus sei immer gewesen, dass sich der Bund „dauerhaft und angemessen“ an der Kita-Finanzierung beteiligt, sagte Krickl. Dem komme der Gesetzentwurf „in keinster Weise nach“. Bei einer nur zweijährigen Beteiligung fehle es zudem Kommunen und Trägern an Planungssicherheit.

Auch Regina Offer vom Deutschen Städtetag forderte eine Verstetigung der Bundesmittel. Zugleich müssten sie sich durch eine Dynamisierung an die steigenden Kosten anpassen, um eine nachhaltige Verbesserung in der Praxis der Kindertagesbetreuung erzielen zu können.