Hubertus Heil spricht sich für Entlastung der „arbeitenden Mitte“ aus
Der Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil (SPD) hat dafür geworben, dass der Bundestag noch in diesem Jahr wenn auch nicht die großen Reformen, so doch praktische Lösungen hinbekommt. In der Regierungsbefragung des Bundestages am Mittwoch, 13. November 2024, nannte der Minister die Sicherung von Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe durch die Deckelung von Netzentgelten. Darüber hinaus sprach er sich für eine Entlastung der „arbeitenden Mitte“ aus. Wichtig sei der Abbau der kalten Progression im Steuerrecht, „damit Arbeit sich lohnt und Menschen mehr Geld in der Tasche haben“. Das gelte auch für die Anpassung des Kindergeldes zum 1. Januar. Auch das Deutschlandticket habe mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu tun, etwa mit Pendlern, die zur Arbeit müssten.
Sein Ministerium stehe für die erforderlichen Gespräche darüber zur Verfügung. Heil bedauerte, dass es nicht gelungen sei, in der Rentenpolitik nach dem ersten Rentenpaket das Rentenpaket II im Bundestag abzuschließen. „Ich rechne auch nicht damit, dass das in Kürze gelingt“, sagte der Minister. Es bleibe dennoch wichtig, dass Rentenniveau auch über die Legislaturperiode hinaus dauerhaft zu sichern. 2025 entstehe noch kein Schaden, aber nach 2026 gehe es schon um stabile Renten, weil sonst die Renten der heutigen und zukünftigen Rentner im Vergleich zur arbeitenden Bevölkerung sinken würden.
Schmidt: Viele Versprechen umgesetzt
Neben dem Arbeits- und Sozialminister stellte sich auch der Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes Wolfgang Schmidt (SPD) den Fragen der Abgeordneten. Schmidt verwies auf die Bertelsmann-Stiftung, die zur Halbzeit der Koalition festgestellt habe, dass diese Regierung so viele Versprechen im Koalitionsvertrag gemacht habe wie keine zuvor. Viele der Versprechungen seien im September 2023 auch schon umgesetzt gewesen. Der russische Angriffskrieg habe erhebliche Auswirkungen gehabt: „Wir mussten auf einmal Dinge tun, die vorher in keinem Koalitionsvertrag standen.“
Die Inflation sei so hoch gestiegen wie noch nie seit 50 Jahren, die Reallöhne so tief gefallen wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg, minus vier Prozent 2022. „Diese Bundesregierung war nicht dafür zuständig, dass Deutschland zu fast 60 Prozent auf Erdgas aus Russland angewiesen“, sagte Schmidt. Inzwischen sei die Inflation wieder beim EU-Zielwert von zwei Prozent angekommen, und auch bei den Reallöhnen habe man seit fünf Quartalen in Folge einen Zuwachs. Das Kabinett habe eine Wachstumsinitiative mit 49 Maßnahmen verabschiedet, die das Wachstum im nächsten Jahr verdoppelt hätte, sagte der Minister. Er würde sich wie sein Ministerkollege Heil freuen, wenn es möglich wäre, vieles davon so schnell wie möglich umzusetzen, betonte Schmidt.
Rentenpolitik und Arbeitsmarkt
Die Rentenpolitik bildete einen Schwerpunkt der Fragen an den Arbeits- und Sozialminister. So fragte der CDU-Abgeordnete Hendrik Hoppenstedt, was Heil unternehme, um die Kosten bei den Sozialversicherungssystemen zu begrenzen.
Er habe eine Menge getan, erwiderte der Minister, und verwies auf das Kurzarbeitergeld, um Arbeitskräfte zu halten. Der Rentenversicherungsbeitrag sei bei 18,6 Prozent konstant geblieben, zu Helmut Kohls Zeiten habe er schon mal bei um die 20 Prozent gelegen. Die Prognosen seien negativer gewesen angesichts von 35 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und 46 Millionen Erwerbstätigen insgesamt.
Rentenniveau und Beitragssätze
Marc Biadacz und Stephan Stracke (beide CDU/CSU) hakten nach. Heil verwies auf den „historisch niedrigen“ Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung und räumte ein, dass es Beitragssatzprobleme in den Bereichen Gesundheit und Pflege gebe, weil der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Leistungsverbesserungen ohne Strukturreformen umgesetzt habe, wohingegen sein Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) Strukturreformen auf den Weg gebracht habe. Der Rentenversicherungsbeitrag werde in den nächsten Jahren leicht ansteigen.
Die FDP-Abgeordneten Anja Schulz fragte, ob das Einhalten eines Rentenniveaus von 48 Prozent des Durchschnittslohns immer noch gerechtfertigt wäre, wenn die Beitragssätze schon vor 2028 ansteigen, wie im Rentenversicherungsbericht festgestellt werde. Heil sagte, bis 2026 bleibe der Beitrag bei 18,6 Prozent. Er trat für Anreize ein, damit die Menschen länger arbeiten. Die deutsche Gesellschaft gebe nicht übermäßig mehr für Alterssicherung aus als andere Staaten.
Renten und Ukraine-Unterstützung
Gerrit Huy (AfD) sagte, der Bundeskanzler habe anklingen lassen, dass ihm deutsche Renten wichtiger seien als die Ukraine-Unterstützung. Bisher habe man davon nicht viel sehen können. Die Altersrentner stünden im internationalen Vergleich schlechter da als zuvor.
Heil sagte, der Kanzler habe die außen- und sicherheitspolitische Verantwortung deutlich gemacht. Er erinnerte an die Einführung der Grundrente in der vergangenen und die Verbesserung bei den Erwerbsminderungsrenten in der laufenden Wahlperiode. Hinzu komme das Rentenpaket II als „Blaupause“ für die Sicherung der Renten. Im Übrigen sprach sich der Minister dafür aus, nicht deutsche Rentner gegen deutsche Sicherheitsinteressen auszuspielen.
Rentenpaket II und Inklusion
Matthias W. Birkwald (Gruppe Die Linke) wollte von Heil wissen, ob er wegen des Rentenpaktes II noch mal auf die Union zugehen wolle, „im Interesse der 21,2 Millionen Rentnerinnen und Rentner“. Er sei dafür, das Paket zu beschließen, so Heil, doch die Unionsfraktion wolle in dieser Wahlperiode keine große Reform mehr.
Stephanie Aeffner (Bündnis 90/Die Grünen) erkundigte sich nach der Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes. Es gehe um gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen, sagte der Minister, er rechne aber nicht fest damit, die Reform noch in dieser Wahlperiode hinzubekommen. Heil verwies darauf, dass Inklusion in Skandinavien ein Standortvorteil sei. Ziel müsse sein, eine inklusive Gesellschaft zu werden: „Ich setze auf den Konsens der Demokraten.“
Bürgergeld und China-Schutzzölle
Den Kanzleramtsminister fragte der FDP-Abgeordnete Jens Teutrine nach der Umsetzung der Wachstumsinitiative, die auch schärfere Sanktionen beim Bürgergeld vorsehe. Ob er sich abgesichert habe, dass die SPD-Fraktion diesen Schritt mitgehen würde, wollte Teutrine wissen. Im Kabinett sei die Entscheidung einstimmig gewesen, sagte Schmidt. Der Kanzler „würde sich freuen, das noch hinzubekommen“.
Esra Limbacher (SPD) erkundigte sich bei Schmidt nach den Lösungen für die Autoindustrie im Hinblick auf China. Der Kanzler habe bei der Präsidentin der Europäischen Kommission dafür geworben, auf Schutzzölle gegenüber China zu verzichten, weil sie schädlich seien. Jetzt seien sie gegen die deutsche Stimme im Europäischen Rat beschlossen. Auf die deutschen Autohersteller hätten die Zölle „erhebliche Auswirkungen“. Es gebe Hinweise auf Überkapazitäten in China und dass Waren zu Dumpingpreisen nach Europa gebracht würden.
Dr. Götz Frömming (AfD) wollte von Schmidt wissen, ob für die Neuwahl-Entscheidung des Kanzlers eine Rolle gespielt habe, dass dieser sich Anfang Dezember noch einmal zum Cum/Ex-Skandal äußern müsse. Das könne er guten Gewissens dementieren, erklärte der Kanzleramtschef.
Verhältnis zu Polen und Sicherheit der Litauen-Brigade
Das Verhältnis zu Polen thematisierte Knut Abraham (CDU/CSU). Er wollte wissen, warum beim Treffen mit US-Präsident Biden, dem französischen Präsidenten Macron und dem britischen Premierminister Starmer am 18. Oktober in Berlin zu den Ukraine-Hilfen der polnische Ministerpräsident Tusk nicht eingeladen wurde. Schmidt verwies auf das „Quad“-Format, ein etabliertes Format der vier Staaten, die sich eng abstimmen. Zu Abrahams Hinweis, dass Polen nun ein eigenes Format ohne Deutschland schaffe, sagte Schmidt, es sei gut, dass viel gesprochen werde. Ihm stehe keine Beurteilung der Aktivitäten Polens zu.
Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) fragte den Minister in dessen Eigenschaft als Koordinator der Nachrichtendienste des Bundes nach Bedrohungen durch die hybride Kriegsführung Russlands. Er wollte wissen, ob das Kanzleramt bereit sei, im Hinblick auf die Litauen-Brigade der Bundeswehr zu handeln, weil man sonst ein „massives Sicherheitsproblem“ hätte. Der Militärische Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst könnten eine Sicherheitslücke nicht wahrnehmen, entgegnete Schmidt. Die Sicherheit der deutschen Soldatinnen und Soldaten in Litauen sei stets gesichert. (vom/13.11.2024)