Parlament

Konstituierende Sitzung am 7. September 1949

Die konstituierende Sitzung des ersten Deutschen Bundestages fand am Mittwoch, den 7. September 1949 in der zum Plenarsaal umfunktionierten ehemaligen Turnhalle der Pädagogischen Hochschule in Bonn statt. „Unter einem regenschweren Himmel, aber in der leuchtenden Fülle von Fahnen und Blumen“, habe die Bundesrepublik Deutschland den Tag der konstituierenden Sitzungen des Deutschen Bundestages und des Bundesrats erlebt, schrieb die Tageszeitung „Die Welt“ am 8. September 1949.

Der Tag begann mit Festgottesdiensten im Bonner Münster und in der Lutherkirche. Von den Masten vor dem Bundeshaus wehten die Flaggen der elf westdeutschen Bundesländer und Berlins sowie die schwarz-rot-goldene Flagge. An der Stirnseite des Plenarsaals trug ein weißer Vorhang die in Gold gestickten Wappen der Bundesländer und Berlins. Die erste Sitzung des Bundestages, die um 16.05 Uhr mit der Ouvertüre „Weihe des Hauses“ von Ludwig van Beethoven begann, gespielt vom Orchester der Stadt Bonn, bezeichnete ein Kommentator der Westdeutschen Zeitung als „die eigentliche Taufe der Bundesrepublik“. Unter den Gästen befanden sich die Hohen Kommissare McCloy, Robertson und François-Poncet, der päpstliche Visitator Bischof Münch, die Direktoren des Frankfurter Verwaltungsrats, die elf westdeutschen Ministerpräsidenten und der Regierende Bürgermeister Berlins.

Zu tausenden seien die Bonner zum Bundeshaus geströmt, meldete die Westdeutsche Zeitung. Auf Außentribünen, auf denen die Vorgänge im Plenum durch Lautsprecher übertragen wurden, konnten Zuschauer draußen vor der gläsernen Seitenwand des Plenarsaals die Geschehnisse verfolgen. Wer auf den Tribünen keinen Platz fand, konnte auf der Rheinpromenade die Eröffnungssitzung per Lautsprecherübertragung verfolgen. Die Verpflegung der Gäste sicherten zwei eigens eingerichtete Wirtschaftsbetriebe. Direkt beim Bundeshaus lag das Schiff „Frieden“ vor Anker. Mit seiner Restauration konnte es 1800 Personen mit Speisen und Getränken bewirten. Zudem wurde ein Zelt von 1000 qm Fläche zur Versorgung aufgestellt.

410 Abgeordnete – 28 Frauen

Dem ersten Deutschen Bundestag gehörten nach der Wahl vom 14. August 1949 insgesamt 410 Abgeordnete an, darunter zu Beginn der Wahlperiode 28 Frauen, was einem Anteil von 6,8 Prozent entsprach. Das Durchschnittsalter aller Abgeordneten betrug 50 Jahre. Viele Mitglieder des ersten Deutschen Bundestages verfügten über parlamentarische Erfahrungen: So hatten drei Bundestagsabgeordnete bereits der Weimarer Nationalversammlung 1919/20 angehört. 29 Abgeordnete waren Mitglied des Reichstages bis 1933 gewesen, sechs gehörten dem Länderrat der amerikanischen, 40 dem Zonenbeirat der britischen Besatzungszone an. 56 Abgeordnete waren Mitglied im Wirtschaftsrat für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet, 34 hatten dem Parlamentarischen Rat angehört. Erst von der 9. Wahlperiode (1980 - 83) an verfügte kein Mitglied des Bundestages mehr über Erfahrungen aus der Mitarbeit in einem dieser Gremien.

Alterspräsident Paul Löbe eröffnet

Paul Löbe (SPD), von 1920 bis 1924 und von 1925 bis 1932 Präsident des Reichstages der Weimarer Republik, eröffnete als Alterspräsident die erste Sitzung des Deutschen Bundestages. Er verwies in seiner Rede auf die Erwartungen der Menschen an das neue Parlament: „Was erhofft sich das deutsche Volk von der Arbeit des Bundestages? Dass wir eine stabile Regierung, eine gesunde Wirtschaft, eine neue soziale Ordnung in einem gesicherten Privatleben aufrichten, unser Vaterland einer neuen Blüte und neuem Wohlstand entgegenführen (…)“. Und: „Indem wir die Wiedergewinnung der deutschen Einheit als erste unserer Aufgaben vor uns sehen, versichern wir gleichzeitig, dass dieses Deutschland ein aufrichtiges, von gutem Willen erfülltes Glied eines geeinten Europa sein will.“

Das erste Präsidium

Im Anschluss an die Rede des Alterspräsidenten wählten die Abgeordneten in geheimer Abstimmung mit großer Mehrheit auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion den hessischen Bundestagsabgeordneten und vormaligen Präsidenten des Wirtschaftsrates Dr. Erich Köhler (CDU) zum ersten Bundestagspräsidenten. Er erhielt 346 der abgegebenen 402 Stimmen (81,1 %). Nach der Amtsübernahme des neuen Bundestagspräsidenten wurden seine beiden Stellvertreter, Prof. Dr. Carlo Schmid (SPD) und Dr. Hermann Schäfer (FDP) per Akklamation gewählt. Gemäß einer interfraktionellen Vereinbarung benannten die Fraktionen, die nicht im Präsidium vertreten waren, jeweils einen Schriftführer: Gustav Gundelach (KPD), Heinz Matthes (DP), Anton Freiherr von Aretin (BP), Dr. Herwart Miessner (DKP/DRP), Otto Pannenbecker (Z) und Alfred Loritz (WAV).

Der Bundestagspräsident formulierte in seiner Antrittsrede Grundsätze für das zukünftige Handeln der Abgeordneten: „(…) Wir wollen dienen den Armen und Bedürftigen, wir wollen die Selbstsucht in Schranken halten, und wir wollen den Schwachen vor dem Starken schützen. Indem wir so handeln, werden wir auch im tiefsten Sinne eine der grundlegenden Bestimmungen des Grundgesetzes erfüllen, nämlich dem Frieden der Welt zu dienen.“ Den Ausführungen des Bundestagspräsidenten folgte der letzte Satz der 5. Symphonie von Ludwig van Beethoven.

Die ersten Anträge

Daran schloss sich eine kurze Antragsberatung an: Die KPD-Fraktion beantragte, dass der Bundestag in seiner konstituierenden Sitzung eine Stellungnahme zum Demontageproblem beschließen möge. Von Seiten der SPD-Fraktion wurden für die nächste Arbeitssitzung drei Entschließungsanträge, in denen insbesondere die Einstellung der Demontagen, die Einbeziehung Berlins in die Bundesrepublik und die Verlegung der Bundesorgane von Bonn nach Frankfurt gefordert wurde, angekündigt. Alle Anträge wurden zur Kenntnis genommen und an den Ältestenrat überwiesen, der den Termin für ihre weitere Beratung festlegen sollte. Um 18.18 Uhr schloss Bundestagspräsident Köhler die Sitzung des ersten Deutschen Bundestages der Bundesrepublik Deutschland. Der neue Beginn, schrieb „Die Welt“ am 8. September 1949, sei für immer mit dem Namen Bonn verbunden.

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