Geschichte

Bundestag verabschiedet erstes Gesetz zum sozialen Wohnungsbau

Bau der Parksiedlung im Münchner Stadtteil Bogenhausen

In den fünfziger Jahren finanzierte der Bund im Rahmen des Wohnungsbaugesetz insgesamt 3,7 Millionen Wohnungen. (© picture alliance / SZ Photo | Fotoarchiv Otfried Schmidt)

Vor 75 Jahren, am Dienstag, 28. März 1950, verabschiedete der Deutsche Bundestag einstimmig bei wenigen Enthaltungen das Erste Wohnungsbaugesetz und damit die zentrale Grundlage für den Wiederaufbau und die Schaffung bezahlbaren Wohnraums in der frühen Bundesrepublik.

Wohnungsbedarf bei 5 ½ bis 6 Millionen Wohnungen

Auch fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Wohnungsnot eine der größten sozialen Herausforderungen der jungen Bundesrepublik. Deutschland lag in Trümmern. Große Teile der Städte waren zerstört, Millionen Wohnungen waren unbewohnbar. Viele Menschen lebten in Notunterkünften, Kellern oder überfüllten Wohnungen. Rund 12 Millionen Heimatvertriebene aus den ehemaligen Ostgebieten und Flüchtlinge suchten Wohnraum. Finanzierungsprobleme behinderten den Bau neuer Wohnungen erheblich. Hohe Baukosten stellten eine massive Hürde für einen schnellen Baufortschritt dar. Gleichzeitig sollten die Mietpreise für breite Schichten der Bevölkerung erschwinglich bleiben.

Der Bundesminister für Wohnungsbau Eberhard Wildermuth (FDP, 1890 bis 1952) hatte in der ersten Beratung des Gesetzentwurfes (1/567) am 24. Februar 1950 den Wohnungsbedarf auf 5 ½ bis 6 Millionen Wohnungen beziffert. Das Erste Wohnungsbaugesetz zielte deshalb darauf ab, den Wohnungsbau umfassend zu fördern, insbesondere für sozial benachteiligte Gruppen, und dabei langfristige und nachhaltige Lösungen mit tragbaren Mieten zu schaffen.

Beschleunigung zur Beseitigung der Wohnungsnot

Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer (CDU, 1876 bis 1967) hatte den Wohnungsbau bereits in seiner Regierungserklärung am 20. September 1949 als besonders drängendes Problem hervorgehoben und angekündigt: „Wir wollen mit allen Mitteln den Wohnungsbau energisch fördern.“ Zur Vorstellung des Gesetzentwurfes hatte er nochmal bekräftigt: „Der Wohnungsbau ist für uns auf Jahre hinaus das wesentlichste Erfordernis, um das deutsche Volk einer politischen, wirtschaftlichen, ethischen und kulturellen Genesung entgegenzuführen.“

Der Vorsitzende des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen Paul Lücke (CDU/CSU, 1914 bis 1976) beschrieb das Ausmaß der Dringlichkeit: „Wer von Amts wegen die Probleme in ihrer ganzen Auswirkung studiert hat, wer erlebt hat, wie Familien in der Enge der Räume zugrunde gingen, wer erlebt hat, wie in Köln, in München und in Hamburg die Menschen in Bunkern zugrunde gingen, wer erlebt hat, wie die Flüchtlinge in die kleinen Wohnungen hineingepfercht wurden, der wird mit mir der Auffassung sein, dass dieses Hohe Haus keine vornehmere Aufgabe hat, als alle Kräfte einzusetzen, damit diese Frage mit der notwendigen Beschleunigung erledigt wird.“ 

Lücke hob hervor, dass das Gesetz ein historischer Schritt sei: „Ich glaube, es wäre auch für das zwanzigste Jahrhundert mit diesem Gesetz etwas gutzumachen, was in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts versäumt worden ist. Es wäre vielleicht möglich, dass die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst würde und dass spätere Geschichtsschreiber einmal sagen würden, dass die letzte Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts das Jahrhundert des sozialen Wohnungsbaus genannt wird.“

Eine Arbeit leisten, die sich sehen lassen kann

„Über die dringende Notwendigkeit dieses Gesetzes zur Förderung des Wohnungsbaus, über die Ungeduld, mit der man im ganzen deutschen Volk auf dieses Gesetz wartet, und über die Hoffnungen, die man an dieses Gesetz hängt“, wie es der Berichterstatter des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen Dr. Josef Brönner (CDU/CSU, 1884 bis 1958) formulierte, herrschte im Bundestag über Parteigrenzen hinweg Einvernehmen. Alle Redner waren sich einig, dass ein schnelles und wirksames Handeln notwendig sei, um den Wohnraummangel in Deutschland zu bekämpfen und, dass die Wohnungskrise nur durch ein Zusammenspiel von öffentlicher Förderung, privaten Investitionen und Baukostensenkungen bewältigt werden konnte.

Die sozialdemokratische Oppositionsfraktion hatte dazu bereits am 20. Dezember 1949 den Entwurf eines Gesetzes über den Sozialen Wohnungsbau (1/352) vorgelegt. Nach der ersten Lesung der Regierungsvorlage (1/567) am 24. Februar 1950 war es in nur einem Monat intensiver Ausschussberatungen gelungen einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Entwürfen zu finden, der von den Ausschussmitgliedern einstimmig angenommen wurde und dem Plenum am 28. März 1950 zur zweiten und dritten Beratung vor lag (1/703, 1/567). Brönner beschrieb die intensive Arbeit des Ausschusses so: „Wir haben uns wie in einem Konklave in Rom bei der Papstwahl verpflichtet, hier eine Arbeit zu leisten, die sich sehen lassen kann.“

Schaffung bezahlbaren Wohnraums

Zentrales Ziel des Gesetzes war, wie in Paragraph 1 festgelegt: die Förderung des Wohnungsbaues überhaupt und die bevorzugte Förderung des sozialen Wohnungsbaues mit tragbaren Mieten. Dazu hatte der Ausschuss als Ziel im Gesetz verankert in 6 Jahren möglichst 1,8 Millionen Wohnungen im Sektor des sozialen Wohnungsbaues zu erstellen. 

Dabei soll vordringlich, wie es Brönner als Ausschussberichterstatter betonte, für einkommensschwache Gruppen, Heimatvertriebene und Kriegsbetroffene gebaut werden. „Ich darf betonen, dass sich der Ausschuss in dem Willen einig war, für den kleinen Mann, für die schlecht untergebrachten Familien, für die Heimatvertriebenen und Ausgebombten Wohnungen zu schaffen, entweder zu tragbaren Mieten oder noch besser in der Form eines eigenen Häuschens oder einer Kleinsiedlung.“

Finanzierung, Wohnraumgröße und Mietpreise

Zur Förderung des Wohnungsbaus waren neben dem Einsatz öffentlicher Mittel die Übernahme von Bürgschaften, Steuervergünstigungen, die Bereitstellung von Bauland durch die Gemeinden und die Auflockerung der Wohnungszwangswirtschaft vorgesehen. Um bezahlbaren Wohnraum zu gewährleisten, wurde zum einen die Regelgröße der Wohnfläche für den öffentlich geförderten Wohnungsbau zwischen 32 und 65 Quadratmetern und zum anderen eine Höchstmiete von 1 Mark, in Ausnahmefällen von 1,10 Mark je Quadratmeter Wohnfläche festgelegt.

Die SPD hatte sich für eine gesetzliche Regelung zur Enteignung von Bauland eingesetzt. Da hierzu keine schnelle Lösung im Ausschuss gefunden werden konnte, wurde eine spätere Gesetzgebung beschlossen und die Regierung aufgefordert bis zum 30. September desselben Jahres einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.

Grundgesetz auf dem Gebiet des Wohnungswesens

Für die SPD-Opposition zeigte sich Erich Klabunde (1907 bis 1950) erfreut, dass eine gemeinsame Lösung gefunden werden konnte. Wesentliche geforderte Korrekturen seien im Ausschuss zustande gekommen. Klabunde, der maßgeblich am Zustandekommen des Ersten Wohnungsbaugesetzes beteiligt war, verzeichnete es mit Genugtuung, dass dieses Gesetz die einheitliche Zustimmung des Hauses finden wird. „Hier ist nicht irgendein beliebiges Gesetz geschaffen worden, sondern — gestatten Sie mir den Vergleich — sozusagen ein Grundgesetz auf dem Gebiet des Wohnungswesens, wenigstens soweit es sich um den Wohnungsbau handelt. Dieses Grundgesetz hat nun eben auch die Tugenden und Fehler unseres anderen größeren Grundgesetzes, d. h. es ist nicht möglich, zu jeder Bestimmung mit gleicher Begeisterung ja zu sagen. Es ist aber wohl möglich, zu dem gesamten Werk ja zu sagen.“

Kritik aus der KPD-Fraktion

Kritik am gefundenen Kompromiss gab es vor allem aus der KPD-Fraktion. Hugo Paul (1905 bis 1962) kritisierte das Gesetz und widersprach der positiven Einschätzung: „Ich kann in dieses Loblied auf dieses Wohnungsbaugesetz nicht einstimmen. Das vorliegende Gesetz entspricht keineswegs den Bedürfnissen und den Hoffnungen, die die Bevölkerung an dieses Gesetz geknüpft hat.“ Dem Gesetz fehle eine sichere Finanzgrundlage: „Wir sind der Meinung, um einen Grundstock für den sozialen Wohnungsbau zu schaffen, sollte das Haus unserem Abänderungsantrage zustimmen, dass 10 Prozent der Bundeseinnahmen jährlich für den sozialen Wohnungsbau eingesetzt werden.“ 

Zur Landbeschaffung merkte er an: „Wenn man hier in Westdeutschland jene demokratischen Maßnahmen durchgeführt hätte, die in der Deutschen Demokratischen Republik durchgeführt wurden, nämlich die Bodenreform und die Enteignung der Großkapitalisten, dann würde man mit der Beschaffung von Bauland weniger Sorgen haben.“

Breite Zustimmung zum Wohnungsbaugesetz

Vor der Abstimmung betonte Wohnungsbauminister Wildermuth die breite Zustimmung zum Wohnungsbaugesetz trotz der großen Unterschiede in wirtschafts- und sozialpolitischen Grundauffassungen. Das Gesetz sei das Ergebnis einer guten Gemeinschaftsarbeit zwischen Regierung, Bundestag, Bundesrat und verschiedenen politischen Lagern. Besonders lobte er die konstruktive Mitarbeit der SPD als Oppositionspartei sowie anderer Gruppen, die sonst „schroff gegen die Regierung stehen“ und nannte dabei den Abgeordneten Hugo Paul, der mit sinnvollen Beiträgen geholfen haben, Kompromisse zu finden. Abschließend sagte er: „Ich halte es für eine gute Vorbedeutung für unsere junge deutsche Bundesrepublik, dass diese Grundsteinlegung des Wohnbaus mit einer so allgemeinen Zustimmung erfolgt, wie sie jetzt erfolgen soll.“

Einmütig bei wenigen Enthaltungen beschlossen die Abgeordneten das Erste Wohnungsbaugesetz. „Ich gebe wohl der Auffassung des Hohen Hauses Ausdruck, wenn ich vor der Öffentlichkeit feststelle, dass das Hohe Haus mit der Annahme und mit dieser Form der Annahme des Ersten Wohnungsbaugesetzes eine klare und eindeutige Dokumentation seiner sozialen und menschlichen Verpflichtung gegenüber unserem Volke gegeben hat.“, sagte Bundestagspräsident Dr. Erich Köhler (CDU/CSU, 1892 bis 1958) nach der Abstimmung. Das Erste Wohnungsbaugesetz bildete die Grundlage des Wiederaufbaus in der Bundesrepublik. In den fünfziger Jahren finanzierte der Bund im Rahmen dieses Gesetzes insgesamt 3,7 Millionen Wohnungen. Weitere 2,7 Millionen Wohnungen wurden durch private Investoren gebaut. Damit wurden die Zielvorstellungen des Gesetzes weit übertroffen. (klz/21.03.2025)