Parlament berät interfraktionellen Antrag gegen Judenhass
Liveübertragung: Donnerstag, 7. November, 9 Uhr
Der Bundestag befasst sich am Donnerstag, 7. November 2024, mit einem interfraktionellen Antrag für ein entschlossenes Handeln gegen Antisemitismus in Deutschland. Die Vorlage von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP trägt den Titel „Nie wieder ist jetzt – Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“ (20/13627) und soll im Anschluss an die rund eineinhalbstündige Aussprache direkt abgestimmt werden. Zur Abstimmung stehen außerdem ein Änderungsanträge, die die Gruppe Die Linke (20/13653) und die Gruppe BSW (20/13654) zu der interfraktionellen Vorlage eingebracht haben.
Antrag der vier Fraktionen
Im gemeinsamen Antrag der vier Fraktionen heißt es: „Mit dem vorliegenden Antrag unterstreichen wir, dass die Bekämpfung des Antisemitismus die gemeinsame Aufgabe aller Demokratinnen und Demokraten darstellt. Deutschland trägt vor dem Hintergrund der Shoah, der Entrechtung und der Ermordung von sechs Millionen europäischer Jüdinnen und Juden, eine besondere Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus. Wir müssen auf Antisemitismus hinweisen, vor ihm warnen und laut und sichtbar gegen ihn eintreten.“
Der Deutsche Bundestag sei dankbar, dass es nach der nationalsozialistischen Diktatur und trotz der Shoah wieder jüdisches Leben und jüdische Kultur in Deutschland gebe. Ihre Existenz sei eine „Bereicherung unserer Gesellschaft“ und angesichts unserer Geschichte eine „besondere Vertrauenserklärung“ gegenüber unserer Demokratie und unserem Rechtsstaat, betonen die Abgeordneten.
Antisemitische Angriffe und Übergriffe verurteilt
Die Fraktionen verurteilen darin auch den Terrorangriff der Hamas vom Oktober 2023 und verweisen auf die in der Folge gestiegenen antisemitischen Übergriffe, Demonstrationen und Straftaten. „All dies führt zu einer massiven Verunsicherung unter Jüdinnen und Juden in Deutschland. Der Bundestag verurteilt antisemitische Angriffe und Übergriffe auf das Schärfste. Jede einzelne Attacke ist zugleich ein Angriff auf die Werte und Grundsätze, auf denen unser Zusammenleben und unsere Demokratie fußen“, heißt es in dem Antrag weiter.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, jüdisches Leben in Deutschland zu stärken, unter anderem durch das Wachhalten der Erinnerung an die Shoah und die Förderung der Gedenkstätten und der durch sie stattfindenden Bildungsarbeit. Der Bundestag bekräftige seinen Beschluss, sicherzustellen, dass keine Organisationen und Projekte finanziell gefördert werden, die Antisemitismus verbreiten, das Existenzrecht Israels in Frage stellen, die zum Boykott Israels aufrufen oder die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen, betonen die Fraktionen.
„Verbot der BDS-Bewegung prüfen“
Sie verweisen in diesem Zusammenhang auf Beschlüsse von Bundesregierung und Bundestag, die die Arbeitsdefinition der IHRA (Internationale Allianz zum Holocaustgedenken) von Antisemitismus als maßgeblich heranziehen. Die Regierung müsse nun dafür sorgen, dass diese Definition auch in Ländern und Kommunen zur Grundlage für entsprechende Regelungen werde. Außerdem schlagen die Abgeordneten vor, ein Betätigungsverbot oder Organisationsverbot der BDS-Bewegung, die zum Boykott israelischer Produkte aufruft, in Deutschland zu prüfen.
Ferner wird auf das hohe Gut der Meinungsfreiheit in Kunst und Kultur verwiesen; dennoch dürfte es auch dort keinen Raum für Antisemitismus geben. Die jüngsten Antisemitismusskandale auf der documenta und der Berlinale müssten umfassend aufgearbeitet werden, fordert der Antrag. Bund, Länder und Kommunen müssten rechtssichere Regelungen erarbeiten, die sicherstellen, dass keine Projekte und Vorhaben insbesondere mit antisemitischen Zielen und Inhalten gefördert werden. Kunst- und Kulturveranstaltungen sowie -einrichtungen sollten gemeinsam mit Experten antisemitismuskritische Codes of Conduct und Awareness-Strategien als Leitfaden ihres Handelns anwenden.
Auch an den Hochschulen müsse die Freiheit des Denkens gewährleistet werden, heißt es im Antrag weiter. Dennoch müssten die Länder, auch durch eine Überprüfung ihrer Hochschulgesetze, sicherstellen, dass Universitäten sichere Orte für Studierende sind, verlangen die Fraktionen.
Bekenntnis zur Existenz des Staates Israels
Der Antrag enthält außerdem das klare Bekenntnis, dass die Existenz und die legitimen Sicherheitsinteressen des Staates Israel „ein zentrales Prinzip der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik“ sind und bleiben sollen. Die Bundesrepublik müsse aber „die Anstrengungen für eine verhandelte Zwei-Staaten-Lösung verstärken, im international geteilten Einvernehmen, dass dies die beste Chance für eine tragfähige Friedenslösung bietet, mit dem Ziel, die wiederkehrende Gewalt zu beenden und den Menschen auf der israelischen und palästinensischen Seite ein Leben in Sicherheit, Freiheit, Würde und mit gleichen Rechten zu ermöglichen“.
Die Fraktionen betonen in diesem Zusammenhang: „Israel hat das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich gegen völkerrechtswidrige Angriffe zu verteidigen und damit die anerkannte Pflicht, seine Bürger unter Wahrung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen vor Terror zu schützen.“ (irs/che/06.11.2024)