Kontroverse Debatte um wirtschaftspolitische Vorschläge der Union
Steuersenkungen für Unternehmen, Bürokratieabbau, Lieferkettengesetz und Solidaritätszuschlag komplett streichen, das Bürgergeld durch Grundsicherung ersetzen sowie den Emissionshandel ausweiten und die Prüfung der Wiederaufnahme abgeschalteter Kernkraftwerke: All das fordert die CDU/CSU-Fraktion in ihrem Antrag „Politikwechsel für Deutschland - Soziale Marktwirtschaft statt grüner Planwirtschaft“ (20/14252), den der Bundestag am Donnerstag, 19. Dezember 2024, erstmals debattiert und im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Wirtschaftsausschuss überwiesen hat.
Antrag der Unionsfraktion
Notwendig sei eine Wirtschaftspolitik, die die strukturellen Probleme des Wirtschafts- und Investitionsstandorts Deutschland angehe und „auf gute Rahmenbedingungen für alle statt Förderung für manche setzt“, schreiben die Abgeordneten in ihrem Antrag. Die soziale Marktwirtschaft habe Deutschland in den letzten Jahrzehnten stark gemacht hat. Aktuell liege die Unternehmenssteuerbelastung im internationalen Vergleich jedoch an der Spitze und müsse wieder auf ein wettbewerbsfähiges Niveau sinken.
Unternehmen sollten gefördert werden, indem mit sofortiger Wirkung ein Belastungsmoratorium in Kraft gesetzt wird und Maßnahmen zum Abbau von Bürokratie ergriffen werden. Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und der Solidaritätszuschlag sollten mit sofortiger Wirkung abgeschafft werden. Unternehmenssteuern wollen CDU/CSU schrittweise auf 25 Prozent senken.
Steuerfreie Überstundenzuschläge
Zur Aufnahme einer Beschäftigung und zur Arbeitsaufnahme sollten Überstundenzuschläge für Vollzeitbeschäftigte steuerfrei gestellt werden, im Rahmen einer neuen Aktivrente sollten die ersten 2.000 Euro Arbeitseinkommen im Monat für Rentner steuerfrei sein. Das Bürgergeld in der jetzigen Form solle durch eine neue Grundsicherung ersetzt werden.
In der Gastronomie solle die Umsatzsteuer für Speisen auf sieben Prozent fallen. Eine „digitale Bundesagentur für Einwanderung“ solle Anwerbung, Vermittlung und Visavergabe bei ausländischen Fachkräften „aus einer Hand“ ermöglichen.
Die Energiepolitik solle klimafreundlich, aber „technologieoffen“ sein, lautet eine weitere Forderung. Der Emissionshandel solle als Leitinstrument europäisch gestärkt und international vorangebracht, die Stromsteuer für alle auf das europäische Minimum gesenkt sowie das Netzentgelt reduziert werden. Die technischen und finanziellen Bedingungen einer Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke sollten unverzüglich geprüft werden.
CDU/CSU: Gelenkte Wirtschaftspolitik ist gescheitert
Für die Unionsfraktion traten Julia Klöckner und Jens Spahn ans Rednerpult. Klöckner warf der Bundesregierung und vor allem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) vor, „die Stabilität massiv gefährdet“ zu haben. Unternehmen bräuchten Planungssicherheit und Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, zu investieren. Die Bundesregierung habe auf „immer mehr Staat“ gesetzt, doch diese „gelenkte Wirtschaftspolitik“ sei gescheitert, so Klöckner.
Jens Spahn verschärfte den Ton noch: „Die Hütte brennt lichterloh“, beschrieb er die wirtschaftliche Lage des Landes. Die Große Koalition habe der Ampelregierung ein „Land im Wachstum übergeben“, davon sei drei Jahre nach Regierungsübernahme der Ampel nichts mehr übrig. Spahn verwies auf den Antrag seiner Fraktion: Nur mit diesen Maßnahmen komme die Wirtschaft wieder zu Wachstum.
FDP: Mehr Planungssicherheit für Unternehmen
Obwohl die FDP Teil der Ampelregierung gewesen ist, kritisierte Nicole Bauer (FDP) „hohe Steuern und Abgaben“ sowie „zu hohe Energiekosten“, die den Standort Deutschland verfallen lassen hätten, sodass „einige Ökonomen bereits von einem Sanierungsfall“ sprächen.
Die Liberale forderte mehr Planungssicherheit für Unternehmer und mehr Freiheit, „damit Ideen umgesetzt werden können“.
SPD: Die Union legt nichts Neues vor
Sebastian Roloff (SPD) warf der CDU/CSU-Fraktion Wahlkampf vor. „Die Union legt nichts Neues vor“, sagte er. Seit mehr als zwei Jahren behaupte sie, die Strukturkrise der Wirtschaft habe nichts mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine zu tun, dabei habe die CDU von 2005 bis 2021 die Bundeskanzlerin gestellt.
Das Steuerfortentwicklungsgesetz hätten Union und FDP in dieser Woche mit verabschieden können, doch sie hätten sich aus wahltaktischen Gründen anders entschieden.
Grüne vermissen Gegenfinanzierungsvorschläge
Katharina Beck (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte daran, dass es Wirtschaftsminister Habeck gewesen sei, der im Jahr 2022 erreicht habe, dass die Energieversorgung stabil blieb. Nach Ende der russischen Energielieferungen habe die Ampel bewiesen, dass sie in Krisenzeiten für Stabilität gesorgt habe.
Die Grünen-Abgeordnete kritisierte, dass die Vorhaben im Antrag der CDU/CSU den Bundeshaushalt ungefähr 100 Milliarden Euro jährlich kosten würden. Im Antragsentwurf stehe aber „kein einziger Vorschlag, wie das gegenfinanziert werden kann“.
AfD: Unglaubwürdiger Unionsantrag
Für Dr. Malte Kaufmann (AfD) sind die Ampelparteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP „maßgeblich verantwortlich“ für eine „Rezession nie dagewesenen Ausmaßes, hohe Strompreise und eine nicht gesicherte Energieversorgung“.
Deshalb halte er es „für gut, dass es Neuwahlen“ gibt. Den Unionsantrag nannte er „unglaubwürdig“, weil der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz nach der Wahl eine weitere Zusammenarbeit mit Robert Habeck als Wirtschaftsminister nicht ausgeschlossen habe.
Linke: Steuergeschenke für Superreiche
Janine Wissler (Gruppe Die Linke) warf der Union vor, sie verteile mit dem Antrag, der eine Kopie des Wahlprogramms sei, „Steuergeschenke für Supereiche und für Konzerne“.
Anstatt in die Infrastruktur zu investieren, wollten CDU und CSU das Bürgergeld abschaffen und „Jobverlierer auf die Rutschbahn in die Armut setzen“.
BSW: Schlechte und marode Infrastruktur
Alexander Ulrich (Gruppe BSW) nannte die „schlechte und marode Infrastruktur den Grund für die Wirtschaftskrise“.
Der frühere Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe, statt in Bahn und Digitalisierung zu investieren, an der Schuldenbremse und an der „schwarzen Null“ festgehalten. (nki/19.12.2024)