Emotionale Debatte über die Auswirkungen der Cannabis-Legalisierung
In einer erneut emotionalen Parlamentsdebatte haben sich Kritiker und Befürworter mit den Auswirkungen der Legalisierung von Cannabis auseinandergesetzt. Während Redner der ehemaligen Ampel-Koalition am Freitag, 15. November 2024, in einer von der CDU/CSU-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde die Freigabe verteidigten, sprach die Union von einem eklatanten Fehler, der die innere Sicherheit in Deutschland gefährde.
Die Ampel-Koalition hatte das Cannabisgesetz (20/10426) im Februar auch gegen Kritik von einigen Fachverbänden durchgesetzt. Seit dem 1. April 2024 sind der Besitz und Konsum von Cannabis unter bestimmten Bedingungen legal. Seit dem 1. Juli dürfen außerdem Vereinigungen zum Eigenanbau von Cannabis Anträge auf Zulassung stellen. Das geerntete Cannabis kann dann an die Mitglieder ausgegeben werden.
Union: Einladung an Kriminelle
Dr. Silke Launert (CDU/CSU) sagte, die Ampel-Koalition habe mit der Legalisierung von Cannabis eine Einladung an Kriminelle ausgesprochen und die Folgen nicht bedacht. Sie verwies auf die sogenannte Mocro-Drogenmafia, die in den Niederladen agiere und längst den Weg auch nach Deutschland gefunden habe. Diese Mafia stehe für brutale Bandenkriege und Schießereien im öffentlichen Raum. Sie warf den damaligen Ampel-Koalitionären vor, Warnungen der Polizei vor diesem erwartbaren Problem ignoriert zu haben.
Es sei auch nicht gelungen, den Schwarzmarkt auszutrocknen mit diesem „vermurksten“ Gesetz. „Der Drogenmarkt ist größer denn je.“ Die Koalition habe die Tore geöffnet für die niederländische Drogenmafia. Launert forderte eine entschlossene Bekämpfung der Drogenkriminalität, dazu müssten alle verfügbaren Instrumente genutzt werden.
AfD: Kiffer nicht das drängendste Problem
Ähnlich kritisch äußerte sich Martin Sichert (AfD), der allerdings den Schwerpunkt auf die seiner Ansicht nach gescheiterte Ausländerpolitik legte und forderte, kriminelle Ausländer entschlossen abzuschieben. Man könne das Cannabisgesetz kritisch sehen, „die Kiffer“ seien aber nicht das drängendste Problem der inneren Sicherheit.
Viel problematischer seien Islamisten und ihre Unterstützer in Deutschland. Kriminelle und Kriegsverbrecher könnten einfach einreisen und in Deutschland bleiben. Die Organisierte Kriminalität werde stärker und umfasse auch bekannte arabische Clans. Das Kernproblem sei die ungesteuerte Zuwanderung. Statt die Clans zu bekämpfen, befasse sich die Regierung lieber damit, ganz normale Bürger ausgrenzen.
Gesundheitsminister: Wichtiger Paradigmenwechsel
Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) wertete die Legalisierung hingegen als wichtigen Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik. Der Cannabiskonsum sei in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegen, auch unter Jugendlichen. Der Konsum sei eine gefährliche Realität, denn die Drogen seien immer höher dosiert, hinzu kämen toxische Beimengungen. „Cannabis ist überall. Sie können es sehen und riechen.“ Auch die Kriminalität sei in der Vergangenheit gestiegen, denn die Dealer hätten ein Monopol für den Verkauf gehabt, sagte der Minister und fügte hinzu: „Die niederländischen Clans sind das Ergebnis der gescheiterten Drogenpolitik.“
Lauterbach warf der Union vor, das Cannabisgesetz in den Ländern zu blockieren und damit keinen Beitrag zur Lösung der Probleme zu leisten. Er betonte, nicht die Konsumenten seien kriminell, sondern die Dealer. Wo es Alternativen zum Schwarzmarkt gebe, steige der Konsum nicht mehr, fügte er hinzu und nannte Beispiele aus den USA. Es gebe keine Evidenz, dass die Legalisierung den Konsum erhöhe. Er forderte eine „faire Chance“ für das Gesetz und verwies auf die geplante umfangreiche Auswertung der Legalisierungsfolgen.
FDP strebt vollständige Legalisierung an
Kristine Lütke (FDP) zeigte sich überrascht, dass die Union ausgerechnet in dieser schwierigen Lage eine Debatte über Cannabis auf die Tagesordnung setze, wo doch eigentlich Lösungen für wirtschaftliche Probleme dringlicher seien.
Sie hielt der Union vor, alte Vorurteile gegen Cannabis wieder aufzuwärmen, ohne dafür Belege vorzulegen. Ein negativer Trend sei jedenfalls durch das Cannabisgesetz nicht belegbar. Eine ernsthafte Debatte über Auswirkungen des Gesetzes könnte auch erst geführt werden, wenn die notwenigen Daten vorlägen. Das sei im kommenden Jahr der Fall. Das Beispiel Kanada zeige im Übrigen, dass die Legalisierung der beste Weg sei, Dealer arbeitslos zu machen.
Lütke forderte, es nicht bei der sogenannten ersten Säule der Legalisierung zu belassen, sondern die vollständige Legalisierung anzustreben. So sollte die Abgabe von Cannabis auch über Geschäfte und im Online-Handel möglich werden.
Grüne: Die Prohibition ist gescheitert
In diese Richtung argumentierte auch Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen), die der Union ein „seltsam obsessives Verhältnis zu Cannabis“ attestierte. Die überfällige Cannabisreform sei ein wichtiger, entscheidender Erfolg der Ampel-Koalition. Vor der Reform sei der Markt fest in der Hand des organisierten Verbrechens gewesen.
Sie betonte: „Die Prohibition ist gescheitert.“ Die Kriminalisierung habe vielen Menschen geschadet und sei nun Geschichte. Die ersten Cannabisclubs hätten ihre erste Ernte an die Mitglieder abgegeben, frei von schädlichen Beimengungen. Den Durchbruch bringen könne aber nur die komplette Legalisierung in lizenzierten Fachgeschäften.
Berliner Senatorin: Geschenk für Organisierte Kriminalität
In der Aussprache äußerte sich auch die Berliner Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz, Dr. Felor Badenberg (CDU), die das Cannabisgesetz als mangelhaft bezeichnete. Der angebliche Meilenstein in der Drogenpolitik habe sich als untauglicher Versuch erwiesen. Cannabis sei auch nicht harmlos, sondern könne das Risiko für Psychosen erhöhen.
Die Amnestieregelung habe dazu geführt, dass 210.000 Akten manuell überprüft werden müssten. Manche Altverfahren müssten sogar komplett neu aufgerollt werden. Die großen Freimengen für den privaten Gebrauch und kuriose Abstandvorschriften seien weitere Probleme der neuen Regelung. Es sei zudem naiv zu glauben, dass mit der Legalisierung der Schwarzmarkt ausgetrocknet werden könne. Vielmehr sei die Reform „ein Geschenk“ für die Organisierte Kriminalität, die eingeladen sei, ihre lukrativen Geschäfte in Deutschland auszubauen. Das Gesetz gebe Kriminellen einen gefährlichen Spielraum, sei ein „Irrweg“ und sollte aufgehoben werden.
SPD: Regulierung und Jugendschutz
Dunja Kreiser (SPD) erinnerte daran, dass mit dem Gesetz eine umfangreiche Evaluation verbunden sei, mit der insbesondere die Folgen für Kinder und Jugendliche untersucht werden sollen. Der Kinder- und Jugendschutz sei von zentraler Bedeutung und müsse immer im Blick behalten werden, auch beim privaten Anbau von Cannabis. Die Evaluation biete die Chance, gegebenenfalls nachzubessern, wenn der Schutz nicht ausreiche. Regulierung und Jugendschutz könnten Hand in Hand gehen.
Sie räumte ein, es gebe Herausforderungen, die mit dem Cannabisgesetz verbunden seien. Daher dürfe sich die Politik nicht zurücklehnen, eine strikte Überwachung des Gesetzes sei essenziell. (pk/15.11.2024)