Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen beraten
Im Kabinett der Ampel-Regierung wurde monatelang um ein Gewalthilfegesetz gerungen. Der Prozess verzögerte sich, sodass nach dem Ampel-Aus die Fraktionen von SPD und Grünen in Eigenregie einen entsprechenden Entwurf für ein umfassendes Gewalthilfegesetz (20/14025) vorlegten, über den der Bundestag am Freitag, 6. Dezember 2024, mehr als eine Stunde lang debattiert hat.
Jedoch hat dieser Entwurf aufgrund der aktuellen politischen Konstellation wenig Aussicht auf eine Verabschiedung, auch wenn CDU/CSU und FDP ebenfalls zwei Anträge (20/12734, 20/14029) vorlegten, in denen sie unter anderem ein Gesamtkonzept für mehr Plätze in Frauenhäusern fordern. Die Gruppe Die Linke fordert in einem Antrag (20/13739) 500 Millionen Euro für ein Sofortprogramm für Frauenhäuser. Alle Vorlagen überwies das Parlament im Anschluss der Aussprache zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Frauen.
Gesetzentwurf von SPD und Grünen
Hauptelement des Gesetzentwurfs von SPD und Grünen ist die rechtliche Absicherung des Zugangs zu Schutz und Beratung der gewaltbetroffenen Person. Dies soll über die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Schutz und Beratung bei Gewaltbetroffenheit gesichert werden. Prävention und Täterarbeit in Zusammenspiel mit den Polizeibehörden sind ebenfalls Teil des Entwurfs.
Die Länder werden darin verpflichtet, ein Netz an zahlenmäßig ausreichenden und den Bedarf verschiedener Personengruppen berücksichtigenden Schutz- und Beratungsangeboten sicherzustellen. Deshalb sollen die Länder in einem ersten Schritt den tatsächlichen Bedarf an Schutz- und Beratungsangeboten in angemessener geografischer Verteilung analysieren und die Entwicklung des Netzes an Schutz- und Beratungsangeboten planen.
Union: Wir sind nicht für ein Scheitern verantwortlich
Die CDU/CSU-Fraktion machte in der Debatte sehr deutlich, dass sie sich den schwarzen Peter nicht zuschieben lässt, wenn das Gesetz jetzt nicht mehr zustande kommt. „Das Thema ist vielen von uns ein Herzensanliegen, aber Sie haben es erst mit dem Ampel-Aus entdeckt. Ihre Bilanz nach drei Jahren ist einfach nur Null.
Sie haben kein Investitionsprogramm auf den Weg gebracht und nicht mal den Versuch unternommen, Neuregelungen beim Umgangs- und Sorgerecht in gewaltbetroffenen Familien auf den Weg zu bringen“, betonte Silvia Breher (CDU/CSU). Hätte die Regierung den Entwurf ein Jahr früher vorgelegt, hätte es noch ein ordentliches Verfahren geben können, sagte die familienpolitische Sprecherin von CDU/CSU.
Grüne: Es gibt eine Lösung!
Offensichtlich hatte das eindringliche Bitten von Britta Haßelmann, der Co-Vorsitzenden der grünen Bundestagsfraktion, nichts genützt. „Es gibt eine Lösung! Lassen Sie uns das gemeinsam zu Ende bringen“, hatte sie zuvor appelliert. Nach der Debatte deutet aber nicht viel darauf hin, dass Regierung und Opposition hier noch zusammenfinden werden.
Haßelmann zeigte sich selbstkritisch: „Weil wir jahrelang mit dem Finger auf andere gezeigt haben, gibt es noch heute zu wenig Schutzräume für Frauen. Wir haben es alle miteinander nicht geschafft, das ist beschämend.“
SPD: Es ist ein längst überfälliger Schritt
Andrea Fäscher (SPD) betonte, momentan fehlten zwei von drei Plätzen in Frauenhäusern. Das Gesetz sei deshalb „ein längst überfälliger Schritt, zu dem wir durch die Istanbul-Konvention längst verpflichtet sind“.
An die Union gerichtet, sagte sie: „Unsere Hand ist ausgestreckt. Wir wollen ohne Maximalforderungen aber mit maximalem Umsetzungswillen dieses Gewalthilfegesetz verabschieden.“
Ministerin: Wir haben zwei Jahre intensiv beraten
Die Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) verteidigte sich gegen den Vorwurf des zu späten Handelns: „Wir haben intensiv zwei Jahre an einem Runden Tisch beraten. Nun wollen wir als Bund endlich in die Finanzierung der Frauenhäuser einsteigen, mit 2,6 Milliarden Euro bis 2036. Länder, Kommunen, alle warten auf dieses Gesetz.“ Natürlich hätten sie Verhandlungen lange gedauert, dies sei aber kein Grund, jetzt nicht zu handeln, erklärte die Ministerin.
AfD: Brauchen Maßnahmen gegen Genitalverstümmelung
Ein konsequenteres Handeln fordert auch die AfD-Fraktion, allerdings sieht sie die Lösung vor allem in einem Stopp der Zuwanderung, wie Nicole Höchst (AfD) klarstellte. Alljährlich veranstalte man zum Frauentag am 8. März einen „Tanz ums goldene Kalb, ohne, dass sich irgendetwas ändert“. Sie warf der Regierung vor, dies auch gar nicht zu wollen und verwies auf Genitalverstümmelungen und Zwangsheiraten, bei denen härteres Durchgreifen angesagt wäre.
FDP: Online-Register über Frauenhausplätze hilft konkret
Nicole Bauer (FDP) erklärte, Handlungsbedarf bestehe nicht nur bei den Kapazitäten, sondern auch bei der Prävention. „Sicherheit beginnt mit Bildung und der Möglichkeit, sich aus Abhängigkeiten zu befreien.“ Ein Online-Register für Frauenhaus-Plätze wären ein erstes wichtiges Angebot für Frauen in Not, sagte Bauer.
Linke: Die Regierung hat versagt
Dr. Gesine Lötzsch (Gruppe Die Linke) warf der Ampel „Regierungsversagen“ vor. Wie könne es sein, dass ein Land weltweit für Menschenrechte kämpfe, diese aber im eigenen Land für Frauen und Mädchen nicht sicherstellen könne, fragte sie.
BSW: Es geht nur um „bekloppte Genderideologie“
Sevim Dagdelen (BSW) unterstellte der Regierung, mit dem Gesetz „Ihre bekloppte Genderideologie“ verfestigen zu wollen. Denn es würde auch biologischen Männern, die sich als Frauen empfänden, Zutritt zu Frauenhäusern erlauben.
Antrag der Union
Gegenstand der Plenardebatte waren zudem mehrere Vorlagen der Opposition. Mehr Hilfe und Unterstützungsangebote für von Gewalt betroffene Frauen fordert die CDU/CSU-Fraktion in einem Antrag (20/13734). Häusliche Gewalt sei seit langem ein gesamtgesellschaftliches Problem. Betroffene fänden sich in allen sozialen Schichten der Gesellschaft und dennoch gelte sie als Tabu-Thema. Stigmatisiert würden immer noch vorrangig die Opfer, schreiben die Abgeordneten. Weiter führen sie aus, dass es nur rund 400 Frauenhäuser gebe. Dies entspreche knapp 7.700 Frauenhausplätzen. Laut Schätzungen von Experten seien mindestens 14.000 weitere Plätze nötig, um bundesweit eine flächendeckende und bedarfsorientierte Versorgung mit Schutzeinrichtungen sicherzustellen.
Die Fraktion fordert zahlreiche Maßnahmen, unter anderem einen dritten nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen zur verlässlichen Finanzierung von Frauenhäusern und einen Rechtsanspruch auf Schutz und fachliche Beratung. Auch müssten die digitalen Plattformbetreiber in die Pflicht genommen werden, um wirksame Schutzkonzepte gegen digitale Gewalt einzuführen. Es müsse ferner sichergestellt werden, dass für Menschen mit Behinderungen ein barrierefreier, niedrigschwelliger Zugang zu Schutz-, Hilfe- und Beratungsangeboten bereitsteht.
Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion fordert in einem Antrag (20/14029) einen besseren Schutz von Frauen vor Gewalt, unter anderem durch mehr Plätze in Frauenhäusern und eine Stärkung der Prävention. Das aktuelle BKA-Lagebild spreche auch bei dem Punkt „Häusliche Gewalt“ eine klare Sprache, schreiben die Abgeordneten. Demnach waren 2023 insgesamt 256.276 Menschen Opfer von häuslicher Gewalt, davon 70,5 Prozent Frauen. Zugleich ging in rund 75 Prozent der Fälle die Gewalt von Männern aus.
In Deutschland gebe es aktuell 400 Frauenhäuser mit rund 7.700 Plätzen. Expertinnen und Experten hätten wiederholt darauf hingewiesen, dass es für eine ausreichende, flächendeckende und dem Bedarf entsprechende Versorgung mindestens 14.400 zusätzliche Plätze in Frauenhäusern brauche, so die Liberalen. Im Jahr 2023 seien laut der bundesweiten Frauenhausstatistik knapp 16.300 Frauen aus Platzmangel abgewiesen worden. „Daher bedarf es eines bundesweit einheitlichen Finanzierungsrahmens von Bund, Ländern und Gemeinden, der eine ausreichende und finanziell abgesicherte Versorgung mit Frauenhausplätzen sowie einen niedrigschwelligen Zugang für von Gewalt betroffene Frauen und ihren Kindern sicherstellt.“
Die Abgeordneten verlangen von der Bundesregierung, „im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel“ unter anderem dafür zu sorgen, dass mit den Ländern ein nationales Online-Register zur Registrierung und Abfrage von freien Frauenhausplätzen zur Verfügung gestellt wird, um eine niedrigschwellige und schnelle Inanspruchnahme zu unterstützen. Die Istanbul-Konvention und die daraus entstehenden Verpflichtungen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt müsse die Bundesregierung nachkommen. Auch die Bedarfe von Unterstützungsangeboten und Schutzeinrichtungen für von Gewalt betroffene Männer sollten eruiert und erforderliche Maßnahmen daraus abgeleitet werden. Die Fraktion fordert außerdem einen neuen Bund-Länder-Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen. Die Regierung müsse sich gegenüber den Ländern ferner dafür stark machen, dass digitale Gewalt in all ihren Erscheinungsformen Gegenstand des Informatik- und Medienunterrichts an Schulen sowie von öffentlich geförderten Medieninitiaitven wie „SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht“ wird.
Antrag der Gruppe Die Linke
Die Gruppe Die Linke will Frauen besser vor Gewalt schützen. In einem Antrag (20/13739) kritisieren die Abgeordneten, dass eine umfassende Erhebung zum Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt, die alle Formen von Gewalt, auch digitale Gewalt, gegen Frauen und Mädchen in Deutschland umfasst, nicht existiere. „Ein vollständiges Lagebild ist aufgrund fehlender Daten seit Jahren nicht möglich, obwohl Deutschland spätestens seit der Ratifizierung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) am 1. Februar 2018 dazu verpflichtet ist.“
Die Abgeordneten verlangen unter anderem, unverzüglich einen Gesetzentwurf für ein „Gewalthilfegesetz“ vorzulegen, der mit einer Regelfinanzierung durch den Bund einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen und eine verlässliche Finanzierung des Hilfesystems garantiert und entsprechend der Istanbul-Konvention die Anzahl der Beratungsstellen und Frauenhausplätze (ein Platz auf 7.500 Einwohner) erhöht. Auch müsse die Regierung einen wirksamen nationalen Aktionsplan vorlegen, der eine allgemein gültige Definitionen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt enthält und bundesweite Ziele zur Umsetzung der Konvention setzt, die die Rechte der Opfer in den Mittelpunkt stellen und der alle Formen von Gewalt gegen Frauen beachtet. (che/06.12.2024)