Bärbel Bas blickt auf eine „herausfordernde Zeit“ zurück
Wenn sich der 21. Deutsche Bundestag am 25. März 2025 konstituiert, endet die knapp dreieinhalbjährige Amtszeit von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Das Vorschlagsrecht für das Amt an der Spitze des Parlaments hat im neuen Bundestag die CDU/CSU als stärkste Fraktion. Im Interview mit dem Parlamentsfernsehen blickt die SPD-Politikerin auf eine „herausfordernde Zeit“ zurück. Bei der Bundestagswahl am 23. Februar hat Bas ihren Wahlkreis Duisburg I mit 39 Prozent der Erststimmen mit großem Abstand gewonnen. „Ich habe meinen Duisburgerinnen und Duisburgern gesagt, ich stehe wieder zur Verfügung als eure Wahlkreisabgeordnete, und das bin ja jetzt erst mal im neuen Bundestag nach der Konstituierung am 25. März“, sagt die 56-Jährige.
Amtsantritt unter Pandemie-Bedingungen
Bärbel Bas gehört dem Bundestag seit 2009 als Duisburger Abgeordnete an. Seit 2013 ist sie Mitglied im geschäftsführenden Fraktionsvorstand der SPD-Bundestagsfraktion. Von 2013 bis 2019 war sie Parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion und seit 2019 stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Nachdem die SPD nach der Bundestagswahl 2021 stärkste Fraktion geworden war, wurde sie in der konstituierenden Sitzung des 20. Deutschen Bundestages am 26. Oktober von ihrer Fraktion für das Amt der Bundestagspräsidentin vorgeschlagen und mit 576 von 724 Stimmen gewählt.
Der Anfang ihrer Amtszeit als dritte Bundestagspräsidentin nach Annemarie Renger (SPD, 1972 bis 1976) und Prof. Dr. Rita Süssmuth (CDU/CSU, 1988 bis 1998) war noch geprägt von den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Bas erinnert an die Bundesversammlung am 13. Februar 2022, bei der Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier im Amt bestätigt wurde und die unter Pandemie-Bedingungen im Paul-Löbe-Haus statt im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes stattfinden musste.
Mehr Ordnungsrufe als in der Vergangenheit
In der Corona-Zeit habe es viele Verletzungen gegeben, erwidert Bas auf die Frage nach dem raueren Umgangston im Parlament. Viele Ordnungsrufe hätten die Präsidiumsmitglieder erteilen müssen. In den sozialen Medien werde gegen die Ordnungsrufe agitiert, sie würden als „Trophäen“ angesehen. Alle Fraktionen hätten mehr Ordnungsrufe erhalten als in der Vergangenheit, an der Spitze der Statistik liege jedoch die AfD-Fraktion.
Weil die Ordnungsrufe nicht weniger werden, habe sie vorgeschlagen, die Ordnungsmaßnahmen zu verschärfen. Sie hoffe, sagt Bas, dass der neue Bundestag die geplante Reform der Geschäftsordnung beschließen wird. Vorgesehen sei, das Ordnungsgeld von 1.000 Euro bei einer erstmaligen, nicht geringfügigen Verletzung der Ordnung oder Würde des Bundestages und 2.000 Euro im Wiederholungsfall auf 2.000 Euro erstmalig und 4.000 Euro im Wiederholungsfall zu verdoppeln. Auch solle ein Automatismus eingeführt werden, dass beim dritten Fall in einer Sitzungswoche eine Geldstrafe noch hinzukommt. Bas äußert die Hoffnung, dass sich die Abgeordneten durch diese Maßnahmen wieder mäßigen.
Kein Handy-Verbot im Plenum
Von Bürgerinnen und Bürgern werde häufig beanstandet worden, dass die Abgeordneten während der Plenardebatten auf ihr Handy schauen anstatt zuzuhören. Sie habe nicht versucht, so die Bundestagspräsidentin, ein Handy-Verbot durchzusetzen, denn das Handy sei mittlerweile zu einem Arbeitsmittel geworden. Aber: „Man sollte es auf dem Tisch liegen lassen und wirklich nur im Notfall benutzen.“
Den Zuschauerinnen und Zuschauern fielen aber auch die Diskriminierungen und Beleidigungen auf und sie fühlten sich davon abgestoßen, fügt Bas hinzu.
„Hetze gegen Abgeordnete schadet der Demokratie“
Der Demokratie schade es, wenn Abgeordnete sich aufgrund zunehmender Hetze in den sozialen Medien aus der Politik verabschieden wie etwa die sächsischen CDU-Abgeordneten Marco Wanderwitz und Yvonne Magwas, Bundestagsvizepräsidentin der zurückliegenden Wahlperiode. Man habe noch nie so viele Abgeordnete unter Personenschutz nehmen müssen, sagt Bas und erinnert daran, dass auch Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter zunehmend angegriffen würden. Sie selbst stelle bei Beleidigungen und Drohungen auch Strafanzeige: „Es macht schon was mit einem, man wird vorsichtiger.“
In diesem Zusammenhang berichtet Bas, dass die Zuverlässigkeitsprüfung für den Zutritt zum Bundestag auf die Wahlkreismitarbeiter von Abgeordneten ausgedehnt wurde. Es gebe immer wieder Vorfälle, dass jemand ein Sicherheitsrisiko ist. Die Gewaltbereitschaft sei gestiegen, betont sie und verweist auf den Versuch von Demonstranten im August 2020, sich Zutritt zum Reichstagsgebäude zu verschaffen. Bas: „Wir wollen die Sicherheit erhöhen, aber trotzdem ein offenes Haus bleiben.“
Keine Mehrheiten für AfD-Bewerber um Vizepräsidentenamt
Auf die Frage, weshalb die AfD keinen Bundestagsvizepräsidenten stellt, erläutert die Bundestagspräsidentin, dass die Fraktion das Recht habe, Wahlvorschläge einzubringen. Allerdings müssten die Kandidierenden die erforderliche Stimmenmehrheit erlangen, was ihnen bisher nicht gelungen sei. Auch sie selbst sei von ihrer Fraktion vorgeschlagen worden und habe mit Mehrheit gewählt werden müssen.
Was das neue Wahlrecht angeht, sieht Bas Vorteile, vor allem finanzielle Einsparungen durch die Verringerung der Zahl der Abgeordneten von zuletzt 733 auf künftig 630. Aber auch in räumlicher Hinsicht sei der Bundestag aufgrund seiner Größe an seine Kapazitätsgrenzen gestoßen, die Arbeitsfähigkeit leide darunter. Sollte die Wahlrechtsreform noch einmal diskutiert werden, ist aus ihrer Sicht darauf zu achten, dass der „Deckel“ von 630 Abgeordneten gehalten wird.
Rückgang des Frauenanteils „dramatisch“
Als „dramatisch“ bezeichnet Bärbel Bas den Rückgang des Frauenanteils an den Abgeordneten von knapp 36 auf gut 32 Prozent. Sollte das Wahlrecht erneut reformiert werden, müsse eine Geschlechterparität im Parlament in Betracht gezogen werden: „Ich bin eine Verfechterin, dass Parteien es hinbekommen, ihre Listen paritätisch aufzustellen.“
Die Erfahrungen mit dem in der 20. Wahlperiode eingesetzten „Bürgerrat Ernährung im Wandel“ bewertet die Bundestagspräsidentin positiv. Sie sei nach wie vor begeistert von dem Projekt und hoffe, dass die Vorschläge der 160 teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger in der neuen Wahlperiode wieder aufgegriffen werden: „Es sind tolle Vorschläge.“ Die Entscheidungen würden aber letztlich immer von den Abgeordneten getroffen. Bürgerräte seien kein Ersatz für ein Parlament, sondern eine Ergänzung. (vom/14.03.2025)