Worte von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas vor der Vereinbarten Debatte „7. Oktober: Ein Jahr nach dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel“
[Stenografischer Dienst]
Präsidentin Bärbel Bas:
Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche Ihnen einen schönen guten Morgen. Die Sitzung ist eröffnet.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Montag hat sich der Überfall der Hamas auf Israel zum ersten Mal gejährt. Die Bilder und Berichte vom 7. Oktober haben sich tief in unser Gedächtnis eingebrannt: die Pick-ups mit bewaffneten Männern und wehrlosen Geiseln, der Überfall auf das Supernova-Festival, die Verwüstungen in den Kibbuzim, die menschenverachtende Jagd auf Kinder, Ältere, Familien, die Folterungen, die Vergewaltigungen von Frauen. Die Hamasterroristen ermordeten fast 1 200 Menschen, richteten sie regelrecht hin. 251 Geiseln wurden in den Gazastreifen verschleppt. Ein Großteil von ihnen ist bis heute nicht zurückgekehrt. In Gedanken sind wir bei den Angehörigen der Verschleppten. Für sie ist am 7. Oktober die Zeit stehen geblieben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielen von uns war es wichtig, dass wir an die Geiseln erinnern. Am Montag hing am Westportal zwischen den Säulen ein Banner mit der gelben Solidaritätsschleife. Diese Schleife steht für die Hoffnung, dass die Geiseln endlich nach Hause kommen. Im Übergang zum Paul-Löbe-Haus stellen wir in dieser Woche außerdem Schicksale des 7. Oktobers vor, damit die Opfer des Terrors ihr Gesicht und ihre Einzigartigkeit behalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns alle nach dem Terrorangriff an die Seite Israels gestellt - in einem einstimmigen Beschluss. Das war ein starkes Signal der Verbundenheit und Solidarität mit den Menschen in Israel und mit den Jüdinnen und Juden in aller Welt, für die Israel eine sichere Heimstatt ist. Für Israels Sicherheit einzutreten, gehört zur historischen Verantwortung, die uns Deutschen aus der Shoah erwächst.
Der 7. Oktober war eine Zäsur für die Menschen in Israel, für die gesamte Region, für die Jüdinnen und Juden in aller Welt. Der 7. Oktober bedeutete auch einen tiefen Einschnitt für das Miteinander hier bei uns. In Deutschland hat sich Antisemitismus hemmungslos Bahn gebrochen, auf den Straßen, in den sozialen Medien, sogar an Universitäten, in einem neuen Ausmaß, das ich mir nicht hätte vorstellen können. Viele Jüdinnen und Juden zweifeln an einer Zukunft in Deutschland. Das ist niederschmetternd. Unser Land gründet auf dem Versprechen: Nie wieder! Nie wieder Judenhass in Deutschland!
Wir debattieren gleich über den 7. Oktober und seine Folgen. Ich freue mich, dass auf der Tribüne der Botschafter des Staates Israels, Ron Prosor, Platz genommen hat. Herzlich willkommen!
(Beifall)
Seit dem 7.Oktober herrscht Krieg. Nahezu täglich wird Israel mit Raketen der Hamas aus dem Süden und der Hisbollah aus dem Norden beschossen. Viele Zehntausend Israelis mussten ihre Städte und Dörfer verlassen und können nicht in ihre Häuser zurück.
Israel hat von seinem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch gemacht und ist direkt nach dem 7. Oktober gegen die Hamas vorgegangen und geht seit Kurzem auch gegen die Hisbollah im Libanon vor. Die israelische Armee steht dabei vor einem unerträglichen Dilemma: zwischen legitimer Selbstverteidigung auf der einen Seite und dem Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten auf der anderen; denn die Strategie der Hamasterroristen ist perfide: Sie verstecken sich, ihr Kriegsgerät und die Geiseln in Wohnhäusern, in Schulen, in Krankenhäusern. Wir wissen um dieses Dilemma. Zugleich sehen wir mit Bestürzung die Lage in Gaza. Sie ist ohne jeden Zweifel eine humanitäre Katastrophe. Sie muss enden, so schnell wie möglich. Auch im Libanon vergrößert sich die Not täglich. Der iranische Raketenbeschuss auf Israel birgt zudem die Gefahr einer Eskalation in der gesamten Region. Wir dürfen aber nicht vergessen: Der Ausgangspunkt für die Not, das Leid und den Krieg in der Region sind die permanenten Angriffe auf Israel.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der AfD sowie bei Abgeordneten der Linken)
Ja, wir brauchen Schritte zur Deeskalation, und wir brauchen eine Perspektive für die Region. Alle Menschen im Nahen Osten brauchen Hoffnung auf ein Nebeneinander ohne Gewalt. Es ist ein Gebot der Menschlichkeit, das Leid aller Seiten anzuerkennen: das Leid der Geiseln und ihrer Angehörigen, das Leid der Menschen in Israel, die um ihre Sicherheit fürchten, das Leid der Menschen in Gaza und im Libanon.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie nun, sich für eine Schweigeminute zu erheben zum Gedenken an die vielen unschuldigen Opfer seit dem 7. Oktober.
(Die Anwesenden erheben sich)
- Ich danke Ihnen. Nehmen Sie bitte wieder Platz.
(Die Anwesenden nehmen wieder Platz)
Die Sitzung ist kurz unterbrochen.
(Unterbrechung von 9.08 bis 9.09 Uhr)