Kontroverse um den Straftatbestand der Politikerbeleidigung
Die AfD-Fraktion spricht sich für die Abschaffung des Paragrafen 188 des Strafgesetzbuches (Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung) aus. Mit diesen Sonderrechten müsse Schluss sein, forderte Stephan Brandner (AfD) in einer von seiner Fraktion beantragten Aktuellen Stunde mit dem Titel „Paragraf 188 StGB abschaffen – Keine Einschränkung der Meinungsfreiheit durch den Straftatbestand der Politikerbeleidigung“ am Freitag, 6. Dezember 2024.
AfD: Politiker sind nicht besonders schützenswert
Die Regierenden hätten 2021 für sich ein extra schützendes Sonderrecht geschaffen, „als Maßnahme gegen Hass und Hetze und Rechtsextremismus“, sagte Brandner. Ihn persönlich erinnere dies an die staatsfeindliche Hetze im Strafgesetzbuch der DDR oder das Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei aus dem Jahr 1934.
Wirtschaftsminister Robert Habeck und andere Ampel-Politiker hätten auf Basis des Paragrafen 188 Tausende Strafanzeigen gestellt. „Sie wehren sich nicht durch gute Politik, sondern durch drangsalierende Maßnahmen der Bürger“, sagte Brandner. Politiker seien nicht besonders schützenswert, so der AfD-Abgeordnete. Daher brauche es auch nicht den Paragrafen 188 StGB.
SPD: Paragraf 188 schützt demokratische Strukturen
Dunja Kreiser (SPD) warf der AfD hingegen vor, die Schleusen für Hass und Hetze öffnen zu wollen. Sie sei es, die die Bedrohung für die Demokratie aktiv vorantreibe. „Wer systematisch Hass schürt, Drohungen ausspricht und den öffentlichen Diskurs mit Verleumdungen vergiftet, trägt eine erhebliche Verantwortung daran, dass ehrenamtliche und kommunalpolitische Mandatsträger zunehmend zur Zielscheibe von rechtsextremen Gewalttätern werden“, sagte sie.
Der Schutz, den Paragraf 188 biete, sei kein Privileg Einzelner. Er sei vielmehr ein Schutz der demokratischen Strukturen. Sein Ziel sei es nicht, Kritik zu unterbinden, „sondern gezielt Hetze, Verleumdung und Desinformation zu bekämpfen“.
CDU/CSU: Regelung hat sich bewährt
Carsten Müller (CDU/CSU) erinnerte daran, dass der Paragraf 188 im Nachgang des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke geschaffen worden sei. „Sie und Ihre Spießgesellen waren die geistigen Urheber dieser Mordtat“, sagte Müller an die AfD gewandt. Seiner Ansicht nach hat sich die Regelung bewährt. Bedenklich sei es allerdings, wenn man von Hunderten Anzeigen lese.
„Idee des Paragrafen 188 ist nicht, dass man KI einsetzt, um Sachverhalte zu ermitteln“, sagte der Unionsabgeordnete. Das sei ein Zeichen mangelnder Souveränität. Zur Wahrheit gehöre auch: „Wer sich im politischen Bereich engagiert, muss auch mit deutlicher Kritik umgehen und leben können.“ Müller sagte weiter, die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel etwa habe keinen einzigen Fall verfolgen lassen.
Grüne: AfD hetzt und organisiert Hass
Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) sagte mit Blick auf Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, es könne nicht sein, dass Menschen, die sich an politische Umgangsformen halten, sich am Ende noch entschuldigen müssen, dass sie einen Strafantrag auf Beleidigung gestellt haben. Die AfD hetze, versetze das Land in Aufruhr und organisiere Hass, so Künast. Dann beklage sie sich, dass die Opfer ihrer Aktivitäten 800 Strafanträge stellen.
„Dann hören Sie einfach auf damit, das Land zu zerstören“, sagte die Grünen-Abgeordnete: „Dann gibt es auch weniger Strafanträge.“ Beleidigung sei der Anfang von etwas, das später in Körperverletzung oder Mord ende. „Deshalb werden wir weiter anzeigen“, kündigte Künast an.
FDP gegen Sonderstrafrecht zum Politikerschutz
Katharina Willkomm (FDP) machte darauf aufmerksam, dass Beleidigungen „wem auch immer gegenüber“, strafbar seien. Es gebe daher auch gegenüber Politikern keine Schutzlücke, die man mit Paragraf 188 StGB schließen müsste. Machtkritik genieße in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen hohen Schutz. „Das ist auch richtig so“, befand die FDP-Abgeordnete.
Demokratie funktioniere nur, wenn man sich ohne Ängste vor Repressionen über die Verhältnisse im Land äußern könne. Es vergifte die Meinungsfreiheit und die Diskussionskultur, wenn man fürchten müsste, die Polizei werde demnächst bei einem klingeln. „Wir brauche kein Sonderstrafrecht zum Schutz von Politikern“, sagte Willkomm.
Paragraf 188 des Strafgesetzbuches
Der Paragraf 188 des Strafgesetzbuches (StGB) ist überschrieben: „Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung“. Absatz 1 lautet: „Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine Beleidigung (§ 185) aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Das politische Leben des Volkes reicht bis hin zur kommunalen Ebene.“
Absatz 2 lautet: „Unter den gleichen Voraussetzungen wird eine üble Nachrede (§ 186) mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren und eine Verleumdung (§ 187) mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“ (hau/06.12.2024)