Rede von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas zur Ausstellungseröffnung „16 Objekte“ zu 70 Jahren Yad Vashem
[Es gilt das gesprochene Wort]
Sehr geehrter Herr Botschafter,
sehr geehrter Herr Dayan,
sehr geehrter Herr Minister,
sehr geehrter Herr Diekmann,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Gäste,
herzlich willkommen!
Ich begrüße Sie zur Eröffnung der Ausstellung „16 Objekte“.
Der Deutsche Bundestag zeigt diese Ausstellung zum 70. Gründungsjubiläum von Yad Vashem. Wir würdigen damit die so wichtige und wertvolle Arbeit der Gedenkstätte.
Die ausgestellten Gegenstände stammen ursprünglich aus Deutschland.
Viele kamen auf dramatischen Wegen nach Yad Vashem.
Nun kehren sie erstmals zurück.
Dafür danke ich sehr herzlich Dani Dayan,
dem Vorstandsvorsitzenden von Yad Vashem.
Sehr geehrter Herr Dayan,
Sie sind für diese Ausstellung zum allerersten Mal in Deutschland.
Ich empfinde das als besondere Geste und große Ehre.
Ich weiß, dass Ihnen dieser Besuch nicht leicht gefallen ist.
Umso mehr freue ich mich, dass Sie heute hier sind.
Ich danke auch dem deutschen Freundeskreis von Yad Vashem, insbesondere seinem Vorsitzenden Kai Diekmann und der Geschäftsführerin Ruth Ur.
Die Ausstellung zeigt Objekte aus 16 deutschen Städten. Ein Objekt aus jedem Bundesland. Auch einige Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister der Städte sind heute hier.
Herzlich willkommen!
Ganz besonders freue ich mich, eine Zeitzeugin begrüßen zu dürfen: Lore Mayerfeld-Stern.
Sie ist für diese Ausstellung aus Israel angereist.
Liebe Frau Mayerfeld-Stern, danke, dass Sie die weite Reise auf sich genommen haben!
Ihre Puppe Inge wird hier gezeigt.
Wir werden nachher mehr über die Geschichte Ihrer Puppe und vor allem Ihre persönliche Geschichte erfahren.
Auch im Namen des Deutschen Bundestags darf ich sagen: Wir fühlen uns sehr geehrt, dass Sie nach Deutschland gekommen sind!
Sehr geehrte Damen und Herren,
was sagt eine Puppe, was sagt ein Klavier, eine Abendtasche oder ein Poesiealbum über den Holocaust?
Michael Tal, der in Yad Vashem die hier ausgestellten Objekte betreut, hat einmal in einem Interview gesagt, ich zitiere: „Alltagsgegenstände aus der Zeit des Holocaust haben die Kraft, die Zeit zu überbrücken.“
Wer durch die Ausstellung geht,
spürt was er meint.
Einige Objekte stammen aus der Zeit vor der Verfolgung – so etwa die Thorarolle, die das Ehepaar Weinschenk ihrer Synagoge spendete.
Die meisten Gegenstände sind mit der Flucht oder dem Dasein in Ghetto und Lager verbunden: Sie erzählen uns, wie ihre Besitzerinnen und Besitzer unter unmenschlichsten Bedingungen ihren Alltag gestalteten. Und ihre Würde verteidigten.
Wie die Familie Posner, die ihren Chanukka-Leuchter mutig ins Fenster stellte – obwohl auf der Straße schon die Hakenkreuzflagge wehte.
Zwei Urenkelkinder des Rabbiners Posners sind heute zur Ausstellungseröffnung gekommen. Ich freue mich, dass Sie hier sind.
Der Chanukka-Leuchter der Posners oder die Puppe Inge sind Zeugen eines Verbrechens, das in der Geschichte der Menschheit einzigartig ist:
des Völkermords an den europäischen Jüdinnen und Juden.
Diese Objekte bezeugen einen menschlichen und kulturellen Reichtum, den Deutsche systematisch vernichtet haben.
Sie symbolisieren den unwiederbringlichen Verlust, den das Menschheitsverbrechen des Holocaust für uns alle bedeutet.
Sie stehen für Lücken, die sich nicht schließen lassen.
Für Millionen jüdischer Kinder, Frauen und Männer, die unserer Gesellschaft fehlen.
Für die Leben, die sie nicht leben konnten.
Für die Kinder, die nicht geboren wurden.
Simone Veil schrieb in ihren Erinnerungen über Auschwitz, ich zitiere:
„es ist das furchtbare Gewicht der Leere, die niemals vom Vergessen ausgefüllt werden darf und in der für immer das Gedächtnis der Lebenden aufgehoben sein wird.“
Dieses Motiv leitet auch die Arbeit der Gedenkstätte Yad Vashem.
Die Gedenkstätte hat es sich zum Ziel gemacht, die Erinnerung an die Shoa und ihre Opfer zu bewahren. An jede einzelne ermordete Jüdin und an jeden einzelnen ermordeten Juden.
Ihnen wird ihr „Name“ zurückgegeben und ein „Denkmal“ gesetzt – so die freihändige deutsche Übersetzung von „Yad Vashem“.
Die Gedenkstätte ist eng mit der Gründung des Staates Israel verbunden.
Nach der Erfahrung der Shoa hat die Vision eines sicheren Hafens für die Jüdinnen und Juden aus aller Welt einen besonderen Wert bekommen.
Im Mai dieses Jahres jährt sich die Staatsgründung zum 75. Mal.
Die Sicherheit Israels ist und bleibt für Deutschland Staatsräson.
Für die Arbeit von Yad Vashem haben Überlebende wie Lore Mayerfeld- Stern eine große Bedeutung.
Doch leider gibt es immer weniger Menschen, die den Abgrund der Shoa überlebt haben und uns selbst über ihr Leben berichten können.
Diese Ausstellung zeigt einen Weg, wie die Vergangenheit zu uns sprechen kann
– wenn es die Zeitzeugen nicht mehr können.
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Ruf nach einem Schlussstrich unter die deutsche Geschichte war nie verschwunden.
Seit einigen Jahren wird er wieder lauter.
Das macht mir große Sorgen.
Es gibt aber auch gute Nachrichten: Untersuchungen zeigen, dass gerade junge Menschen sich mit dem Holocaust beschäftigen wollen. Mehr als die älteren Jahrgänge.
Das stimmt mich zuversichtlich.
Einige interessierte und engagierte Jugendliche sind heute hier. Zwei Schülerinnen der Berliner Johanna-Eck-Schule werden später aus dem Tagebuch von Marion Feiner vorlesen.
Ich freue mich sehr, dass Sie da sind.
Jede Generation muss sich aufs Neue der deutschen Geschichte stellen.
Sich selbst konfrontieren – mit den unfassbaren Verbrechen und den Schicksalen der Opfer.
Auch dem Deutschen Bundestag – und mir persönlich – ist es ein wichtiges Anliegen, das Bewusstsein für das Leid der Opfer und die Einzigartigkeit des Holocaust wachzuhalten.
Diese Ausstellung macht vor, wie Erinnerung auf innovative Weise lebendig gehalten kann.
Und sie lädt ausdrücklich zum Nachdenken über die Zukunft der Erinnerung ein.
Ich freue mich auf einen erkenntnisreichen Abend.
Herzlichen Dank, dass Sie hier sind!
Abschlussworte am Ende der Veranstaltung
• Dank an Beteiligte der Veranstaltung
o Shelly Kupferberg (Moderatorin)
o Tehila Nini Goldstein (Musikerin) und ihre musikalische Begleitung
o Schülerinnen der Johanna-Eck-Schule (Nora Leyla Jordan und Erika Rosenfeld)
• Werde gemeinsam mit Dani Dayan, Kai Diekmann und Ruth Ur durch die Ausstellung gehen.
• Alle sind eingeladen, zum Empfang zu bleiben und sich die Ausstellung anzusehen.